- Veröffentlichungsdatum : 08.11.2023
- – Letztes Update : 06.12.2023
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"Lizenz" zum Führen
Soldaten und Zivilbedienstete brauchen fachliche, methodische und soziale Fähigkeiten. Das Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik (ZMFW) vermittelt diese Kompetenzen.
Im Mittelpunkt der Ausbildung im Österreichischen Bundesheer steht zum einen der mitdenkende Soldat, der im Sinne des Auftrages und des Kommandanten handelt, als Kommandant oder Fachvorgesetzter führt, anleitet und ein Vorbild ist – zum anderen der Zivilbedienstete, der selbstständig, im Sinne seines Auftrages, handelt. Es braucht die entsprechende fachliche Kompetenz, um die Aufgaben zu erfüllen. Das alleine reicht jedoch nicht. Es bedarf auch methodischer und sozialer Fähigkeiten.
Das Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik an der Landesverteidigungsakademie (LVAk) ist für die Forschung und Lehre in den für Militär und Führung relevanten Bereichen der Geistes-, Human- und Sozialwissenschaften zuständig. Hierzu zählt unter anderem die Aus-, Fort- und Weiterbildung des „qualifizierten Personals“, die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Bereiches Menschenführung, das Qualitätsmanagement des Beratungssystems und die Durchführung von Beratungstätigkeiten mit professionellem Personal.
Die Beratung erfolgt durch das „qualifizierte Personal“ (Trainer) für „Führung“ oder „Kommunikation“. Dieses „qualifizierte Personal“ führt die Vermittlungsarbeit in den verschiedenen Formaten der „personenorientierten beruflichen Beratung“ durch. Dieses rekrutiert sich aus Unteroffizieren und Offizieren im aktiven Dienst und in der Miliz sowie Zivilbediensteten. Grundsätzlich übt das „qualifizierte Personal“ diese Tätigkeit als Zusatzaufgabe neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit aus und wird aufgrund der Freiwilligkeit und des persönlichen Interesses durch die Vorgesetzten gefördert.
Trainer werden
Um „Trainer-Anwärter“ werden zu können, ist für Berufssoldaten eine zweijährige, für Zivilbedienstete eine fünfjährige Berufserfahrung und für Milizoffiziere und -unteroffiziere die Absolvierung einer Beorderten Waffenübung erforderlich. In einem Auswahlverfahren wird die grundsätzliche Eignung zum Trainer festgestellt.
Voraussetzungen sind
- eine gefestigte Persönlichkeit,
- die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und Beobachtungen ausdrücken zu können,
- Kreativität,
- Kritikfähigkeit,
- die Fähigkeit, bei Handlungen sozial verantwortungsvoll zu agieren sowie
- eine sehr gute Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit.
Module
Der erste Teil der Ausbildung ist das „Basismodul“ (etwa 20 Teilnehmer pro Jahr). Darauf aufbauend folgt das Modul „Führung“ oder „Kommunikation“. Die „Trainer-Anwärter“ lernen dabei Führungstechniken, Führungsstile, Gruppen- und Rangdynamik kennen. Diese müssen sie erklären und im militärischen Dienstbetrieb umsetzen können. Dazu gehört das selbstständige Leiten einer Gruppe unter Aufsicht sowie das Reflektieren des eigenen Verhaltens als Trainer.
Zehn Stunden Einzel- und 20 Stunden Gruppen-Supervision schließen die Ausbildung zum „Trainer Führung“ ab. Die „Trainer Führung“ sind ebenso als Mentoren tätig. Diese unterstützen junge bzw. unerfahrene Mitarbeiter (Mentees) in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Als eigenes Programm gibt es für den gesamten Ressortbereich das Soldatinnen-Mentoring, das neu eingetretene Soldatinnen gezielt fördert. An der Ausbildung der Mentorinnen wirkt das ZMFW durch das „qualifizierte Personal“ – vor allem bei der Schulung von Coaching-Kompetenzen – mit.
Teamtrainer werden
Ergänzend zur Ausbildung zum Trainer kann die Ausbildung zum Teamtrainer absolviert werden. Die Teamtrainer verfügen zusätzlich zur Trainer-Ausbildung über eine Ausbildung im Bereich „Coaching und Supervision“, die Teil des „Basismoduls Teamtrainer“ ist.
Ziel des Coachings ist es, die Bediensteten bei der Entwicklung ihres Persönlichkeitspotenzials im beruflichen Kontext zu begleiten. Supervision bedeutet, dass über berufliche Herausforderungen reflektiert wird, um den Umgang damit zu verbessern. Für „qualifiziertes Personal“ ist dies verpflichtend. Die angehenden Teamtrainer lernen Systemtheorie und Beratungssysteme kennen. Die organisatorischen Rahmenbedingungen des Supervisionsablaufes sowie die Methoden, ihre Wirkung und Anwendung werden im Einzel- und Gruppensetting unterrichtet. Ergänzt wird dieser Unterricht durch eine Lernsupervision im Einzelsetting und eine Fallsupervision (dabei treffen sich verschiedene Personen, um die Besonderheiten eines Klienten zu besprechen und den Umgang mit ihm zu planen und zu verbessern; Anm.).
Die Lehrveranstaltung betreffend Konflikt und Konfliktlösung behandelt die Arten und Eskalationsstufen von Konflikten. Die Trainer müssen Konflikte erkennen, analysieren und mit entsprechenden Interventionen bearbeiten bzw. lösen können. Trainer arbeiten hierbei mit unstrukturierten Gruppen (nur zu Ausbildungszwecken gebildete Gruppen; Anm.). Teamtrainer werden bei strukturierten Gruppen (Gruppen, die gezielt und dauerhaft gebildet werden, z. B. ein militärischer Stab; Anm.) eingesetzt. Sie kommen beispielsweise zum Einsatz, wenn ein Brigadekommando einen Konflikt lösen will, der durch eine Unstimmigkeit unter den Mitarbeitern entstanden ist.
Weitere Module
Aufbauend auf das Basismodul können die Teamtrainer zusätzlich die Module „Team- und Organisationsentwicklung“ und „Konfliktmoderation“ absolvieren. In der „Team- und Organisationsentwicklung“ wird an der Verbesserung von Gruppenprozessen gearbeitet. Die „Konfliktmoderation“ zielt auf die Klärung und Vermittlung von Konflikten, vorwiegend in Gruppen, ab. Alle diese Leistungen können nach Bedarf abgerufen werden.
Jedes Jahr nehmen etwa 130 Personen an den Ausbildungen für das „qualifizierte Personal“ teil. Das ZMFW führt eine Evidenz aller Trainer und Teamtrainer. Die Fortbildung dieses Personals mit dem Ziel der Wissensvertiefung im Fachbereich sowie der Weiterentwicklung des eigenen Trainerverhaltens zählt ebenfalls zu den Aufgaben des ZMFW. Dazu werden Veranstaltungen zu Themen wie Change Management, Resilienz, Umgang mit Konflikten, Selbsterfahrung oder Supervision angeboten.
Die Trainer und Teamtrainer werden von „Lehrtrainern Führung“ und „Lehrtrainern Kommunikation“ ausgebildet. Um Lehrtrainer zu werden, bedarf es eines entsprechenden Arbeitsplatzes und einer umfassenden zusätzlichen Ausbildung, die im zivilen Bereich absolviert wird.
Beratung für das Ressort
Das ZMFW deckt mit diesem Personal die Vermittlung sozialer Kompetenzen an die Soldaten sowie die Zivilbediensteten des Ressorts auf breiter Basis ab. Jährlich werden etwa 20 Vorhaben in dem Bereich durchgeführt. Die Vermittlung findet in unterschiedlichen Beratungsformaten statt:
- Training;
- Mentoring;
- Coaching;
- Supervision;
- Teamentwicklung;
- Konfliktmoderation;
- Mediation;
- Organisationsentwicklung.
Jedes dieser Formate dient einem bestimmten Zweck bei der „personenorientierten beruflichen Beratung im Bundesheer“. Beratung ist nicht als Empfehlung zu verstehen, sondern als konkretes Training, wie mit einer bestimmten Situation im Dienstbetrieb umgegangen werden soll. Bei diesem Training geht es um das Sicherstellen der Kompetenz des Kaders in der Ausbildungsmethodik, im Führungsverhalten und in der Kommunikation gemäß den curricularen Vorgaben für die jeweiligen Lehrgänge, aber auch darum, die persönliche Kompetenz im beruflichen Umgang mit Menschen zu erhöhen. Mitarbeiter des ZMFW leiten Lehrveranstaltungen hinsichtlich Führungsverhalten und Kommunikation für die Kaderanwärterausbildung 3 an der Heeresunteroffiziersakademie.
Die Beratungsformate sind Teil der Fachhochschul-Studiengänge des Bundesheeres. Das ZMFW führt unter anderem beim FH-Masterstudiengang „Militärische Führung“ die Lehrveranstaltung „Persönlichkeitsentwicklung“ durch. Dort werden die Themen Teambuilding, Coaching, Konflikt und Führung behandelt sowie der Workshop „Kommunikation“ und Jahresreflektionen durchgeführt. Zu Beginn des Studienganges wird ein fünftägiges Seminar mit dem Schwerpunkt Teambuilding angeboten. Mithilfe eines Logbuches zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung besteht die Möglichkeit zur Reflexion mit dem Lehrgangskommandanten in periodisch stattfindenden Rückmeldegesprächen.
Die Teilnehmer dieser Ausbildung erhalten in beiden Studienjahren Personalcoachings mit Reflexionen am Jahresende. In der Lehrveranstaltung „Konfliktmoderation“ lernen sie Konflikte zu erkennen und zuzuordnen sowie Konflikte geringerer Ausprägung zu moderieren. Die Lehrveranstaltung über „Kommunikationssysteme“ behandelt Phänomene der alltäglichen Kommunikation. Die Lehrveranstaltung zu „Diversity Management und Interkulturalität“ soll einerseits den Nutzen von Vielfalt im System Bundesheer, andererseits die Herausforderungen durch interkulturelle Begegnungen bewusst machen.
Fokus - Frauen im Bundesheer
Ein Teilaspekt von Führung und Kommunikation ist der Umgang mit Frauen im Bundesheer. Die Ausstiegszahlen von Soldatinnen, die unter anderem auf Schwächen in der Menschenführung zurückzuführen sind, andererseits auf sexuelle Belästigung, die zwar nicht Frauen allein, diese aber überwiegend betrifft, waren der Anlass für diese Ausbildung. Das Schwergewicht liegt auf dem Führungsverhalten und der Kommunikation. Gleichzeitig wird der Informationsstand zu den dienst-, disziplinar- und strafrechtlichen Folgen von sexueller Belästigung verbessert. Zur Bewusstseinsbildung des Kaders in Gleichstellungsfragen fand 2023 erstmals eine Fortbildung im Stabsbataillon 3 statt. Nach einer Evaluierung soll diese auch für andere Dienststellen angeboten werden.
Der Informationsoffizier
Spezielle soziale Vermittlungskompetenzen erfordert die Verwendung als Informationsoffizier (InfoO), der vorwiegend jungen Leuten Rede und Antwort zum Themenkomplex Bundesheer und Landesverteidigung steht. Die Ausbildung wird vom ZMFW durchgeführt. Informationsoffiziere gehören nicht zum „qualifizierten Personal“. Die Lehrgänge werden aber von Lehrtrainern bzw. „Trainern Kommunikation“ geleitet, das Lehrpersonal besteht aus „Trainer Kommunikation“ oder „Trainer InfoO“.
Das Konzept InfoO wurde 2023 um den Informationsoffizier/Spezialisten „Demokratische Identität“ – zu verstehen als kleinster gemeinsamer Nenner des gesellschaftlichen Zusammenhaltes – erweitert. Die Ausbildung für diese Verwendung wird ebenfalls vom ZMFW durchgeführt und umfasst drei Module. Die Informationsoffiziere/Spezialisten sollen gegenüber Extremismus jeglicher Ausrichtung sensibilisieren und entsprechende Aufklärungsarbeit leisten. Das Konzept ist Teil der Kooperation zwischen dem Bundesheer und dem Mauthausen Memorial. Mit dieser Initiative soll das Bewusstsein für demokratische Werte und die demokratische Identität gestärkt werden, indem historisches Wissen über die NS-Zeit und die Zerstörung der Demokratie in die Gegenwart übersetzt wird.
Die Vermittlungsarbeit, die durch die Kooperation mit dem Mauthausen Memorial gestärkt wird, erstreckt sich auch auf die Grundwehrdiener. Das ZMFW hat für den Unterricht in der Staats- und wehrpolitischen Bildung der Grundwehrdiener neun Stundenbilder erstellt, anhand derer grundlegende Informationen zu demokratischen Werten sowie Österreichs Außen- und Sicherheitspolitik vermittelt werden. Das Stundenbild 9 „Nationalsozialismus“ wird in Zusammenarbeit mit dem Mauthausen Memorial überarbeitet. Es soll künftig nur mehr von InfoO vorgetragen werden. Die übrigen Stundenbilder werden vereinfacht, um den Zugang zu diesen relevanten Themen zu erleichtern. Zudem wird ein neues Stundenbild „Bedrohungen der demokratischen Identität sowie demokratischer Staats- und Gesellschaftssysteme“ erarbeitet werden, das aktuelle Herausforderungen unserer Gesellschaft behandelt.
Qualitätsmanagement
Evaluierungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung im ZMFW. Um den Qualitätssicherungsprozess zu garantieren, werden sämtliche (Lehr)veranstaltungen des ZMFW evaluiert. Dazu gibt es einen standardisierten Fragebogen für alle Veranstaltungen. Um den Einstieg in die Befragung zu erleichtern, werden bei allen (Lehr)veranstaltungen Kärtchen im Visitenkartenformat ausgegeben, auf denen die Internetadresse und ein QR-Code für die Befragung angegeben sind. Bei Aus-, Fort- und Weiterbildungen für das „qualifizierte Personal“ wird ein eigener Fragebogen verwendet. Dieser verbleibt bei den Trainern und dient der Supervision selbiger. Einmal jährlich wird ein Qualitätszirkel durchgeführt, bei dem Ableitungen aus den Evaluierungen getroffen werden, die dann im Sinne eines Qualitätssicherungsprozesses in die Ausbildungen und Veranstaltungen des ZMFW einfließen.
Auf einen Blick
Jeder Mensch nimmt in seinem Leben beruflich wie privat verschiedene Rollen ein. Im Bundesheer hat jeder Soldat eine bestimmte Funktion, die mit verschiedenen Aufgaben verbunden ist. Ausgebildet wird er dafür von Kadersoldaten bzw. Zivilbediensteten. Die Basis sozialer Kompetenz erhält man üblicherweise im Elternhaus durch die Erziehung. Um diese weiterzuentwickeln, enthalten die Curricula der Lehrgänge und Kurse an den Akademien und Schulen des Bundesheeres entsprechende Ausbildungselemente. Das Kaderpersonal ist neben der Arbeit im Fachlichen gefordert, andere Personen zu schulen, zu lehren und zu begleiten. Um diese Aufgabe erfolgreich erledigen zu können, benötigt es eine fundierte Ausbildung im Bereich Führungsverhalten und Kommunikation. Diese wird vom ZMFW bereitgestellt. Weiters sind in Erlässen der Zentralstelle Unterstützungsmöglichkeiten für Kommandanten und Leiter im Sinne der Menschenführung und Führungsunterstützung verankert.
Hofrat Mag. (FH) Dr. Gerd Hiess BSc MSc; Leitung Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik.
Hofrat Mag. Dr. Gerald Brettner-Messler; Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik.
Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2023 (393).