Orden für Befreier
1960 beteiligte sich Österreich zum ersten Mal im Kongo an einem Auslandseinsatz. Die Österreicher wurden unmittelbar nach dem Eintreffen im Einsatzraum gefangen genommen. Bereits am nächsten Tag konnten sie von britischen und nigerianischen Soldaten befreit werden. Für die Retter der Österreicher gab es zwei Jahre später (vor 60 Jahren) eine besondere Würdigung: die Verleihung des "Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich".
Die Republik Österreich stiftete im Jahre 1952 das bis heute durch den Bundespräsidenten zu verleihende „Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich“ (BGBl. Nr. 89/1952). Ursprünglich als Auszeichnung für zivile Verdienste von Inländern gedacht, wurde es rasch auch im diplomatischen und wirtschaftlichen Verkehr an ausländische Staatsangehörige verliehen. Die erste Verleihung an Angehörige der B-Gendarmerie erfolgte als Anerkennung für deren Einsatz während der Hochwasserkatastrophe in Oberösterreich 1954. Neben ihnen und anderen Staatsbürgern wurden damals auch einige Soldaten der in Österreich stationierten Besatzungsmächte der USA und der UdSSR ausgezeichnet.
Besondere Auszeichnung
Im Dezember 1960 wurde ein Feldspital als erstes österreichisches UN-Kontingent in den Kongo zur dortigen Mission ONUC (Opération des Nations Unies au Congo) entsandt. Unmittelbar nach dessen Eintreffen im Einsatzraum kam das Kontingent am 15. Dezember 1960 in kongolesische Gefangenschaft. Die gewaltsame Befreiung aus dem Gefängnis in Bukavu erfolgte am 16. Dezember durch Soldaten eines nigerianischen UN-Bataillons (5th Battalion/Queen´s Own Nigerian Regiment). Ein Soldat fiel, fünf weitere wurden verwundet. Unbestritten ist der Umstand, dass der Einsatz des nigerianischen Bataillons den Österreichern das Leben gerettet hat. Zwei Jahre später wurden insgesamt 25 der an den Kampfhandlungen beteiligten Soldaten (Nigerianer und Briten), durch die Republik Österreich ausgezeichnet.
Die Verleihung des „Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ an ausländische Soldaten ist bemerkenswert. Schließlich fanden diese Verleihungen erstmalig für Verdienste um die Republik Österreich bei einem militärischen Kampfeinsatz statt – der Geiselbefreiung österreichischer Staatsbürger. Nur in seltenen Fällen erfolgen Verleihungen an Soldaten des Österreichischen Bundesheeres, Beamte der österreichischen Exekutive oder an Angehörige ausländischer Armeen und Polizeikräfte für eine verdienstvolle Tätigkeit bei einem derartigen Einsatz.
Interessant ist auch der Umstand, dass fünf Jahre nach Abschluss des Staatsvertrages und dem Abzug der alliierten Besatzungstruppen die souveräne Republik Österreich mit diesem UN-Einsatz erstmalig aktiv in der internationalen Staatengemeinschaft mitwirkte. Nigeria war eine britische Kolonie, die erst am 1. Oktober 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Auch Nigeria betrat mit seinem Einsatz bei dieser UN-Mission die Weltbühne als freier und souveräner Staat. Für beide Staaten war die Befreiungsaktion somit außenpolitisch bedeutsam. Dieser Umstand darf bei der Geiselbefreiung in Bukavu nicht außer Acht gelassen werden.
Verfahren zur Verleihung
Das Bundesministerium für Landesverteidigung leitete am 21. Jänner 1961 das Vorgenehmigungsverfahren zur Antragstellung auf Erwirkung der Verleihung eines „Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ an 25 nigerianische UN-Soldaten und zwei Mitarbeiter des UN-Zivilstabes Bukavu ein, die dem UN-Sanitäts-Kontingent bei seinem ersten Einsatz militärische Hilfe organisiert und geleistet hatten. In diesem Akt ist bereits eine klare Zuordnung der Stufen des Ehrenzeichens für alle 27 Personen enthalten.
In weiterer Folge holte das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten Informationen ein. Der dazugehörige Akt (darin wurden die beiden Staaten Niger „nigerisch“ und Nigeria „nigerianisch“ verwechselt; Anm.) stellt klar: „Erhebungen im UN-Sekretariat in New York haben ergeben, dass die Mitglieder des Zivilstabes der Vereinten Nationen in Bukavu nicht berechtigt sind, österreichische Auszeichnungen anzunehmen. Der stellvertretende Generalsekretär Dr. Bunche meinte, dass allenfalls statt einer Dekoration eine an sie gerichtete Dankbotschaft denselben Zweck erfüllen könnte. Hingegen hat der nigerische Hochkommissär in London auf die Anfrage der österreichischen Botschaft in London vom 24. Feber 1961 mit Note vom 4. Juli dieses. Jahres mitgeteilt, dass seitens der nigerischen Regierung gegen die Verleihung österreichischer Auszeichnungen an nigerische Militärpersonen grundsätzlich keine Bedenken bestehen. Seitens des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten bestehen gegen die Durchführung dieser Auszeichnungsaktion keine Bedenken. Die Anregung, den Mitgliedern des Zivilstabes Bukavu den Dank Österreichs auf andere Weise auszudrücken, wird befürwortet.“
Die beiden zivilen Mitarbeiter des UN-Zivilstabes Bukavu wurden in der Folge mit einem Dankesschreiben der österreichischen Bundesregierung geehrt. Robin T. Miller (Neuseeland), Chief ONUC Civilian Officer for the Kivu, wurde für die Verleihung des „Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ vorgeschlagen. Das Dankesschreiben konnte jedoch nicht zugestellt werden und liegt noch heute in den Akten des Österreichischen Staatsarchivs. Fergus N. Fitzgerald (Irland), Deputy Chief ONUC Civilian Officer for the Kivu, wurde für die Verleihung des „Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich“ vorgeschlagen. Dieses Dankesschreiben wurde zugestellt.
Mit Entschließung des Bundespräsidenten Dr. Adolf Schärf vom 14. Dezember 1961 (Zl. 48.304/987) wurden 25 Soldaten (siehe Kasten) mit einer Stufe des „Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ ausgezeichnet. Die Überreichung der Ehrenzeichen erfolgte an zwei Terminen. Am 25. August 1962 in Leopoldville (Republik Kongo) durch den österreichischen Konsul Dr. Gustav A. Jamnig und an einem bislang unbekannten Datum im selben Jahr in London (Großbritannien) durch den österreichischen Botschafter Dr. Johannes Schwarzenberg. Die Erlaubnis zur Annahme der österreichischen Auszeichnung wurde den sechs aktiven britischen Offizieren mit Entschließung Ihrer Majestät Königin Elizabeth II. vom 27. November 1962 erteilt.
Verliehene Ehrenzeichen
Die Bezeichnungen der Dienstgrade, der Funktionen und die Angaben zu Verwundungen und dem Todesfall sind österreichischen Akten entnommen. In diesen Akten werden alle 25 Soldaten als Staatsbürger Nigerias geführt. Tatsächlich sind aber sieben Offiziere britische Staatsbürger. Das hängt damit zusammen, dass in der vormaligen britischen Kolonie, die erst wenige Wochen vor der Geiselbefreiung unabhängig wurde, noch zahlreiche Briten in verschiedenen Bereichen des jungen Staates tätig waren.
Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
Johnson Thomas Umunnakwe Aguiyi-Ironsi, Lieutenant-Colonel; Bataillonskommandant
(5th Battalion/Queen´s Own Nigerian Regiment). Im Jänner 1962 wurde ihm der britische Orden „Ordinary Member of the Military Division of the Most Excellent Order of the British Empire“ zuerkannt. Diese Auszeichnung wurde ihm vermutlich ebenfalls für die erfolgreiche Geiselbefreiung in Bukavu verliehen. Aguiyi-Ironsi wurde 1966 Staatspräsident von Nigeria.
Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
- W.A. „Alex“ Duncan Smith, Major (retired), Dolmetscher (britischer Staatsbürger, Offizier im Ruhestand);
- Roderick Norton Galloway, Major, Stellvertretender Bataillonskommandant (britischer Staatsbürger);
- Geoffrey Gordon Norton, Major, Kommandant der Stabskompanie (britischer Staatsbürger);
- Hilary Mbilitem Njoku, Major, Kompaniekommandant.
Goldenes Verdienstzeichen der Republik Österreich
- John Michael Deans, Captain, Zugskommandant (britischer Staatsbürger);
- John McKinley Gough, Captain, Zugskommandant, verwundet (britischer Staatsbürger).
Silbernes Verdienstzeichen der Republik Österreich
- Malcolm Robert Alexander Matthew, Second-Lieutenant; Zugskommandant, verwundet (britischer Staatsbürger, dem für seinen Einsatz auch eine britische Auszeichnung verliehen wurde, das „Military Cross“);
- Geoffrey Melville Youll, Second-Lieutenant, Zugskommandant (britischer Staatsbürger).
Goldene Medaille für Verdienste um die Republik Österreich
- Momon AJi, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant, verwundet;
- Elijah Anosike, Company Sergeant-Major, Zugskommandant;
- Saibu Bobe, Company Sergeant-Major, Dienstführender Unteroffizier;
- V. Dunn, Warrant-Officer Class II; Gerätewart;
- Stephan Inyamagun, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant;
- Ali Jebba, Sergeant; Dienstführender Unteroffizier;
- Nasiru Kano, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant;
- Usara Maitumbi, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant;
- Jibri Marte, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant;
- Dauda Mumuni, Regimental-Sergeant-Major (ranghöchster Unteroffizier im Bataillon);
- Michael Osagie, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant;
- Dulus Zonkwa, Sergeant, Stellvertretender Zugskommandant, verwundet.
Silberne Medaille für Verdienste um die Republik Österreich
- Clement Laru, Lance-Corporal; Schütze;
- Joseph Nza, Private; Schütze, verwundet;
- Amadu Ochole, Lance-Corporal, Schütze;
- Madugu Zonkwa, Private, Schütze, gefallen am 16. Dezember 1960,
- Verleihung „post mortem“.
Würdiges Andenken
Die 25 Befreier der österreichischen Soldaten waren die ersten Soldaten, die für eine derartige Leistung ausgezeichnet wurden.
Das zeigt, dass nicht nur einzelne friedliche Leistungen, wissenschaftliches und kulturelles Wirken, ein verdienstvolles Berufsleben oder ein Lebenswerk auszeichnungswürdig sind. Fallweise wird eine Stufe des Ehrenzeichens auch für besondere Verdienste unter Lebensgefahr verliehen – auch weil es in Österreich keine Auszeichnung für militärische Verdienste oder Tapferkeit gibt. Die Republik Österreich und das Bundesheer sollten die Taten, der vor mehr als 60 Jahre ausgezeichneten Soldaten ehren und ihnen ein würdiges Andenken bewahren.
Oberrat Oberst dhmf Prof. Mag. Peter Steiner;
Historiker in der Abteilung Atelier Uniformen, Ausrüstung und Insignien im Heeresgeschichtlichen Museum