Laufen - Lernen - Lieben - Lachen +
Vermutlich jeder Mitarbeiter, ob in Uniform oder in Zivil, ist schon in Situationen geraten, die gerade noch oder nicht mehr zu bewältigen waren. Solche Situationen können im Einsatz entstehen (Kampfhandlungen, Geiselnahmen, etc.) oder durch dienstliche Konflikte, Reorganisationen oder private Schicksalsschläge (Scheidung, Tod von Familienangehörigen etc.). Mit diesen Situationen gehen Menschen aufgrund ihrer jeweiligen persönlichen Vorgeschichte unterschiedlich um. Viele verlieren dabei viel Energie und Zuversicht, werden frustriert, deprimiert und entwickeln krankheitswertige Störungen (Schlafstörungen, Süchte, Depressionen, Suizidgedanken). Andere Menschen gehen aus diesen Situationen und Krisen gestärkt hervor. Man spricht dann von posttraumatischem Wachstum oder Resilienz, der psychischen Widerstandsfähigkeit.
Die Psychologie beschäftigt sich schon seit Anbeginn mit den Fragen: Was kränkt bzw. macht krank? Was stärkt?
Wie sehr jemand gestärkt aus schwierigen Situationen hervorgeht, hängt im Wesentlichen von zwei Bereichen ab, dem Umfeld (privat und beruflich) und den persönlichen Ressourcen. Hier wird nun die Frage behandelt: Was führt zu persönlicher Widerstandsfähigkeit bzw. persönlicher Resilienz? Resilienz stammt vom lateinischen Wort resiliare (zurückspringen) ab. Dabei kommt die Idee zum Ausdruck, dass jemand nach einem (Schicksals)schlag wieder „zu sich kommt“ und erneut in Balance gerät.
Ein Modell der Lebensbalance geht auf den iranisch-stämmigen deutschen Psychotherapeuten, Nosrat Peseschkian, zurück. Er unterscheidet vier wichtige Lebensbereiche: „Arbeit/Beruf“, „Familie/Beziehung“, „Körper/Gesundheit“ und „Sinn/Kultur“.
Um ein Leben in Balance zu führen, ist es wichtig, alle vier Bereiche im Auge zu behalten und zu pflegen. Diese Bereiche stehen in einer Beziehung zueinander: Wer zum Beispiel den Bereich Arbeit längerfristig überbetont, verliert auf Dauer seine Leistungskraft und Lebensfreude (Burnout). Wer länger krank ist, kann sein Leben schwer genießen und ist in der Leistungskraft eingeschränkt. Wer einsam ist, fragt nach dem Sinn. Und wer in einer Sinnkrise steckt, ist in seiner Lebensfreude gedämpft. Diese vier Bereiche können sich aber auch über einen begrenzten Zeitraum kompensieren und helfen, so die Balance zu halten. So kann jemand, der körperlich fit ist, beruflich anstrengende Phasen eher durchhalten. Oder jemand, der am Sinn seiner Tätigkeit zweifelt, durch soziale Beziehungen wieder Orientierung finden. Nur wer alle Bereiche im Auge behält, bleibt in Balance und stärkt seine persönliche Resilienz.
Im Zuge der persönlichen Lebensentwicklung kommt es naturgemäß vor, dass einzelne Bereiche dominieren. So steht in der beruflichen Anfangsphase der Bereich „Beruf/Arbeit“ im Vordergrund, und viel Energie wird darauf verwendet, sich beruflich zu etablieren. Danach wird der Bereich „Familie/Beziehungen“ wichtiger. Mit den Jahren erkennen die meisten Menschen doch, „dass sie nicht unsterblich sind“, und es wird zunehmend wichtiger, durch Bewegung und aktive Gesundheitsvorsorge, dem Zahn der Zeit keinen Ansatz zu bieten. In allen Phasen ist es essenziell dem Leben eine Orientierung zu geben und die Frage nach dem Sinn zu beantworten.
Setzen Sie sich also regelmäßig hin und fragen Sie sich bezogen auf die vier Lebensbereiche: Was ist mir wirklich wichtig? Versuchen Sie dabei sich eine Vision von Ihrem Leben zu machen. Das hilft Ihnen, Ihr Leben in Balance zu bringen bzw. zu halten. Wer ein balanciertes Leben führt, ist persönlich und beruflich resilienter.
Resilienzformel: 4L+
Es gibt eine Kurzformel für ein balanciertes und resilientes Leben: Die vier „L“: Laufen, Lernen, Lieben, Lachen.
Dabei wird Laufen dem Bereich „Körper“, Lernen der „Arbeit“, Lieben der „Familie“ und Lachen dem Bereich „Sinn“ zugeordnet. Als Arbeitspsychologe, der sich auch an Führungskräfte richtet, füge ich noch ein fünftes „L“ hinzufügen: Loben.
Resilienz = Laufen, Lernen, Lieben, Lachen + Loben!
Dr. Christoph Kabas, Militärpsychologe