• Veröffentlichungsdatum : 06.10.2023
  • – Letztes Update : 06.12.2023

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Mehr als "schöne" Fotos

Referat Luftaufklärung an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule

Die Luftaufklärung ermöglicht ein unabhängiges und aktuelles Lagebild. Nur durch Informationsüberlegenheit kann der Einsatz der eigenen Kräfte effektiv und effizient erfolgen. Informationen werden überwiegend gewonnen, indem Luftbilder ausgewertet werden.

Die Luftaufklärung (Air Reconnaissance) ist ein Verfahren der Luftstreitkräfte. Dabei werden Informationen über die Gegner oder Konfliktparteien und über die Umfeldbedingungen – auch unter gegnerischer Bedrohung – mittels luftgestützter Sensorik mit teilstreitkräfte-spezifischen Verfahren gewonnen und verarbeitet. Damit liefert die Luftaufklärung der jeweiligen Führungsebene einen Beitrag zum Lagebild.

Gliederung

Die gesamten Luftaufklärungstruppen des Bundesheeres sind in der Luftaufklärungsstaffel des Luftunterstützungsgeschwaders organisiert. Dieses ist wiederum dem Kommando Luftunterstützung in Hörsching unterstellt. Die Luftaufklärungsstaffel ist weiters in drei Luftaufklärungseinsatzstellen untergliedert. Die Luftaufklärungseinsatzstellen sind in Hörsching, Langenlebarn und Zeltweg disloziert. Darüber hinaus befindet sich in Langenlebarn der Drohnenschwarm.

Produkte der Luftbildauswertung

Die Luftaufklärung ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, den Informationsbedarf des Bedarfsträgers zu decken. Die Art und Weise, wie die fertig ausgewerteten Aufklärungsergebnisse an den Bedarfsträger übermittelt werden, sind

  • der Reconnaissance Exploitation Report und
  • das annotierte Luftbild.

Reconnaissance Exploitation Report

Der Reconnaissance Exploitation Report (RECCEXREP) ist ein Bericht in geschriebener Form und enthält keine Bilder. Er ist gemäß STANAG 3377 der Standardbericht des taktischen Luftbildauswerters. Es werden nur jene Informationen im RECCEXREP gemeldet, die in den dafür verwendeten Luftbildern eindeutig bestätigt werden. Der Informationsumfang des RECCEXREP ist sehr hoch. Dies hat das anfordernde Kommando zu berücksichtigen, da im RECCEXREP meist mehr Informationen enthalten sind als der Bedarfsträger benötigt. In Ausnahmefällen kann der RECCEXREP auch visuelle Sichtungen der Luftfahrzeugbesatzung (Lfz) durch den Bordtechniker oder Piloten melden, selbst dann, wenn diese mangels Luftbild nicht bestätigt werden können.

Annotiertes Luftbild

Dieses besteht im Gegenteil zum RECCEXREP aus den Luftbildern der definierten Aufklärungsziele, in denen direkt Einzeichnungen (Annotationen) vorgenommen werden. Es dient zur Veranschaulichung des geschriebenen Reports (RECCEXREP). Der Informationsumfang des annotierten Luftbildes ist geringer als jener des RECCEXREP. Deshalb geht die Erstellung des annotierten Luftbildes schneller als die Erstellung eines RECCEXREP – vorausgesetzt, es handelt sich um dasselbe Aufklärungsziel.

Bodenauflösung

Damit die Information aus dem Luftbild ausgewertet werden kann, muss das Luftbild „richtig“ erstellt werden. Neben der optimalen Belichtung, der erforderlichen Bildschärfe und einem ausreichend gedeckten Gelände, muss das Luftbild eine vorher definierte Mindestbodenauflösung aufweisen. Die Bodenauflösung wird auch Ground Sample Distance (GSD) genannt und bezeichnet den Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pixelmittelpunkten, gemessen am Boden. Zum Beispiel: fünf cm GSD bedeutet, ein Pixel auf dem Foto steht für fünf lineare Zentimeter auf dem Boden. Eine geringere GSD bedeutet daher eine höhere Bildauflösung.

Unterschiedliche Aufklärungsziele erfordern unterschiedliche Bodenauflösungen zur Auswertung. So braucht z. B. eine Richtfunkantenne eine geringere GSD als ein Einsatzflugplatz, Schiff, Brücke, Panzer etc. Dies ist vor allem bei der Auftragserteilung an die Luftaufklärung zu berücksichtigen, da sich die erforderliche Bodenauflösung vom Informationsbedarf ableitet. Das hat wiederum direkten Einfluss auf die einzusetzende Sensorik und den daraus resultierenden Sensorabstand zum Aufklärungsziel.

Das „schöne“ Bild aus Sicht der Luftaufklärung

Idealbedingungen sind im Einsatz meist nicht gegeben. Bei dem „Erfliegen“ eines „schönen“ Luftbildes müssen Abstriche in Kauf genommen werden. Taktische Gegebenheiten, meteorologische Fakten und luftraumkoordinative Vorgaben zwingen dazu, vom Soll abzuweichen. Mit fotografisch qualifizierter Bildnachbearbeitung kann dies bis zu einem gewissen Maße wieder wettgemacht werden. Sie erfolgt durch Bildfachpersonal in der Luftaufklärung. Nicht das Hochglanzluftbild, das so manchen Kasernengang oder eine Kommandantenkanzlei ziert, sondern jenes Foto, das brauchbare Rohdaten zum Auswerten enthält – für das ungeschulte Auge oft unsichtbar – ist ein luftaufklärerisch „schönes“ Bild. 

Reihenmesskamera (Senkrechtluftbildkamera)

Die Reihenmesskamera „Vexcel UltraCam Eagle Mark 2“ der österreichischen Herstellerfirma Vexcel Imaging wird in Kombination mit einer kreiselstabilisierten Plattform in der PC-6 „Pilatus Porter“ betrieben (siehe Titelfoto). Sie wird für die Erstellung von Senkrechtluftbildern verwendet. 

Senkrechtluftbilder kann man sich gut unter dem Begriff „Google Earth Perspektive“ vorstellen. Im Gegensatz zu downloadbaren Google Earth Bildern sind die Senkrechtluftbilder der Reihenmesskamera jedoch deutlich besser aufgelöst. Aufgrund dieser hohen Sensorauflösung ist es möglich, bei einer Flughöhe von 4.500 m über Grund eine Bodenauflösung von 10 cm zu erreichen. Das dabei gedeckte Gelände beträgt pro Bild rund 1.500 m x 2.300 m. Bei geringerer Flughöhe kann eine Bodenauflösung von zwei cm erreicht werden. Damit einhergehend wird aber auch das abgedeckte Gelände geringer.

Durch die spezielle Prozessierungssoftware können Orthofotos generiert werden. Das Besondere an Orthofotos ist, dass die bei der Erstellung der Senkrechtluftbilder entstehenden Verzerrungen beseitigt werden und man daher eine maßstabsgetreue, georeferenzierte, fotografische Abbildung der Erdoberfläche erhält. Georeferenziert bedeutet, dass jedem Pixel eine geografische Koordinate zugewiesen wird. 

Durch drei unterschiedliche in der Kamera verbaute Sensoren werden bei jedem Flug Bilder in Schwarz-Weiß, Farbe und im nahen Infrarot erstellt. Der Vorteil der Schwarz-Weiß-Bilder liegt in deren höheren Auflösung im Vergleich zu den Farbbildern. Aufgrund der hohen Auflösung von 340 Megapixel hat ein Bild eine Dateigröße von rund einem Gigabyte. Das stellt erhöhte Ansprüche an die IKT-Infrastruktur, wenn mit Senkrechtluftbilddaten gearbeitet werden muss.
Verwendungszwecke von Senkrechtluftbilddaten sind:

  • Primäraufklärung;
  • militärische Planungsgrundlage;
  • Lagekarten;
  • Gelände- und Höhenmodelle;
  • Vermessung und
  • Bildmaterial für Simulatoren.

Forward Looking Infrared (FLIR)

Das Bundesheer hat als Sensor den FLIR380HD der Firma FLIR Systems in Verwendung. FLIR steht für Forward Looking Infrared. Dieser Sensor wird in einem Gimbal gelagert und wahlweise auf der OH-58 „Kiowa“ oder in der PC-6 montiert. 

Ein Gimbal ist ein kugelförmiges Gerät, das in zwei rechtwinkelig zueinander angeordneten Drehgelenken gelagert ist. Diese sind kardanisch gelagert und motorisiert. Dadurch werden die Bewegungen des Luftfahrzeuges ausgeglichen. So wird der Sensor im Flug stabilisiert. Aufgrund der Form seiner Aufhängung wird der Sensor auch FLIR-Kugel genannt. In der FLIR-Kugel des Bundesheeres sind vier bildgebende Sensoren und drei Laser verbaut.

Die Qualität des Aufklärungsverfahrens FLIR geht über die allgemein erkennbare Momentsituation hinaus. In einem Infrarotluftbild kann z. B. ausgewertet werden, ob ein Objekt bewohnt ist, ob (oberirdische) Tankanlagen befüllt sind oder ob ein Fahrzeug vor kurzer Zeit noch in Betrieb war oder an einem bestimmten Ort vor Kurzem noch gestanden ist. Wärme- bzw. Kälteschatten einzelner Objekte können noch Stunden nach deren Entfernung erfasst werden.

Es kann mittels Infrarot auch eine Aussage über die Betriebszustände getroffen werden (z. B. Aggregat in Betrieb, Radar sendet Energie). Ist das FLIR380HD im Einsatz, wird es von einem Luftbildauswerter im Flug bedient und die erstellten Videos werden live während des Fluges ausgewertet. Diese ausgewerteten Aufklärungsergebnisse werden per Inflight Report an den Bedarfsträger übermittelt. Der Inflight Report ist ein normierter Funkspruch des an Bord eines Luftfahrzeuges befindlichen Luftaufklärers. Diese Reportform kommt zur Anwendung, wenn die Übermittlung der Information mit anderen Reportformen einen zu großen Zeitverzug bedeuten würde.
Beispiel eines Inflight Reports:

  • „Ground this is Air;
  • Inflightreport;
  • Grid 8855;
  • Two main battle tanks T72;
  • Advancing in direction north;
  • On dirt road;
  • Out“.

Der Vorteil des Inflight Reports liegt darin, dass die Auswertung des Videos sofort durch fachkundiges Personal erfolgt und das Aufklärungsergebnis nahezu ohne Verzögerung dem Bedarfsträger zur Verfügung steht. Ein Streamen des Videos per Datenlink in einem Gefechtsstand ist ebenfalls möglich. Hierzu muss das Luftbildauswertepersonal mit einem Empfangsgerät an einem Gefechtsstand abgestellt werden. Andernfalls ist eine fachkundige Luftbildauswertung nicht möglich und es verkommt zum sogenannten „Kommandanten-TV“. 

Handkameras (Geneigtluftbilder)

Mit handelsüblichen Handkameras werden aus allen Militärluftfahrzeugen, bei denen während des Fluges die Türe, das Fenster oder die Klappe geöffnet werden können, Geneigtluftbilder erstellt.

Geneigtluftbilder haben bei einem Abstand zum Aufklärungsziel von acht km eine Bodenauflösung von zehn cm. Die Dateigröße eines Geneigtluftbildes beträgt bei einer Bildauflösung von 36 Megapixel rund 40 Megabyte. Geneigtluftbilder erlauben Abstandsaufklärung (Ziele müssen nicht direkt überflogen werden), ermöglichen die Ansicht von lotrechten Linien und Flächen, gestatten Höhenentnahmen, aber sie beinhalten sichttote Räume. Sie dienen der bodensichtähnlichen Darstellung.

Auch wenn handelsübliche, nicht stabilisierte Handkameras zur Erstellung von Geneigtluftbildern im Vergleich zu den oben genannten Sensoren obsolet wirken mögen, so haben sie dennoch ihre Existenzberechtigung. Handkameras sind in einer höheren Stückzahl verfügbar, einfacher in der Bedienung, können aus beinahe jedem derzeit im Bundesheer eingeführten Militärluftfahrzeug verwendet werden, sind sehr kostengünstig in der Anschaffung und im Erhalt. Im Auslandseinsatz MINUSMA in MALI wurden mit einer Handkamera aus einer C-130 „Hercules“ Luftbilder mit ausreichender Bodenauflösung im gesamten malischen Staatsgebiet erstellt. Vor Ort eingesetzte Fliegerkräfte hatten nicht das erforderliche Know-how und die verfügbaren Drohnensysteme nicht die erforderliche Reichweite. Diese Einsatzerfahrung zeigt, dass die Geneigtluftbildaufklärung mit handelsüblichen Handkameras nach wie vor vorhandene Lücken schließt.

Light Detection and Ranging (LiDAR)

Der Luftaufklärungsstaffel steht mit dem LiDAR-Sensor ein Sensor für spezielle Bedarfsträger zur Verfügung. Diese Sensoren senden Laserpulse aus und detektieren das vom Boden zurückgestreute Licht. Aus der Laufzeit der Signale und der Lichtgeschwindigkeit wird die Entfernung zum Ort der Streuung berechnet (analog RADAR). LiDAR-Systeme werden von Luftfahrzeugen aus eingesetzt, um digitale Geländemodelle zu erstellen. Durch die hohe mögliche Punktdichte ist es dabei sogar in Wäldern möglich, durch die Blätterkronen von Bäumen hindurch bis auf den Erdboden zu messen. Der im Bundesheer eingesetzte LiDAR-Sensor der österreichischen Herstellerfirma RIEGL ist auf dem unbemannten Militärluftfahrzeug (uMilLfz), auch bekannt als Drohne, RiCOPTER verbaut. Damit werden hochaufgelöste Geländemodelle erstellt, die speziellen Bedarfsträgern – wie dem Institut für Militärisches Geowesen – dienen. Dieses uMilLfz wurde der Luftaufklärungsstaffel im Force Provider Prinzip zugeordnet, da in ihrer Gliederung ein Drohnenschwarm systemisiert ist. 

Anforderung von Luftaufklärung und Produkten

Wie muss die Truppe vorgehen, um Luftaufklärungskräfte oder Luftaufklärungsprodukte zugewiesen zu bekommen? Wenn Bedarf gegeben, ist die Zusammenarbeit mit Luftaufklärungskräften zu üben, führt der Weg über die Lfz-Anforderung. In dieser ist die Rolle Recce zu wählen, der genaue Bedarf an Sensorik zu artikulieren und auf dem Dienstweg vorzulegen. Bei Bedarf an Luftaufklärungsprodukten für eine Übungs- oder Einsatzvorbereitung ist mittels Luftbildanforderung und dem dazu gehörigen Luftbildanforderungsformular der genaue Bedarf zu artikulieren und auf dem Dienstweg vorzulegen.

In beiden Fällen benötigt es eine Vorlaufzeit von mindestens sechs Wochen. Bei Unklarheiten über die genaue Artikulierung des Bedarfes an Luftaufklärungskräften oder -produkten, aber auch über die individuellen Möglichkeiten der Luftaufklärung ist eine Rücksprache mit dem KdtELtg/LuAufklSta oder mit dem stvKdt/LuAufklESt Langenlebarn hilfreich.

Referat Luftaufklärung an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule.


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2023 (393).

Zur Ausgabe 3/2023 (393)


 

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