• Veröffentlichungsdatum : 22.11.2023
  • – Letztes Update : 06.12.2023

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Mit Sicherheit gesund

Selina Lukas

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz betreffen alle Bediensteten. Dafür arbeiten Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner und Arbeitspsychologen zusammen. Wer wofür zuständig ist, an wen sich Bedienstete wenden können und wie man den Arbeitsalltag sicher und gesund gestaltet, verraten drei von ihnen im TRUPPENDIENST-Interview.

Um den Bedienstetenschutz im Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) kümmern sich drei Personengruppen. Der technische Bereich wird von den Sicherheitsfachkräften betreut. Diese gehören zum Großteil den Militärkommanden an und üben ihren Auftrag auf Vollzeitbasis aus. Das Amt für Rüstung und Wehrtechnik, das Heeresnachrichtenamt sowie die Direktion 7 verfügen über eigene Sicherheitsfachkräfte. Daneben gibt es noch die Arbeitsmedizin und die Arbeitspsychologie. Die Arbeitsmedizin ist in den drei Sanitätszentren Ost (Wien), Süd (Graz) und West (Innsbruck) angesiedelt. Die Arbeitspsychologie gehört dem Heerespsychologischen Dienst an. Arbeitsmedizin und Arbeitspsychologie sind nur zum Teil intern vertreten, ein Teil wird extern abgedeckt.

Gemeinsam haben alle drei Bereiche ein Ziel: den Schutz der Bediensteten. Dabei gilt der Grundsatz der Verhältnisprävention. Bei einer belastenden Arbeitssituation geht man nach dem STOP-Prinzip vor. Um dies zu erreichen, führen die Präventivkräfte routinemäßig einmal jährlich Begehungen der einzelnen Dienststellen durch. Bei Bedarf kann sich der Bedienstete über den Dienststellenleiter, die jeweilige Sicherheitsvertrauensperson oder selbst direkt an die
Sicherheitsfachkraft, den Arbeitsmediziner oder den Arbeitspsychologen wenden. (Sicherheitsvertrauenspersonen sind direkt an der Dienststelle tätig und nach einer einwöchigen Ausbildung an der Heereslogistikschule Ansprechpartner für Bedienstete; Anm.)

Bei den Begehungen machen sich die Präventivkräfte ein Bild, zeigen Mängel auf und betreiben Aufklärungsarbeit. In ihrer Tätigkeit sind sie weisungsfrei und teilen in ihren Berichten den jeweiligen Dienststellenleitern mit, welche Mängel in ihren Bereichen vorhanden bzw. zu beheben sind. Die Grundlage dafür ist das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz (B-BSG). Dieses unterscheidet sich nur in Nuancen vom Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG). Das Bedienstetenschutzgesetz verhilft dem Bediensteten zu seinem Recht gegenüber dem Dienstgeber. Aber der Bedienstete hat auch Pflichten, wenn es etwa um das Tragen einer fachgerechten Schutzausrüstung bzw. das Einhalten von Sicherheitsbestimmungen geht. Zudem vertritt die Personalvertretung die Bediensteten und kann Forderungen stellen. Das Gesetz sieht daher vor, dass die Sicherheitsfachkräfte einerseits dem Dienststellenleiter, andererseits der Personalvertretung berichten.

Neben den drei Bereichen der Präventivkräfte gibt es Arbeitsschutzausschüsse, die Dienststellen ab einer gewissen Bedienstetenanzahl installieren müssen. In diesen werden die Erkenntnisse der Präventivkräfte und Sicherheitsvertrauenspersonen zusammengefasst. Die Arbeitsschutzausschusssitzungen sollten zumindest zweimal pro Jahr an der jeweiligen Dienststelle stattfinden. Zusätzlich gibt es einmal jährlich eine zentrale Arbeitsschutzausschusssitzung im BMLV. Dort werden dienststellenübergreifende Themen behandelt, die strategisch bzw. konzeptionell sind und das gesamte Ressort betreffen.


STOP-Prinzip

Der Bedienstetenschutz setzt Präventivmaßnahmen in Bezug auf die Verhältnisse, nicht auf das Verhalten. Um Gefahren und Sicherheits- bzw. Gesundheitsrisiken zu minimieren, kommt das STOP-Prinzip zum Einsatz.

  • Substitution: Der erste Schritt ist es, etwas an den Systemen zu ändern, indem man z.B. einen gefährlichen Arbeitsstoff durch einen weniger gefährlichen ersetzt oder ein altes Arbeitsmittel gegen ein neues austauscht.
     
  • Technik: Im nächsten Schritt werden die technischen Gegebenheiten betrachtet. Dazu zählen unter anderem Aspekte wie Schutzvorrichtungen.
     
  • Organisation: Sind die ersten beiden Schritte erfüllt, wird auf der Ebene der organisatorischen Abläufe angesetzt.
     
  • Person: Erst wenn diese drei Bereiche optimiert sind, werden Maßnahmen auf persönlicher Ebene beim einzelnen Bediensteten ergriffen. Diese sind ergänzend zu technischen oder organisatorischen Maßnahmen anzuwenden.

Weitere Informationen zum Thema Bedienstetenschutz gibt es im Intranet.


Sicherheitsfachkraft

Präventivfachkräfte sind für den baulichen und technischen Bedienstetenschutz – also alle Bereiche, in denen der Bedienstete sich bewegt und arbeitet – zuständig. Eine Voraussetzung für die Beschäftigung als Sicherheitsfachkraft ist ein HTL-Abschluss, womit Fähigkeiten bzw. Kompetenzen im technischen Bereich einhergehen. Die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft dauert etwa drei Monate.

Im Bundesheer ist einer von ihnen Oberst Siegfried Ischlstöger. Er gehört dem Militärkommando Wien an und betreut Dienststellen im Raum Wien. Die fachvorgesetzte Stelle „Zentrale Technische Angelegenheiten“ nimmt die Zuteilung zu den einzelnen Dienststellen vor. Ischlstöger betreut offiziell etwa 2 000 Bedienstete. Aufgrund von Personalmangel muss er sich fallweise um mehr kümmern. Seinen Arbeitstag verbringt er teilweise an seinem eigenen Standort (KdoG FM Radetzky), wo er Berichte schreibt, recherchiert oder Informationen für alle Bedienstete im Intranet zur Verfügung stellt. Sein Hauptauftrag ist jedoch die Begehung von Dienststellen: „Ich schaue mir alles an, wo gearbeitet wird“. Dazu gehören neben Kanzleien auch Werkstätten, Lager, Nassräume oder Sportstätten.

Begehungen

„Ich mache mit dem Dienststellenleiter oder der Sicherheitsvertrauensperson einen Termin aus. Dann gehe ich mit ihnen von links nach rechts alles durch“, sagt Ischlstöger. Üblicherweise geschieht dies einmal jährlich. Manche Dienststellen erfordern jedoch mehr Betreuung, wenn etwa mit gefährlichen Betriebsmitteln oder Arbeitsstoffen gearbeitet wird.

Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung hat Ischlstöger bereits ein Auge für häufige Mängel. Dazu zählen z. B. das Fehlen von Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten an den Dienststellen. Dies sei zwar kein unmittelbares Sicherheitsrisiko, dennoch stellen diese Dokumente die notwendige Basis dar, erklärt er. In den Kanzleien bzw. bei den Büroarbeitsplätzen ist die Ergonomie seiner Erfahrung nach das Hauptthema, weil deren Grundsätze oft nicht beachtet werden. Das äußere sich etwa dadurch, dass die Möbel falsch auf- oder Bürodrehstühle falsch eingestellt sind. In solchen Fällen könnte der Bedienstete ganz einfach selbst tätig werden und seine Arbeitssituation verbessern, aber „der Mensch ist ein Gewohnheitstier und beratungsresistent, selbst wenn die Routine auf Dauer Schmerzen verursacht. Veränderungen mag niemand“. Das Problem dieser Belastungen ist, dass sie nicht unmittelbar spürbar sind, sondern die Gesundheit über Jahre hinweg langsam schädigen. In diesem Bereich arbeitet er eng mit der Arbeitsmedizin zusammen. Und wenn Mediziner und Techniker ratlos sind, dann wisse der Psychologe meistens, weshalb der Arbeitsunfall passiere, beschreibt Ischlstöger die Zusammenarbeit.

An manchen Dienststellen gäbe es bauliche Mängel, die dem Alter der Liegenschaften geschuldet seien. In solchen Fällen sei es oft schwierig, etwas zu verändern, so Ischlstöger. Ein weiterer „Dauerbrenner“ in seiner Tätigkeit ist die Raumtemperatur – vor allem in den heißen Sommermonaten. „Das B-BSG gibt hier nur teilweise etwas her. Da sind eher Sollbestimmungen drinnen.“ Eine weitere Problematik ergibt sich durch die Telearbeit, denn da fehlen zum einen gesetzliche Vorgaben, zum anderen „sind wir blind, was die Ausstattung oder auch Unfälle zuhause angeht“, so Ischlstöger.

Eine Frage brennt vielen Bediensteten auf der Seele. Wie viele Quadratmeter stehen einer Person am Arbeitsplatz zur Verfügung? „Darauf antworte ich immer: Das wollen Sie nicht wissen“, lacht er. Laut Arbeitsstättenverordnung (AStV) müsse eine Einzelkanzlei zumindest acht Quadratmeter haben. Für jede weitere Person kämen fünf Quadratmeter hinzu. Die internen Raumbedarfsrichtlinien seien wesentlich großzügiger, aber doch nur Richtlinien, so Ischlstöger. Großraumbüros findet die Sicherheitsfachkraft im Übrigen nicht immer schlimm. Für manche Tätigkeiten eigne sich diese Arbeitsweise, bei Parteienverkehr mache es wiederum wenig Sinn, erklärt er. Er beobachte auch einen Generationenwechsel, denn „die Jungen wollen gar keine eigene Kanzlei mehr, in der sie sich abschotten“.

Der Fokus der Sicherheitsfachkräfte liegt darauf, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Forderungen erfüllt werden. Zusätzlich geben sie Empfehlungen ab, wie Bedienstete ihre Arbeitsabläufe verbessern können. „Wenn der Bedienstete aber anders arbeiten will, dann soll er seinen Willen haben. Es bringt nichts, wenn eine Person perfekt ergonomisch arbeitet, aber unglücklich ist.“

Arbeitsmedizin

Im Sanitätszentrum Ost (SanZ Ost) befindet sich das Arbeitsmedizinische Zentrum Wien. Es hat zwei Außenstellen, eine in Graz (SanZ Süd) und eine in Innsbruck (SanZ West). Insgesamt wird etwa ein Drittel der Bundesheerbediensteten durch diese drei Zentren betreut. Dort gibt es derzeit jeweils einen Arbeitsmediziner und einen begleitenden arbeitsmedizinischen Fachdienst. Dabei handelt es sich um einen Sanitätsunteroffizier, der eine arbeitsmedizinische Assistenzausbildung sowie eine mehrwöchige Spezialausbildung absolviert hat, die es ihm ermöglicht, in bestimmten Fällen selbstständig Begehungen durchzuführen. Zudem gibt es sechs (zukünftig nur mehr fünf) zivile arbeitsmedizinische Zentren, die mehr als zwei Drittel der Bundesheerbediensteten betreuen. Arbeitsmediziner fokussieren sich – im Gegensatz zu Sicherheitsfachkräften – auf das Erkennen der persönlichen Beanspruchung der Bediensteten und die Vermeidung negativer Auswirkungen auf die Gesundheit.

Aufgaben

Der Hauptauftrag der Arbeitsmediziner des Bundesheeres liegt in der Betreuung der Sicherheitsstufen A (Dienststellen, die eine besondere Zutrittsgenehmigung verlangen; Anm.), aber auch von Dienststellen mit speziellen Aufträgen (z. B. Entminungsdienst, Jagdkommando). Kernaufgaben sind Begehungen und die Beratung der Dienststellenleiter in arbeitsmedizinischen Fragen. Dabei berufen sie sich auf das B-BSG sowie den militärmedizinischen Grundauftrag. Dieser umfasst

  • das Sicherstellen der arbeitsmedizinischen Betreuung,
  • den Beitrag zur Erhaltung der Einsatzbereitschaft,
  • das Bereitstellen fachdienstlicher Beiträge sowie
  • das Beraten und Unterstützen von Dienststellenleitern, Organisationselementen, Bediensteten und der Personalvertretung in den Bereichen Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung.

Zusätzlich werden folgende essenzielle Aufgaben wahrgenommen wie

  • arbeitsmedizinische Untersuchungen bei Lärm und beim Umgang mit besonders gefährlichen Arbeitsstoffen sowie
  • die Wiedereingliederung von Bediensteten nach längerem Krankenstand.

Sofern es die Ressourcen zulassen, werden Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung angeboten, implementiert und gesteuert. „Wir sind Ansprechpartner, wir stellen Belastungen und Gefährdungen fest und schlagen Maßnahmen vor“, so Oberstarzt Dr. Michael Emich, Leiter des Arbeitsmedizinischen Zentrums Wien. Bei der Planung und Gestaltung neuer Dienststellen sollten die Arbeitsmediziner auch hinzugezogen werden, aber „das findet oft erst im Nachhinein statt, da sind unsere Möglichkeiten begrenzt.“

Aktuelle Schwerpunkte der Arbeitsmedizin sind derzeit die Belastung durch Hitze und persönliche Lärmschutzmaßnahmen. Das Raumklima wirkt sich ebenso auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Bediensteten aus. Lärm bzw. der Gehörschutz ist vor allem beim Scharfschießen oder bei speziellen Übungsszenarien ein Thema. In Überschneidung mit der Arbeitspsychologie gibt es auch Initiativen zur Alkohol- bzw. allgemeinen Suchtprävention. „Unser Ziel ist es, die Bediensteten möglichst lange gesund im Dienst zu halten“, fasst Emich zusammen.

Begehungen

Bei ihren Begehungen versuchen die Arbeitsmediziner, Wissenslücken zu schließen und Bewusstsein bei den Bediensteten zu schaffen. „Oft haben die Bediensteten alle Mittel zur Verfügung, um ergonomisch zu arbeiten, nutzen sie aber nicht richtig“, so der Arbeitsmediziner. Die Bediensteten seien gefordert, Eigeninitiative zu zeigen, denn es gehe um ihre eigene Gesundheit, erklärt er. Ein weiteres Problem sei laut Emich, dass es eine Informationsflut gebe, in der die Bediensteten sich zum Teil nicht zurechtfänden. „Als Arbeitsmediziner sind wir gefordert, das Wissen gezielter unter die Leute zu bringen.“

Bei individuellen Anliegen kann sich der Bedienstete – je nach Zuständigkeit – direkt an das Arbeitsmedizinische Zentrum wenden. Gibt es medizinische Befunde, so können diese elektronisch übermittelt oder bei der Begehung der Dienststelle vorgelegt werden. „Dann schaue ich mir an, ob der Befund etwas mit dem Arbeitsplatz zu tun hat und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollen“, beschreibt der Arbeitsmediziner den Vorgang. Ein Befund allein reiche oft nicht aus, und eine telemedizinische Ferndiagnose sei nur bedingt möglich. Neben dem medizinischen Grundproblem gilt es für Emich, auch die Arbeitsabläufe und das Arbeitsumfeld in seine Beurteilung miteinzubeziehen. Dann kann er „Arbeitsbedingungen verbessern und Arbeitsprozesse menschengerecht machen“.

Arbeitspsychologie

Seit 1. Jänner 2014 sieht das B-BSG die Berücksichtigung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vor. Darum kümmert sich im BMLV der Heerespsychologische Dienst mit dem Referat Prävention und Arbeitspsychologie. Der Arbeitspsychologe und Milizoffizier Dr. Christoph Kabas leitet dieses Referat, dessen Hauptaufgabe die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist. Zudem gibt es Projekte, wie die Alkohol-, Suizid- und Mobbingprävention oder die Kampagne gegen sexuelle Belästigung. Insgesamt sind in dem Referat vier Psychologen tätig. Sie sind für etwa ein Drittel der Bediensteten zuständig, die übrigen zwei Drittel werden seit einem Jahr durch externe Arbeitspsychologen betreut. Dies sei jedoch eine Herausforderung, da es militärische Kenntnisse brauche, um sinnvolle Maßnahmen ableiten zu können, so Kabas.

Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

Jeder Dienststellenleiter ist seit 2014 verpflichtet, arbeitspsychologische Evaluierungen einzuleiten. Aufgrund der mangelnden Personalressourcen konnten die erforderlichen Erstevaluierungen bisher noch nicht flächendeckend vorgenommen werden. „Die Arbeitsplatzevaluierung ist als kontinuierlicher Verbesserungsprozess angesetzt“, sagt Kabas. Zuerst werde eine Erstevaluierung durchgeführt, aus der wiederum Maßnahmen und Empfehlungen abgeleitet werden. Diese sollten zeitnah umgesetzt und anschließend laufend nachevaluiert werden. Bei diesen Arbeitsplatzevaluierungen werde beurteilt, ob Bedienstete in einem Ausmaß fehlbelastet werden, was zu einer Fehlbeanspruchung führe. Kabas weiter: „Psychische Belastungen sind arbeitspsychologisch gesehen alles, was von außen auf die Person einwirkt und sind per se weder positiv noch negativ“. Die Frage sei, ob diese zu stark werden und so negativ auf die (psychische) Gesundheit wirken, so der Arbeitspsychologe.

Um diese Frage zu beantworten, besuchen die Arbeitspsychologen die jeweilige  Dienststelle. Der erste Schritt der Evaluierung ist ein standardisierter Fragebogen, den jeder Bedienstete ausfüllt. Auf Basis dessen werden gezielte Befragungen mit allen Führungskräften und einigen repräsentativen Arbeitsplatzinhabern durchgeführt. „Bei diesen Befragungen sind wir vor Ort und schauen uns Arbeitsabläufe und Räumlichkeiten an“, beschreibt Kabas den Vorgang. Damit gibt es mehrere Quellen für eine umfassende Evaluierung. Aus dieser ergeben sich Maßnahmen und Empfehlungen. „Wir teilen diese in A-, B- und C-Maßnahmen ein. A steht für eine dringende sofortige Umsetzung, B für eine mittelfristige und C-Maßnahmen betreffen Dinge, die kein Risiko für die Sicherheit oder Gesundheit darstellen, aber dennoch effizienter gestaltet werden könnten.“

Dimensionen von Belastungen

Grundsätzlich lassen sich alle Belastungen vier Bereichen zuordnen, anhand derer die Evaluierung durchgeführt wird.
Diese sind:

  • die Arbeitsumgebung (Wo?)
  • das Organisationsklima (Mit wem?)
  • die Arbeitsabläufe und -organisation (Wie?)
  • die Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten (Was?).

In diese Kategorien lassen sich alle psychischen Belastungen einordnen. Ist es die Software, die dauernd abstürzt, ein ständig erhöhter Lärmpegel oder ein Ungerechtigkeitsempfinden in Bezug auf die Verteilung von Aufgaben innerhalb einer Dienststelle.

Beim Zentralen Arbeitsschutzausschuss 2022 präsentierte die Arbeitspsychologie einige Themen, die über die Jahre kontinuierlich in den Arbeitsplatzevaluierungen auftraten. Diese sind

  • die Führungsqualifikation von zivilen Führungskräften,
  • der Wissenstransfer bei Pensionierungen und
  • der demografische Wandel.

Die Weiterqualifizierung von zivilen Führungskräften sei laut Kabas bisher vernachlässigt worden. Eine stufenweise Qualifikation, wie sie bei militärischen  Führungskräften stattfindet (Laufbahnbilder), werde für den zivilen Bereich nicht vergleichbar angeboten. Die Führungskompetenz sei jedoch ein wesentlicher Faktor für einen reibungslosen Arbeitsablauf. „Ein weiterer großer Mangel ist der Braindrain, der durch die künftigen Pensionierungen entstehen wird“, erklärt der Arbeitspsychologe. Der rechtzeitige Wissenstransfer von hochqualifizierten Bediensteten vor deren Pensionierung finde nur teilweise vollständig statt. Gleichzeitig gehe mit dem demografischen Wandel auch ein Mitarbeitermangel in den nächsten Jahren einher. „Diese Herausforderungen müssen auf der Makroebene angegangen werden“, ist Kabas überzeugt.


Goldene Regeln...

...der Sicherheitsfachkraft

Aufmerksam bleiben! Nichts ist gefährlicher als Routine.

Wenn man einmal fünf Minuten eine Fehlbelastung hat, ist es egal. Hat man sie acht Stunden am Tag, 45 Jahre lang, dann wird es problematisch.

Man kann alles machen, solange man es nachvollziehbar begründen kann. Bei der Verwendung von Schutzausrüstung gibt es daher keinen Spielraum.

...des Arbeitsmediziners

Jeder Schritt zählt! Ständig sitzen ist fatal, man sollte bewusst öfter aufstehen und ein paar Schritte gehen.

Gesund ernähren - Übergewicht vermeiden. Die Truppenküche hat sich dahingehend stark verbessert, dennoch nimmt man oft die ein oder andere Kalorie zu viel auf.

Stichwort Stressbewältigung. Ausreichende (Bildschirm-)Pausen und ein Ausgleich zum Arbeitsalltag sind wesentlich.

...des Arbeitspsychologen

Die eigenen Bedürfnisse kennen. Man muss sich klar sein, was einem wichtig ist, und das auch einfordern.

Flexibel und offen für neue Herausforderungen bleiben und keine Angst vor dem Lernen haben.

Stay connected! Wir sind soziale Wesen. Alleine funktioniert gar nichts.


Bei der Truppe

Im Bundesheer gehört für Sicherheitsfachkräfte, Arbeitsmediziner und Arbeitspsychologen auch die Betreuung von Soldaten zum Arbeitsalltag. Damit gehen besondere Herausforderungen einher, da eine Übung oder ein Einsatz in gewisser Hinsicht anders bewertet werden muss.

Zu den Aufgaben der Sicherheitsfachkraft gehört es ebenfalls, die Sicherheit der Truppe bei Übungen, im Gefechtsdienst oder bei Auslandseinsätzen zu gewährleisten. Dort gilt es, bestimmte Dinge anders zu beurteilen, denn „wo gehobelt wird, fallen Späne. Militär ist Militär!“, ist Ischlstöger überzeugt. Bei Übungen steht die realitätsnahe Ausbildung im Vordergrund. Da gilt es, Regeln einzuhalten und die technischen Voraussetzungen zu schaffen, aber „100-prozentige Sicherheit gibt es nicht“, so der Experte.

Ein weiterer spezieller Aufgabenbereich Ischlstögers ist die Erprobung der persönlichen Schutzausrüstung, z. B. bei den Pionieren. Bei Auslandseinsätzen hat der Oberst Bataillonskommandanten vor Ort beraten. Es dauerte nicht lange, bis die Sicherheitsfachkraft die Wichtigkeit von Arbeitssicherheit – gerade im Einsatz – vermittelt hatte. Wenn vermeidbare Unfälle – z. B. in Lagern – verhindert werden können, spart das Geld, Personal und Ressourcen. „Der Bereinigungsgrad meiner festgestellten Mängel war im Auslandseinsatz wesentlich höher als an den ‚normalen‘ Dienststellen.“

Arbeitsmediziner Emich weiß ebenso, dass auf dem Truppenübungsplatz oder bei Übungsszenarien anders bewertet wird, denn „da geht es um dynamische Prozesse. Da ist alles in Bewegung“. Gewisse Belastungen sind zu erwarten, andere treten plötzlich auf. Darum ist es wichtig, schon im Vorfeld festzulegen, welche Schutzausstattung im Freibereich gebraucht wird. „Das fängt an beim Sonnenschutz und geht über den Gehörschutz bis hin zur speziellen Schutzausrüstung, wie Handschuhe oder Brillen“, so der Oberstarzt. „Eine Übung ist eine Ausnahme, da steht der Arbeitsschutz nicht im Vordergrund, sondern dass die realen Einsatzbedingungen möglichst erreicht werden.“ Dennoch hat auch dort die Sicherheit Priorität.

„Ein Soldat kennt keinen Schmerz. Schon gar keinen psychischen“, stellt Kabas augenzwinkernd fest. Das sei Teil der Betriebskultur und eine Schwelle, die die Arbeitspsychologen überwinden müssten, so Kabas. Dennoch sinken die Berührungsängste aufgrund von regelmäßigen Untersuchungen (Stellung, Kadereignung, Auslandseinsatz). Im militärischen Bereich seien es vor allem der niedrige Besetzungsgrad sowie die „Mangelversorgung“ der vergangenen Jahre, die die Bediensteten psychologisch be- und überlasten, stellt der Arbeitspsychologe fest.

Fazit

Gesunde Bedienstete, die auf sicheren und menschengerechten Arbeitsplätzen ihren Dienst verrichten – das ist das gemeinsame Ziel der Präventivkräfte des BMLV. Die Dienststellenleiter sind gefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten und die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Ein Ressort, das sich um die psychische und physische Gesundheit seiner Bediensteten bemüht, wird auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.

Selina Lukas, Bakk. phil., MA; Redakteurin beim TRUPPENDIENST.


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 3/2023 (393).

Zur Ausgabe 3/2023 (393)


 

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