Mentor und Leitfigur
Der Kommandounteroffizier im Österreichischen Bundesheer: Seit Jahrhunderten setzen Armeen westlicher Prägung auf das Know-how ihrer Unteroffiziere und machen sich deren Erfahrungen zunutze. Diese Entwicklung hat sich auch aufgrund der Internationalisierung im Österreichischen Bundesheer und durch die Einführung der Kommandounteroffiziere verstärkt bzw. durchgesetzt.
Bei internationalen Einsätzen arbeiten Soldaten des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) seit Jahrzehnten mit Angehörigen der Streitkräfte von EU- und NATO-Mitgliedstaaten sowie Partnernationen zusammen. Dabei konnten die österreichischen Soldaten feststellen, dass es in vielen Armeen einen hochrangigen Unteroffizier gibt, der seinem Kommandanten beratend zur Seite steht. Bereits bei den UN-Einsätzen auf Zypern oder den Golanhöhen war den Österreichern bei nationenübergreifenden Ausbildungen und multinationalen Festakten der „Regimental Sergeant Major“ der Briten bzw. Kanadier mit seinen speziellen Aufgaben aufgefallen. Bei den multinationalen Einsätzen unter NATO-Kommando in Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo gab es enge dienstliche Kontakte zur U.S. Army. Dabei erkannte man die besondere Bedeutung des „Command Sergeant Major“ bei gemeinsamen Ausbildungs- und Einsatzbesprechungen.
Die internationalen Kooperationen des ÖBH bei friedenserhaltenden Missionen, multinationalen Ausbildungsvorhaben oder Konferenzen sind deutlich angestiegen. Das multinationale militärische Netzwerk ist schon lange nicht mehr das alleinige Privileg des Offizierskorps. Auch für Unteroffiziere besteht mittlerweile ein breites Angebot an Aus-, Fort- und Weiterbildungen oder Symposien. Daher macht es für das ÖBH Sinn, einen besonders erfahrenen und befähigten Unteroffizier an der Seite des Kommandanten von großen Verbänden (Brigaden aufwärts) zu positionieren. Besonders Kommandanten mit internationaler Einsatz- und Ausbildungserfahrung, wissen, wie wertvoll ein routinierter Unteroffizier als Berater sein kann und in welchem Ausmaß dadurch der Stellenwert des Unteroffizierskorps angehoben werden kann. Seit 1999 gibt es im ÖBH die Funktion des Kommandounteroffiziers (KdoUO). Diese ist mit dem „Regimental Sergeant Major“ der Britischen Armee bzw. dem „Command Sergeant Major“ der U.S. Army vergleichbar. Seine konkreten Aufgaben sind:
- Beratung des Kommandanten und seines Stabes in allen für Unteroffiziere relevanten Fragen in den Bereichen Ausbildung, Dienstbetrieb und innere Ordnung;
- Meinungs- und Erfahrungsaustausch sowie Kontaktpflege zu nationalen und internationalen Unteroffiziers-Ausbildungsstätten;
- Planung, Koordinierung, Begleitung sowie Vor- und Nachbereitung der Dienstaufsicht des Kommandanten mit Fokus auf die Ausbildung, Gefechtstechnik (Ebene Zug), Disziplin und Ordnung der Truppe;
- Bindeglied zwischen dem Kommandanten und dem Kaderpersonal im Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb;
- Betreuung und Begleitung (Mentoring) von Kaderanwärtern;
- Kontaktpflege zum Kaderpersonal.
Historie
Im Jahr 1999 ergaben sich beim österreichischen Kontingent von United Nations Peacekeeping Force in Zypern zwischenmenschliche Probleme, die verschiedene Führungsebenen betrafen und nicht vor Ort gelöst werden konnten. Daher entschloss sich der damalige Kommandant des Kommandos für Internationale Einsätze, Brigadier Günter Höfler, mit einem erfahrenen und anerkannten Unteroffizier, den er kurzerhand als Kommando-Unteroffizier (KdoUO) einteilte, in den Einsatzraum zu fliegen. Höfler löste die Probleme auf Offiziersebene, sein KdoUO glättete die Wogen bei den Unteroffizieren und Chargen. Aufgrund dieser Erkenntnis, vor allem aber wegen der bereits gewonnen internationalen Erfahrungen wurde beschlossen, vorerst einen KdoUO in einer Zweitfunktion einzuführen. Somit konnte eine jahrelang verfolgte Absicht verwirklicht werden, nämlich die Unteroffiziere verstärkt zur Unterstützung der Führung heranziehen und den Stellenwert des Unteroffizierskorps national wie international zu erhöhen. Der erste KdoUO im Kommando Internationale Einsätze war Vizeleutnant Werner Zofal. Dieser im ÖBH bekannte Unteroffizier konnte mit seiner umfangreichen internationalen Erfahrung die neuen Aufgaben bewältigen. Auf Zofal folgte interimsmäßig Vizeleutnant Othmar Gaberc, der auch den „Command Sergeant Major Course“ in den USA absolvierte.
Um diese Funktion in weiterer Folge in den Organisationsplänen abzubilden, wurde im Jahr 2002 die Schlüsselfunktion mit der offiziellen Bezeichnung „Kommandounteroffizier“ im Kommando Internationale Einsätze, an der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) und wenige Monate später beim Kommando Landstreitkräfte als Arbeitsplatz fix implementiert. Das war der erste Schritt zur Etablierung dieser Funktion bis auf die Ebene des großen Verbandes, die jedoch keine Kopie der Modelle anderer Armeen war, sondern auf die Bedürfnisse des Bundesheeres abgestimmt wurde.
Im Jahr 2006 wurde als Folge der Bundesheerreform 2010 das Streitkräfteführungskommando aufgestellt. Da der KdoUO an der HUAk – bis heute aus unerklärlichen Gründen – diese Tätigkeit nur als Zweitfunktion ausübt, gab es damals nur einen dieser Spitzenunteroffiziere im Organisationsplan des Heeres: den KdoUO der Streitkräfte. Ab 2007 wurden im Auftrag des damaligen Kommandanten der Streitkräfte, Generalleutnant Günter Höfler, KdoUOs auf der Ebene Brigade einschließlich dem Jagdkommando – vorerst in Zweitfunktion – eingeteilt. Von Beginn an haben die Brigadekommandanten diese Maßnahme mitgetragen und erfahrene Unteroffiziere auf diese Funktion ernannt. Nach langen Verhandlungen mit der Personalvertretung gelang es schließlich, den KdoUO als „Sachbearbeiter Kommando & Kommandounteroffizier“ in den Organisationsplänen der Brigaden zu verankern. An der HUAk, der Heerestruppenschule und beim Jagdkommando blieb er eine Zweitfunktion.
Mit der Auflösung des Streitkräfteführungskommandos kam es im Jahr 2017 zu einer Neuorganisation der Kommanden der oberen Führung. Ursprünglich wurde diese Neugliederung als Chance gesehen, um den KdoUO in den künftigen Organisationsplänen als ranghöchsten Unteroffizier mit einer entsprechenden Funktionsgruppeneinteilung aufzunehmen, zumal er ein unmittelbarer Mitarbeiter und Berater des Kommandanten ist. Darüber hinaus soll diese Funktion eine erstrebenswerte Aufstiegsmöglichkeit für einen dienst- und lebenserfahrenen Unteroffizier sein. Mit der Teilung des Streitkräfteführungskommandos in das Kommando Landstreitkräfte und das Kommando Luftstreitkräfte sowie mit dem Aufbau des Kommandos Logistik und dem Kommando Führungsunterstützung & Cyber Defence entstanden zwar neue Strukturen, die KdoUO wurden darin jedoch nicht vollständig berücksichtigt.
Im Jahr 2019 führte man erneut das Kommando Landstreitkräfte und das Kommando Luftstreitkräfte im Kommando Streitkräfte zusammen. Das Kommando Führungsunterstützung & Cyber Defence wurde aufgelöst, das Kommando Logistik in das Kommando Streitkräftebasis übergeleitet. Damit fielen dort die KdoUOs weg. Die Landbrigaden haben es sich zum Ziel gesetzt, auch auf Ebene der kleinen Verbände KdoUO in Zweitfunktion zu installieren. Damit soll ein funktionierendes, aber noch nicht offiziell in den Organisationsplänen verankertes, Netzwerk geschaffen werden. Weitere Schritte sind vom Einvernehmen mit der Personalvertretung und von der Genehmigung durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport abhängig. Nachdem aber in der Zwischenzeit die Mehrheit der Kommandanten und die Unteroffiziere selbst von der Notwendigkeit und dem Mehrwert dieser Funktion überzeugt sind, dürfte dieser Schritt nur mehr eine Frage der Zeit sein.
KdoUO-Netzwerk
Der KdoUO der Streitkräfte ist das Bindeglied zwischen seinem Kommandanten und den Unteroffizieren der Streitkräfte. Um diese Aufgabe flächendeckend zu erfüllen, benötigt er ein Netzwerk, innerhalb dessen ein regelmäßiger Meinungs- und Erfahrungsaustausch durchgeführt wird. Dieses besteht neben ihm aus den KdoUO der HUAk, Heerestruppenschule, Theresianischen Militärakademie, des Jagdkommandos sowie der vier Land- und der beiden Luftbrigaden. Seit 2007 repräsentiert der KdoUO der Streitkräfte das österreichische Unteroffizierskorps im internationalen Umfeld. Hierzu nimmt er regelmäßig an internationalen Konferenzen, Symposien und Ausbildungen als Zuhörer, aber auch als Vortragender, teil. Dadurch entwickelte sich ein breitgefächertes Netzwerk innerhalb der internationalen KdoUO, mit denen er einen permanenten Meinungs- und Erfahrungsaustausch pflegt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen einerseits in den Ausbildungsbetrieb ein, andererseits ergeben sich dadurch Möglichkeiten, dass österreichische Unteroffiziere an internationalen Ausbildungen, wie NATO-zertifizierten Leadership-Kurse, Command Sergeant Major Kurse uvm. teilnehmen können.
KdoUO im internationalen Umfeld
In den vergangenen 60 Jahren haben mehr als 100 000 österreichische Soldaten und Zivilisten in über 100 internationalen friedensunterstützenden und humanitären Missionen einen Beitrag zum Frieden in der Welt geleistet. In all diesen Einsätzen sind Unteroffiziere in verschiedenen Funktionen noch immer maßgeblich an den Erfolgen beteiligt. Darüber hinaus sind sie im militärdiplomatischen Dienst und in internationalen Stäben unterstützend tätig. Am 16. November 2013 übernahm mit Vizeleutnant Arno Thier erstmalig ein österreichischer Unteroffizier die Funktion des „Regimental Sergeant Major“ in Bosnien und Herzegowina. Seit 2014 teilt sich das ÖBH im jährlichen Wechsel mit Ungarn die in der Zwischenzeit neu benannte und beim Force Commander angesiedelte Position des „Command Sergeant Major“ EUFOR/ALTHEA. Im Jahr 2018 wurde aufgrund der Anregung des KdoUO der Landstreitkräfte ebenfalls bei den Auslandsmissionen ein KdoUO in Zweitfunktion implementiert. Damit verbunden war die Einführung eines Verwendungsabzeichens in Form einer Aufschiebeschlaufe mit der Aufschrift „CSM“, die zum Kampfanzug 03 und/oder zu dem Hot Weather Clothing getragen wurde.
Bezugsperson des UO-Korps
Im September 2016 begann mit der Kaderanwärterausbildung (KAAusb) eine neue Form der Unteroffiziersausbildung. Ziel der KAAusb war es, die bisherigen parallelen Ausbildungsgänge der Berufsoffiziers- und Berufsunteroffiziersanwärter sowie der Milizoffiziers- und Milizunteroffiziersanwärter am Beginn der Ausbildung zusammenzuführen. Damit verbunden, ist die Möglichkeit, dass Unteroffiziersanwärter auch ohne eine Heimatdienststelle mit dieser 18 Monate dauernden Ausbildung beginnen können.
Die Ausbildung hat den Vorteil, dass sie kontinuierlich und planbar für alle Beteiligten ist, bringt aber den Nachteil mit sich, dass viele künftige Unteroffiziere ihre Heimatdienststelle erst spät kennenlernen. Daher war es für die KdoUO von Beginn an ein besonderes Anliegen, in Form einer Betreuung bzw. eines Mentorings steuernd mitzuwirken. Mit dem Beginn des 3. Abschnittes der Kaderanwärterausbildung stellen die KdoUO den persönlichen Kontakt zu den angehenden Wachtmeistern her, begleiten diese bei der Kaderanwärterausbildung 3 und danach in ihren Heimatverbänden. Aufgrund der positiven Erfahrungen soll noch 2021 bereits am Beginn der Kaderanwärterausbildung 1 mit diesem Mentoring begonnen werden. Damit werden alle Personengruppen (Berufsoffiziers-, Berufsunteroffiziers-, Milizoffiziers- und Milizunteroffiziersanwärter) erreicht und der KdoUO wird für das künftige Kaderpersonal bereits frühzeitig als Bezugsperson des Verbandes erkenn- und ansprechbar.
Medaille des KdoUO der Streitkräfte
Durch den ständigen Kontakt mit der Truppe kann der „KdoUO Streitkräfte“ die Arbeit der Soldatinnen und Soldaten im täglichen Dienst-, Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb beurteilen und bewerten. Der im ÖBH gebräuchliche Weg, herausragende Leistungen zu würdigen, ist das mündliche Dankeschön oder eine schriftliche Belobigung. Um dieses Lob zu verstärken, gibt es nun die Medaille des KdoUO der Streitkräfte (Coin des KdoUO) als sichtbares Zeichen der Würdigung. Diese verleiht der KdoUO persönlich und vorrangig an Unteroffiziere, die durch eine überdurchschnittliche Leistung hervorstechen. Das Besondere an der Medaille ist deren persönliche und individuelle Gestaltung. Überreicht wird sie mit einem Handschlag, wobei diese nach dem Handschlag in der Handfläche des zu würdigenden Unteroffiziers verbleibt. Die Medaille ist weniger als ein Orden, aber deutlich mehr als ein „Schulterklopfen“ und damit eine besondere sowie nachhaltige Form der Wertschätzung.
Auf einen Blick
Neben der Schweizer Armee, die den KdoUO als „Führungsgehilfe“ seit 2003 auf allen militärischen Ebenen eingeführt hat, haben bis auf Deutschland nahezu alle EU- und NATO-Staaten den KdoUO als anerkannten und unverzichtbaren Bestandteil in ihren Streitkräften übernommen. In einigen Staaten gibt es diese Funktion auf allen Ebenen, vom Verteidigungsministerium über den Generalstab bis zur Ebene der Bataillone. In allen Armeen ist der KdoUO ein unmittelbarer Mitarbeiter und Berater des Kommandanten.
Das Schwergewicht der Tätigkeit der KdoUO des Bundesheeres liegt in all jenen Bereichen, die für das Unteroffizierskorps relevant sind. Dazu hält er engen Kontakt zum Kaderpersonal sowie zu den Akademien, Schulen und Dienststellen, in denen Kaderanwärter aus- und Unteroffiziere fort- und weitergebildet werden. Das ist die Grundlage, um die Bedürfnisse und Anliegen der Unteroffiziere mit jenen der Truppe und der militärischen Bildungseinrichtungen in Einklang zu bringen. Eine weitere Aufgabe ist die Begleitung seines Kommandanten bei der Dienstaufsicht. Dabei liegt das Schwergewicht auf der Beobachtung und Bewertung von Führungsverhalten, Ausbildungsmethodik und Gefechtstechnik sowie auf der Ordnung und Disziplin der Truppe. Dadurch erhält der Kommandant eine ergänzende Beobachtung/Information über das Stimmungsbild der Truppe.
Die Begleitung und Betreuung der Kaderanwärter auf ihrem Weg zum Unteroffizier ist eine weitere wesentliche Aufgabe der KdoUO. In Vorträgen und persönlichen Gesprächen werden den angehenden Unteroffizieren jene Werte und Pflichten vermittelt, die sie in der Praxis benötigen. Dadurch werden sie zusätzlich auf ihren Dienst bei der Truppe mit dessen Besonderheiten und Herausforderungen vorbereitet.
Fazit
Die wachsenden Anforderungen an moderne Streitkräfte, aufgrund des komplexen Bedrohungsbildes und der zunehmenden internationalen Zusammenarbeit erfordern eine Erweiterung der Fähigkeiten und des Aufgabenspektrums des Unteroffiziers. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, die anerkannt gute Qualität des österreichischen Unteroffiziers nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuentwickeln. Als Berater, Mentor, Leitfigur und Bindeglied leistet der KdoUO einen wesentlichen Beitrag dazu, weshalb er in Streitkräften eine Schlüsselrolle einnimmt.
Vizeleutnant i. R. Othmar Wohlkönig; Kommandounteroffizier der Streitkräfte.