• Veröffentlichungsdatum : 26.03.2024

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Leopard 2: Verbessern statt verschrotten

Jörg Loidolt

Die Nutzungsverlängerung für den Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 startete im September 2023. Der dann runderneuerte „Leopard“ verfügt über eine zeitgemäße Feuerleitanlage und Nachtkampffähigkeit. Pro Fahrzeug werden etwa 1 100 bauliche Veränderungen innerhalb von 30 Monaten vorgenommen.

Der in Österreich eingeführte Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 wurde in den Jahren 1983 bis 1985 für die niederländische Armee produziert. Im Jahr 1998 kaufte das Bundesheer 114 Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 als Teil des „MechPaketes“ an. Eine tiefgreifende Konfigurationsanpassung in Richtung „Leopard“ 2A5, A6 oder gar A7 wurde bisher nicht vollzogen. Damit stand nach einer 30-jährigen Verwendung die Entscheidung an, wie mit der „Leopard“-Flotte weiter vorzugehen ist. 2019 begannen bereits die Vertragsverhandlungen mit der Firma Kraus-Maffei Wegmann (KMW). Aufgrund der Mitgliedschaft in der „Leopard“-Benutzergruppe war das Bundesheer bei diesen Verhandlungen gut im Bilde, welche technischen Schritte möglich und welche für eine Obsoleszenzbereinigung unbedingt notwendig wären.


Aufgrund der sich rasant verschlechternden Sicherheitslage in Osteuropa und der daraus folgenden Neuausrichtung des Bundesheeres kam es noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine zu einer Vertragsunterzeichnung. Alle 58 in Österreich noch in der Nutzung stehenden Wannen sind davon betroffen. Diese werden alle nutzungsverlängert. Das garantiert den Betrieb über das Jahr 2030 hinaus. Dabei werden viele Komponenten getauscht, eine Kampfwertsteigerung auf den Stand A6 oder A7 war allerdings nicht Verhandlungsgegenstand. Trotzdem verbessern die über 1 100 vereinbarten Änderungen das Fahrzeug in vielen Bereichen erheblich. Durch den positiven Budgetpfad ergab sich die Möglichkeit, weitere sinnvolle Punkte zu verhandeln und diese einfließen zu lassen. Hierbei stehen die technischen Voraussetzungen für das neu einzuführende, heeresweite Führungsinformationssystem (international: Battle Management System, kurz BMS) im Mittelpunkt.
 

Panzerschmiede

Was geschieht in den Panzerwerkstätten von München und Kassel? Neben der Erneuerung vieler Komponenten (siehe dazu TD-Heft 1/2021) beinhaltet der Vertragsumfang auch eine Bedarfsinstandsetzung aller Kabelstränge und des Laufwerkes. So werden zum Beispiel alle Schwingarmdämpfer komplett überholt und die Verkabelung neu verlegt. Die 1 100 Änderungen werden in rund 60 Arbeitsschritten in die Fahrzeuge eingebracht.

Vor dem Transport nach München werden alle Panzer durch das systemverantwortliche Heereslogistikzentrum Wels (HLogZ) einer eingehenden Ausgangsüberprüfung unterzogen. Dabei werden der technische Zustand festgestellt und die Fahrzeugdokumentation verglichen sowie diese in einer Kopie an KMW versandt, um eine Durchlaufdauer von 30 Monaten zu gewährleisten. Zusätzlich werden Baugruppen in gutem Zustand bedarfsorientiert getauscht, um die Restflotte möglichst friktionsfrei einsatzbereit zu halten. Die logistischen Aufgaben der Verzollung, der Ausstellung der Frachtpapiere und der Verladung in Wels werden durch das HLogZ sichergestellt. 

Nach der Ankunft der Panzer in München wird zuerst der Turm von der Wanne getrennt. Der Turm geht anschließend nach Kassel und wird dort weiterbearbeitet. Sowohl beim Turm als auch bei der Wanne werden alle Bauteile, Kabel und Einbauten entfernt. Die Grundkonstruktion wird einer Rissprüfung unterzogen. Danach erfolgen Schweißarbeiten. Dabei werden Knotenbleche eingebracht, um die Schwächen in der Struktur zu beheben. Bei diesen Arbeiten werden die metalltechnischen Voraussetzungen für weitere mögliche Änderungen eingebracht. An der Wannenfront werden die Halterungen für die Eisgreifer entfernt, da hier das neue Fahrersichtsystem „Spectus“ verbaut wird. Das ermöglicht dem Fahrer eine weitgehend uneingeschränkte Sicht zu jeder Tages- und Nachtzeit nach vorne und hinten.

Alle Laufwerkkomponenten werden überprüft und bei Bedarf instandgesetzt. Im Bereich der Batterien werden Ultracaps eingebracht, die den Spitzenstrom bei elektrischem Betrieb des Turmes kontrollieren und in die Batterien rückführen. Der Fahrerraum wird runderneuert und mit dem Fahrerbedien- und Informationssystem (FBI) ausgestattet. Dieses ersetzt die bisherigen Anzeigen und die Manometer durch ein digitales Anzeigefeld und einen Monitor für das kombinierte Infrarot-/Wärmebildgerät des „Spectus“ sowie für dessen Front- und Rückfahrkamera. Weiters schafft es die Voraussetzungen für die Einbringung des Battle Management Systems (BMS) auf dem Fahrerplatz. Hier werden, wie überall, alle Kabelbäume überarbeitet. 

Digitaler Turm

Die Änderungen im Turm sind umfangreich. Die ZLHV (Zentrallogistische Hauptverteilung), der Sicherungs- und Schaltkasten des „Leopard“, wird komplett überarbeitet, um alle neuen Komponenten und Fähigkeiten elektronisch und digital abzusichern. Der Turmantrieb wird von hydraulisch auf elektrisch umgestellt und die Feuerleitanlage erneuert. Dies umfasst einen neuen Feuerleitrechner mit angepassten ballistischen Daten für alle aktuell verfügbaren Munitionsarten – mit der Option auf zukünftige. Zum Verschießen dieser Munition ist die Verbesserung der Rohrbremsen (vom Typ K600 auf den Typ K900) notwendig. Da die neuen Munitionsarten teilweise erheblich schwerer sind, ist auch eine Verstärkung bzw. Erneuerung der Munitionshalterungen im Turm und an der Wanne erforderlich.

Die Panzerkanone (PzK) bleibt vorerst die bewährte PzK L44. Hier bietet der Hersteller Rheinmetall ein auf die neuen Munitionsarten optimiertes Rohr – die PzK L44A1 – an. Es laufen noch Prüfungen, ob dies für den österreichischen Kampfpanzer sinnvoll ist. Der Tausch dieses Rohres ist aber nachträglich auch im HLogZ Wels möglich. Daher besteht hier kein Zeitdruck. 

Auf dem Ladeschützenplatz ändert sich das Ladeschützenbediengerät. Die Ballistik der neuen Munition wird im Feuerleitsystem eingebracht und die Bedienfreundlichkeit erhöht. Es wird die Voraussetzung für einen BMS-Arbeitsplatz (Battle Management System) geschaffen. Der Ladeschütze ist im Zuge der Beschaffung von gefechtstechnischen Drohnen auch als deren Pilot vorgesehen.

Für den Richtschützen ändert sich einiges. In die Sichteinrichtung des Richtschützen wird zusätzlich ein „Attica“-Gerät (Wärmebildgerät) verbaut. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung der Nachtkampffähigkeit. Mit dem „Attica“ wird der Richtschütze vermehrt auf dem Bildschirm beobachten und das Okular nur mehr zur Bestätigung bei einer Schussabgabe verwenden. Die Strichplatten in den Optiken werden den neuen Munitionsarten angepasst und der Laserentfernungsmesser durch die Umstellung auf Erst-Letzt-Echo-Messung erheblich genauer. Das Richtschützenbediengerät wird ebenfalls digitalisiert und das Kraft-Richten (per Hand) wird durch ein elektrisches Notschwenken ersetzt.

Der Panzerkommandant bekommt einen umfassend erneuerten Arbeitsplatz.Das Periskop (PERI) erhält ebenfalls ein „Attica“ und erhält die Bezeichnung PERI R17A3 (vorher PERI R17A1). Dieses befähigt den Kommandanten zum selbstständigen Nachtkampf ohne Rückgriff auf das EMES der Richtschützen (die Optik des Richtschützen). Da das PERI auf demselben Platz bleibt, muss der Winkelspiegelkranz dem breiteren PERI R17A3 angepasst werden. Folglich wird die Anordnung der Bildschirme vom Einbau im „Leopard“ 2A6/A7 abweichen. Die genaue Konfiguration befindet sich in der Feinabstimmung, da das Battle Management System (BMS) miteingeplant werden muss. Alle bisherigen Bedienelemente sowie die Bildgebung der Sichteinrichtungen werden auf einem Monitor mit Taster zusammengefasst.

Die beschriebenen baulichen Veränderungen sind die wichtigsten von insgesamt 1 100 Neuerungen. Viele der aufgezählten Arbeiten bedingen weitere Schritte im Vor- oder Nachlauf. Erhebliche weitere Neuerungen erfolgen, nachdem der Turm umgerüstet sowie frisch lackiert und nach München zurückgebracht worden ist. Dort wird er wieder mit der ursprünglichen, aber nun verbesserten und ebenfalls neu lackierten Wanne „verheiratet“. Dieser Integrationsprozess beinhaltet zahlreiche Tests in der Werkstatt, auf dem Prüfstand und auf dem Werksgelände. Planmäßig dauert der Prozess 30 Monate pro Fahrzeug. Das mag lange klingen, ist aber angesichts der tiefgreifenden Instandsetzung und Erneuerung – mitsamt den vielen zusätzlichen Arbeitsschritten – zügig und mit Sicherheit schneller und kostengünstiger als eine Neubeschaffung.

Was passiert aber in den 30 Monaten in der Garnison Wels, der Heimat der österreichischen „Leoparden“? Im direkten Instandsetzungsablauf wird bis zur Rückkehr des ersten „Leopard“-Panzers, die für Februar 2026 geplant ist, das Zubehör auf Brauchbarkeit überprüft, ergänzt und die Logistikstruktur angepasst. Mit der Rückkehr des ersten Panzers wird die vorbereitete Struktur befüllt, werden die Stammdaten angepasst und die Brandunterdrückungsanlage wird überprüft und bei Bedarf erneuert, weil die mit dem Löschmittel Halon befüllten Behälter 10 Jahre halten und erst vor der Rückübergabe an die Truppe neu befüllt werden. Die Fahrzeugbegleitpapiere werden ebenfalls gemäß den neuen Stammdaten geändert und folglich an den Nutzer – das PzB14 – übergeben.
 

Weitere Entwicklungslinien

Neben der Beschaffung werden auch alle anderen Entwicklungslinien bearbeitet. Eine weitere budgetrelevante Linie ist die Infrastruktur. Hier wurde bereits in den vergangenen Jahren der Bedarf erhoben und vorgelegt. Mit der Vertragsunterzeichnung ergab sich die Zeitlinie für den Bau der ersten neuen Panzerhalle, die im Februar 2026 fertiggestellt werden muss. Von diesem Endpunkt ausgehend wurden in der Rückwärtsplanung die Zeitanker verifiziert, um in das laufende Bauprogramm aufgenommen zu werden. In Zusammenarbeit mit dem HLogZ Wels, dem PzB14 und dem territorial zuständigen Militärkommando OÖ ist es gelungen, den Bedarf der Garnison auf das Ziel 2032+ auszurichten.

Zu den notwendigen neuen Hallen für die bestehenden Kompanien des PzB14 wurden eine vierte Panzerkompanie, eine Panzerpionierkompanie und der erweiterte Bedarf der Nachschub- und Transportkompanie planerisch berücksichtigt. Das Simulationszentrum wird um eine Halle vergrößert, die die verbesserten Ausbildungsmittel und zusätzlichen Simulatoren, wie für die elektrisch fernsteuerbare Waffenstation (EFWS), beherbergen wird.

Im Zuge der Beschaffungen ÖBH 2032+ werden viele Versorgungsgüter einzulagern sein. Dazu wird ein Hochregallager in Wels errichtet. Dieser Bau steht zwar nicht unmittelbar mit der Nutzungsverlängerung in Verbindung, muss aber in der Gesamtkonzeption der Garnison berücksichtigt werden. Für diese umfangreichen Bauaktivitäten, die eine Erhöhung der Autarkie beinhalten, ist bereits ein Planungsbüro beauftragt. Mit den runderneuerten Kampfpanzern und einer zeitgemäßen Infrastruktur müssen die weiteren künftigen Entwicklungslinien nachgezogen werden. 
 

Ausbildung und Vorschriften

Zwei weitere Entwicklungslinien sind einerseits die Ausbildung bzw. Umschulung und andererseits die dazu benötigten Vorschriften. Hier arbeitet die Heerestruppenschule (HTS) mit dem Institut Panzer & Panzergrenadier und dem PzB14 eng zusammen. Noch im Dezember 2023 erhielt ein Lehrunteroffizier an der Panzerschule der Deutschen Bundeswehr in Munster eine Schulung auf dem „Leopard“ 2A7. Auch wenn die Konfiguration nicht ident ist, lassen sich viele Bedienschritte erlernen, wodurch sich ein Überarbeitungsbedarf der Vorschriften ableiten lässt. Im Jahr 2024 werden fünf weitere Soldaten bei der Deutschen Bundeswehr geschult. Dazu werden die Plätze zwischen Heerestruppenschule und PzB14 aufgeteilt. Das PzB14 wird ab dem Jahr 2024 seine internationalen Beziehungen nutzen, um weiteres Wissen nach Österreich zu bringen. Einerseits wird der langjährige Partner, das Pfreimder Panzerbataillon 104 (Pfreimd ist rund 50 km nördlich von Regensburg gelegen), seine Erfahrungen in der Instandsetzung während der „Einsatzgleichen Verpflichtung“ in der Battle Group im Baltikum teilen, anderseits wird die Möglichkeit der Schulung von Panzerfahrern auf das neue Fahrerbedien- und Informationssystem (FBI) geprüft.

Durch die Ausbildungskooperation mit den ungarischen Streitkräften (Magyar Honvédség) ergibt sich die Möglichkeit, beim ungarischen Panzerbataillon 11 in Tata (50 km westlich von Budapest) die neuen Simulationssysteme zu nutzen. Am Standort werden neben den Simulatoren für die Panzerhaubitze 2000 auch vier Kabinen des neuen Advanced Tactical Trainers (ATT) für den „Leopard“ 2A7V errichtet. Der ATT ist die moderne, voll digitalisierte Verbindung der Ausbildungsanlage Turm (AAT), wie sie in Österreich verfügbar ist, mit dem Ausbildungsgerät Panzertruppe (AGPT), wie es in Zwölfaxing vorhanden ist. Damit kann ein kompletter Panzerzug auf einem digitalen Gefechtsfeld ausgebildet und beübt werden. Die Simulatoren der PzH 2000 können mit dem des „Leopard“ 2A7 auf dem digitalen Gefechtsfeld zusammenwirken, was die Qualität der Ausbildung weiter steigert. Die Ausbildung der Fahrer kann zusätzlich am Fahrsimulator betrieben werden.

Nach derzeitigen Planungen soll dieses umfangreiche Ausbildungsangebot im 4. Quartal 2024 für zumindest zwei Wochen genutzt werden. Im Jahr 2025 werden die Vorschriften angepasst und mit den laufenden Informationen von KMW abgeglichen. Im zweiten Halbjahr 2026 ist geplant, die österreichischen Panzersoldaten umzuschulen und im Zugsrahmen mit den umgebauten Kampfpanzern im scharfen Schuss zu trainieren. Mit diesem Wissen sollte die Entwicklungslinie Strukturplanung und Organisation in einem überarbeiteten Organisationsplan für das PzB14 im Rahmen des ÖBH 2032+ abgeschlossen werden können.
 

Umschulung der Miliz

Die angesprochene Ausbildung wird in erster Linie die Berufssoldaten betreffen. Um das Ziel 2032+ für die Panzertruppe zu erreichen, ist auch die Umschulung der Miliz notwendig. Hierfür sind noch Vorgaben der oberen Führung notwendig. Denn nur mit der Miliz ist das PzB14 im Anlassfall der Militärischen Landesverteidigung einsatzfähig. Das führt zu der am wenigsten planbaren Entwicklungslinie dem Personal. Die am besten planbare Größe hierbei ist das Aufkommen an Stellungspflichtigen und Tauglichen. Dieses ist jedoch rückläufig. Aus diesem schrumpfenden Teich müssen sowohl Milizsoldaten als auch Zeit- und Berufssoldaten geworben werden. Das neue Gerät kann in Verbindung mit einer zeitgemäßen Infrastruktur eine Möglichkeit darstellen, um die Attraktivität zu steigern. Die nicht marktkonforme Bezahlung im Bundesdienst in Verbindung mit dem Wunsch vieler junger Menschen, ihr Berufsleben flexibel gestalten zu können, kann das Bundesheer nicht alleine lösen. 

Für das bereits vorhandenen Kader sind diese Aussichten der Nutzungsverlängerung zwar erfreulich, aber der Alltag mit gleichbleibend hoher Ausbildungs- und Einsatzbelastung verlangt ein hohes Maß an Selbstmotivation. Diese sind bei gleichzeitigen familiären Verpflichtungen und finanziell besser dotierten und zeitlich planbaren beruflichen Alternativen innerhalb des Bundesheeres, in anderen Ministerien oder in der Privatwirtschaft schwer zu halten.

Nachdem die Politik allerdings durch die Budgeterhöhung inklusive des positiven Budgetpfades die Dringlichkeit und die gesamtstaatliche Bedeutung von funktionierenden Streitkräften erkannt hat, werden auch hier die nötigen gesetzlichen Maßnahmen folgen.

Oberst Mag.(FH) Jörg Loidolt, MA; Kommandant Panzerbataillon 14


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2024 (396).

Zur Ausgabe 1/2024 (396)


 

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