• Veröffentlichungsdatum : 24.05.2017
  • – Letztes Update : 02.06.2017

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  • 659 Wörter

Lageentwicklungen im Milizsystem

Gernot Schreyer

Jahrelang ging man auf höchster politischer Ebene von sehr langen Vorlaufzeiten für jedwede Lageentwicklungen im Bereich der staatlichen Sicherheitsvorsorge aus. Konsequenterweise hat Österreich, auch im Bereich des Bundesheeres und mit Auswirkungen für die Miliz gedacht, man könne das gesamte Sicherheitssystem massiv herunterfahren. Diese Strategie hatte den Nachteil, keine ausreichenden Reserven vorzusehen.

Es war usus, mit einem Schwergewicht auf Auslandsaufgaben und überschaubaren Restkräften im Inland, das Auslangen finden zu können. Wie sich derartiges in der Realität auswirkt, konnte man im Verlauf der letzten Zeit hautnah miterleben. Das Österreichische Bundesheer (ÖBH), als strategische Reserve der Republik, ist materiell ausgedünnt. Das ÖBH muss aber genau dann Antworten liefern können, wenn sämtliche andere Mittel, welche dem Staat zur Verfügung stehen, nicht mehr ausreichen.

Dies ist nur dann möglich, wenn genau dafür mit entsprechenden Vorlaufzeiten die notwendigen Ressourcen beschafft und bereitgestellt werden, das benötigte Personal rekrutiert, trainiert, strukturiert und in entsprechenden Verbänden bereitgehalten werden kann. Die Bundesverfassung hat, dem Willen des Volkes folgend, genau dafür in weiser Voraussicht die „Grundsätze des Milizsystems“ normiert. Dies wurde über einen lange Zeitraum gerne „übersehen“.

Die Verfassung spricht nicht von „milizartig“ oder „Reserve“ sondern eindeutig von „nach den Grundsätzen eines Milizsystems“. Sämtliche Materialien zur Gesetzeswerdung weisen klar darauf hin, was damit gemeint war und ist: überwiegend Milizverbände und unabdingbar damit verbunden einen kurzen Grundwehrdienst mit wiederkehrenden Übungen. Im Klartext bedeutet das eindeutig einen massiven Ausbau der Milizverbände (nicht nur Einheiten) und die Wiedereinführung der Truppenübungen.

Ebenso eindeutig gehört dazu aber auch, dass dieses Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems einsetzbar sein muss, also materiell ausgestattet und mobilmachbar. Abrufbar, in Teilen oder zur Gänze und nicht etwa von Milizsoldaten als Ersatz oder Ablöse für Teile der Präsenzorganisation, sondern eben in Verbänden, die zur selbstständigen Kampfführung fähig sind. Diese müssen darüber hinaus auch gleichzeitig einsetzbar sein und nicht nacheinander, wie manch einer bisher plante. Damit ist die Konsequenz verbunden, mit der Mangelwirtschaft aufzuräumen, denn das Konzept „mehrere Verbände mit Gerät für nur einen“, erfüllt keinesfalls die Kriterien der Verfügbarkeit und Einsetzbarkeit und stellt keine wirksame Antwort für größere Szenarien dar.

Daraus folgt, dass die Miliz nicht etwa der berühmte „integrale Bestandteil“ des Bundesheeres ist, sondern sie muss, zumindest nach der Stärke und der Zahl der Verbände, den wesentlichen Teil stellen ganz im Sinne der Verfassung. Damit soll aber nicht ein Gegensatz zu den präsenten Verbänden entstehen. Im Gegenteil; diese erfüllen weiterhin wesentliche Voraussetzungen im Gesamtkonzept, in den Bereichen spezialisierter Systeme, rasch verfügbarer Kräfte und Aus- und Weiterbildung des gesamten Bundesheeres, alles aber im Hinblick auf ein Bundesheer nach den „Grundsätzen eines Milizsystems“.

Österreich hat den evidenten Irrtum der bisherigen Strategie und deren Auswirkungen für die Bevölkerung und die Republik rechtzeitig erkannt, noch bevor dadurch gravierende Schäden entstanden sind. In dieser einmaligen Situation besteht nun die Möglichkeit, ernsthaft und ohne Gesichtsverlust für alle verantwortlichen Ebenen, den Strategiewechsel fortsetzen zu können. Die Umsetzung unter massivem Zeitdruck, durch Entwicklungen in und um Europa blieb Österreich vorerst erspart. Die jetzt endlich gestoppte budgetäre Austrocknung, der Erhalt von Kasernenstandorten und die Schaffung neuer Strukturen mit Jänner 2017 waren und sind die richtigen Schritte auf dem Weg zur Wiederherstellung der Fähigkeit zur Landesverteidigung.

Die dazu notwendigen personellen Maßnahmen werden, wie zu erwarten, eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Zu diesen grundsätzlichen Elementen des Strategiewechsels, einer potenziellen Wiedererstarkung der Miliz - unbedingt nach den Grundsätzen eines Milizsystems - der materiellen und personellen Wiederherstellung sowie der finanziellen Sicherstellung, gehört aber auch ein massiver Paradigmenwechsel sämtlicher begleitender Maßnahmen, die allesamt noch vor uns liegen. Beispielhaft seien die vorbehaltslose Unterstützung durch die Wirtschaft, deren steuerliche Erleichterungen, Ausbau einer massiven Informations- und Werbetätigkeit nicht nur innerhalb des Ressorts sondern auch im Bildungssystem, die Wiedereinführung der Lagerhaltung von Gütern mit strategischer Bedeutung und dezentrale Kasernenstandorte im gesamten Bundesgebiet erwähnt. Es bleibt zu hoffen, dass der jetzt eingeschlagene Weg nicht sofort wieder verlassen wird und dem Bundesheer auch weiterhin für eine Umsetzung genügend Zeit bleibt.

Hauptmann Akad. FDL Gernot Schreyer ist Präsident Österr. Milizverband Salzburg und Kommandant Jägerbataillon Salzburg „Erzherzog Rainer“.

 

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