• Veröffentlichungsdatum : 28.05.2024
  • – Letztes Update : 10.06.2024

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Panzerhaubitze M109A5Ö - Von Bagdad nach Bachmut

Franz Felberbauer

Im Februar 2023 ging eine ungewöhnliche Meldung durch die Medien: Eine österreichische Panzerhaubitze sei in der Ukraine bei den kriegerischen Auseinandersetzungen bei Bachmut von der russischen Armee zerstört worden. Es handelte sich um ein Geschütz des Typs M109A5Ö, welches das Bundesheer im Jahr 1994 vom Vereinigten Königreich gekauft und vollkommen umgebaut bzw. erneuert hatte. Der Weg dieser Haubitze in die Ukraine ist so verschlungen wie ihr Weg in das Bundesheer. 

Der letzte Abschnitt der Panzerhaubitze ist leicht zu beschreiben: Mitte 2000 war vom Bundesminister für Landesverteidigung die Entscheidung getroffen worden, die österreichischen Streitkräfte massiv zu reduzieren. Vom ursprünglichen Bestand von 162 Panzerhaubitzen (PzH) M109A5Ö der „Heeresgliederung neu oder STRAN“ verblieben nur noch 54 Stück bei der Truppe. Diese wurden auf drei der neu aufgestellten Artillerieaufklärungsba-taillone aufgeteilt, die gegenüber den drei schießenden Batterien der früheren Panzerartilleriebataillone (PzAB3, PzAB4, PzAB9) nur mehr über zwei schießende Batterien mit je sechs Geschützen verfügten. Nachdem sogar eine Verschrottung ins Auge gefasst worden war, fand sich für einen Teil der über Stand vorhandenen Panzerhaubitzen 2017 mit Lettland ein Käufer. Dieser übernahm, nach den offengelegten Daten, zuerst 35 Stück PzH M109A5Ö, zehn Rechenstellenpanzer und zwei Fahrschulpanzer sowie später weitere 18 PzH zu günstigen Bedingungen. Nach Beginn des Ukraine-Krieges gab Lettland sechs Haubitzen, zwei Rechenstellenpanzer und einen Fahrschulpanzer an die Ukraine weiter. Die Freigabe zum Verkauf der ehemals österreichischen und seit 2017 lettischen PzH erfolgte durch die US-Regierung. Das neutrale Österreich hat demnach keine Waffen an die Ukraine geliefert. 

Entwicklung der Panzerartillerie 

Das Österreichische Bundesheer besaß von Anfang an drei Panzerartillerieabteilungen, die nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 mit 38 von der US- Army überlassenen PzH M7 bzw. M7B2 ausgestattet waren. Bei diesen PzH war die Oberlafette einer leichten Feldhaubitze (10,5-cm-leichte Feldhaubitze M1/M101), gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, auf das Fahrgestell eines (veralteten) mittleren US-Kampfpanzers M3 („General Lee“ bzw. „General Grant“) aufgebaut worden. Sie wurde von der Pressed Steel Corporation gebaut und von einem Ford Motor GAA angetrieben. Die Reichweite der PzH war mit 100 Kilometern, hauptsächlich wegen des hohen Treibstoffverbrauches des Motors, gering. Das Fahrzeug war nach oben offen und seitlich nur schwach gepanzert. 

Im Jahr 1970 wurden die PzH M7B2 ausgeschieden und durch die Panzerhaubitze M109 ersetzt. Deren Beschaffung erfolgte über die US-Army mithilfe eines FMS-Vertrages (Foreign Military Sales Contract). Konkret wurden 38 Stück PzH M109 (Basic) bestellt, die Ausrüstung für zwei Panzerartilleriebataillone. Diese waren mit dem Geschütz HB M126 E1 (Rohrlänge 23 Kaliber) bestückt, das eine maximale Schussweite von 14,6 km erlaubte. 1984 wurden weitere 18 Stück PzH M109A2 aus den USA für ein drittes Panzerartilleriebataillon gekauft. In dieser Haubitze war bereits das Geschütz M183 mit einer Rohrlänge von 39 Kalibern eingebaut, das die Schussweite auf etwa 18,5 km erhöhte. Eine weitere Modifikation, ein verbesserter Übergangskonus im Laderaum, sah die Verwendung einer 9. Ladung zur Erhöhung der Schussweite auf 23,6 km vor. Die sonstige Konfiguration glich weitgehend der M109 (Basic).

Anekdote am Rande: Die U.S. Army hatte 1969 eine österreichische Delegation auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr eingeladen und dort eine Vorführung der M109 organisiert, die zur allgemeinen Zufriedenheit verlief. Bei den Amerikanern lösten die Fahrkünste eines österreichischen Vizeleutnants (und Panzerfahrlehrers) auf dem für ihn neuen und unbekannten Kettenfahrzeug Erstaunen aus.

Der einzige Misston entstand, als ein Trefferbildschießen mit spezieller Munition stattfinden sollte. Dabei wird aus mäßiger Entfernung mit immer demselben Haltepunkt auf eine große Scheibe geschossen, die Treffer (Durchschüsse) werden aufgenommen und so die Gesamtstreuung des Geschützes bestimmt. Daraus lässt sich jene – eher geringe – Entfernung errechnen, bei der die Panzerhaubitze einen Kampf- oder Schützenpanzer mit dem ersten Schuss noch treffen kann. Bei der Wahl einer Feuerstellung ist zu beachten, dass diese immer unter dieser Distanz liegen sollte.

Eigentlich kann bei einem solchen Schießen nichts passieren. Die eingeteilte Turmmannschaft aus österreichischen Artillerieoffizieren schaffte es aber, einen Schuss, weit weg vom Haltepunkt, so dicht neben eine Scheibenstütze zu platzieren, dass die Scheibe umfiel und in Trümmern lag. Der Versuch war nicht mehr auswertbar, und ein großer Aufwand war umsonst getätigt worden. So weit so schlecht. Störend war, dass nach dem Umfallen der Scheibe lautes Jubelgeschrei aus dem Turm drang. Die amerikanischen Artilleristen haben vornehm geschwiegen.

Neue Haubitzen für das Bundesheer 

Anfang der 1990er-Jahre hatten die M109 (Basic) das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, und die später beschafften A2 bedurften einer Überholung. Eine Neubeschaffung wurde erwogen, bei der es jedoch ein Problem gab: Die US-Army hatte 1985 sämtliche M109 (von A1 bis A4) ausgeschieden und war auf eine gänzlich neue, damals unkonventionelle Konfiguration, die M109A6 „Paladin“, übergegangen. Diese hatte als „Shoot and Scoot“-System keine zentrale Feuerleitung, wodurch die Berechnung der Schusswerte in die einzelne Haubitze verlegt worden war. Zusätzlich hatte sie ein neues Navigationssystem, und das 155-mm-Geschütz wurde auf die Konfiguration M284 mit einer Rohrlänge von 52 Kalibern verändert, wodurch sich die Schussweite auf über 30 km erhöhte.

Projekt mit Hindernissen

Wegen des völlig neu gestalteten Feuerleitsystems und des erheblich höheren Preises konnte sich keine europäische Armee mit der PzH M109A6 „Paladin“ anfreunden. Dennoch versuchten die Amerikaner bei jeder Sitzung das Waffensystem M109 im Rahmen der NATO „Partnership for Peace“ anzubieten (Österreich nahm damals bereits an diesem NATO-Programm teil). Alle Beschwerden über Mängel an dem M109-System wurden von den Amerikanern, vertreten durch den Security Assistance Offizier an der U.S.-Botschaft in Wien, mit dem Hinweis abgeschmettert, dass es diese nur in Österreich gäbe. In anderen Worten hieß das, die Österreicher wären nicht in der Lage, das Waffensystem korrekt zu bedienen.

Nun stellte sich jedoch heraus, dass in Großbritannien, Italien, Norwegen, den Niederlanden, Deutschland, Dänemark, Spanien, Belgien und der Schweiz, alles Staaten mit PzH M109, dieselben Mängel auftraten. Diese Staaten waren auch dazu übergegangen jene Ersatzteile, die aus den USA nicht zu bekommen waren, selbst herzustellen. Das war eine eigentlich unzulässige, aber von den USA offenbar geduldete Maßnahme. Die Streitkräfte dieser Staaten wurden in der M109-Gruppe immer durch dieselben erfahrenen Offiziere vertreten, deren Fachwissen außerordentlich war. Der gegenseitige Erfahrungsaustausch bei Mängeln und bei der Ersatzteilbeschaffung erwies sich als äußerst hilfreich.

Die USA wurden von Österreich über die Lieferung von 54 neuen Panzerhaubitzen angesprochen. Seit 1989 gab es eine Kaufoption, und seitdem wurden jährliche Beträge für den Abschluss eines Liefervertrages einbezahlt. Der zu liefernde Geschütztyp wurde als M109A6Ö deklariert und technisch konfiguriert. Dieses Projekt wurde damals in der Sektion IV von der Abteilung Waffen, Geräte, Munition (WGM) geführt, die entsprechenden Budgetmittel waren bereitgestellt. Die WGM entsandte eine Delegation in die USA, die im Wesentlichen die Kostenfrage klären sollte. Es stellte sich heraus, dass der Preis der PzH M109A6Ö dermaßen hoch war, dass das vorgesehene Budget nicht einmal die Hälfte der Kosten für die Neubeschaffung abgedeckt hätte. An die teuren Umrüstungskosten für die M109 (Basic) und, die etwas geringeren, für die M109A2 war nicht einmal zu denken. 

Die Lage war verfahren. Dazu war das Budget noch auf die alte Heeresgliederung mit 14 Artillerieabteilungen ausgerichtet. Die „Heeresgliederung neu“ sah die Aufgabe der gezogenen Geschütze und die Umrüstung auf neun Panzerartilleriebataillone vor. Dabei gab es die Absicht, die bereits erwähnten 54 PzH (die Ausrüstung für drei PzAB) von den USA zu kaufen und die 38 vorhanden M109 (Basic) sowie die 18 M109A2 auf deren Konfiguration nachzurüsten. Durch den Leiter der Sektion IV wurde daraufhin der Autor dieses Beitrages als neuer Projektleiter bestimmt. Er hatte gerade die Kampfwertsteigerung und Grundüberholung der „Kürassier“-Jagdpanzer abgeschlossen.

Ausgezeichnete Waffe

Die M109A5Ö ist eine der schlagkräftigsten Panzerhaubitzen in Europa. Die moderne, lasergestützte Feuerleit- und Navigationsanlage erlaubt es, die Geschützposition innerhalb von zwei Minuten zu bestimmen und mithilfe einer elektronischen Feuerleitanlage bei Vorliegen eines Zieles sofort das Feuer zu eröffnen. Die Feuergeschwindigkeit beträgt bis zu zehn Schuss pro Minute, wegen des in Österreich entwickelten Ladehalbautomaten. Diese Ladehalbautomatik und eine ebenfalls neu installierte hydraulische Richtanlage erlaubten es, die Besatzung von sechs auf fünf Mann zu reduzieren. Die Masse der in Europa vorhandenen PzH M109 ist noch immer auf dem Niveau der A2/A3, wie die im Frühjahr 2023 von Italien durch Österreich nach Polen transportierten t20 M109. 

Lösung aus der Schweiz

Es ergab sich, dass der damalige österreichische Militärattaché in der Schweiz von sich aus Kontakte zu jener Gruppe im Eidgenössischen Militär Departement gesucht hatte, die an der Kampfwertsteigerung der über 600 schweizerischen Panzerhaubitzen 74 (Projektbezeichnung KAWEST) arbeitete. Die Schweizer hatten bereits seit etwa zehn Jahren an dieser Kampfwertsteigerung gearbeitet und drei gut funktionierende Prototypen hergestellt. Der österreichische Militärattaché stellte eine Verbindung zwischen dem Schweizer Projektleiter KAWEST von den Eidgenössischen Militärwerkstätten in Thun (k+W Thun) und dem österreichischen Projektleiter her. Die Schweizer waren bis ins Detail über alle Kampfwertsteigerungsprojekte an den Haubitzen informiert und kannten auch die hohen Kosten. Eine der ersten Aussagen des Schweizer Projektleiters war: „Ihr Österreicher müsst irrsinnig viel Geld haben“ um das Projekt M109A6Ö zu verfolgen.

Die Schweizer hatten für KAWEST eine profunde Schadensstatistik an ihren M109 durchgeführt. Sie planten unter anderem die elektrische Anlage, die für 90 Prozent aller Ausfälle der Haubitze verantwortlich gewesen war, durch eine solide eigene Konstruktion (SELAN) zu ersetzen. Gemeinsam mit Israel war eine Navigations- und Positionsanlage (NAPOS) mit Ringlaserkreisel und Koppelnavigation entwickelt worden, die ihren Ansprüchen gerecht wurde und „Shoot and Scoot“-Verfahren ermöglichte. Allerdings blieb, im Gegensatz zur „Paladin“, die Berechnung der Schusswerte einer zentralen Rechenstelle vorbehalten. Zusätzlich wurden zahlreiche Verbesserungen, wie ein von innen zu bedienendes hydraulisches Rohrmarschlager, vorgenommen. Eine neue Turmhydraulik brach mit der uralten Artillerietradition Seite und Erhöhung durch je einen Kanonier zu bedienen, und führte einen einzigen Richtgriff für beides ein. Dies sparte einen Mann der Bordbesatzung. 

Nach eingehenden Besprechungen kristallisierte sich für Österreich die Möglichkeit heraus, die Schweizer Kampfwertsteigerungen weitgehend zu übernehmen und so Geld zu sparen. Beispiele waren das automatische Rohrmarschlager, das in der Schweiz 8 500 US-Dollar kostete, in den USA jedoch 40 000 US-Dollar. Für die Laufwerksverstärkung am bestehenden Fahrgestell verlangten die Schweizer ein Viertel der Kosten der USA. Besonders deutlich war der Unterschied bei der elektrischen Anlage. Das Schweizer SELAN kostete 17 500 US-Dollar, die US-Lösung 70 000 US-Dollar. Aus der konzipierten M109A6Ö konnten 40 der 53 US-Modifikationen gestrichen oder durch Schweizer Bauteile ersetzt werden. Dadurch sank der Preis der 54 in den USA bestellten Panzerhaubitzen von 1,7 Mio. US-Dollar auf 1,2 Mio. US-Dollar.

In der Folge konnte zwischen dem Leiter der Sektion IV und dem Schweizer Rüstungschef ein Übereinkommen unterschrieben werden, worin dem die Schweiz die von der k+w Thun entwickelten Modifikationen ohne Ersatz der Entwicklungskosten anbot, wenn die Hardware von der k+w Thun angekauft würde. Der daraus resultierende Auftrag belief sich auf 36 Mio. Schweizer Franken, wurde ohne Probleme abgewickelt und war für beide Seiten äußerst vorteilhaft.

Zwei Glücksfälle 

Die nächste Herausforderung für die österreichische Projektleitung bestand darin, diese neue Konfiguration, die den Projektnamen M109A5Ö erhielt, auf die in den USA bestellten Panzerhaubitzen zu übertragen. Da es sich um ein Regierungsgeschäft handelte, hatte das Army Material Command in Washington vier Experten bestimmt, die im Rock Island Arsenal beheimatet waren. Sie sollten den Herstellungsprozess nicht nur materiell, sondern auch finanziell kontrollieren, was sie auch taten. Die Fertigung der Haubitzen war vom Pentagon an das Unternehmen Bowen McLaughlin in York/Pennsylvania (BMY) übertragen worden. 

Es stellte sich aber heraus, dass die USA nicht in der Lage waren, neue M109A5 zu liefern, da alle bisherigen Verbesserungen von A1 bis A5 und A6 in den USA durch den Umbau vorhandener Panzerhaubitzen erfolgt waren. Es gab keine Zeichnungen für einen Neubau. Österreich musste, trotz des bestehenden Vertrages, einen mehrstelligen Millionenbetrag nachschießen, um die Herstellungskosten für die notwendigen Zeichnungssätze abzudecken. Die USA akzeptierten dafür den Einbau der Schweizer Baugruppen. 

Nun trat ein zweiter Glücksfall für das Projekt ein. Großbritannien hatte sich entschlossen, alle Panzerhaubitzen 15,5-cm-M109 und 10,5-cm-„Abbot“ auszuscheiden und durch britische PzH AS90 zu ersetzen. Die M109 sollten verkauft werden. 

Gutes Geschäft

Nach einigen Verhandlungen entschloss sich das BMLV im Jahr 1994 dazu, alle von Großbritannien angebotenen M109 zum Preis von 40 000 Pfund Sterling pro Stück zu kaufen sowie 19 „Wracks“ (etwa
12 000 Pfund Sterling) und den gesamten Ersatzteilstock, insgesamt siebzig 40-Fuß-Container, zu übernehmen. Mit dieser Beschaffung war es möglich, alle M109 (Basic) als schießende Haubitzen auszuscheiden, und man konnte somit auf den kostspieligen Umbau der Kurzrohrkanone der M109 (Basic) auf A5 verzichten. Eine einsatzbereite englische Panzerhaubitze A2/A3 kostete weniger als ein neues, einbaufertiges Geschütz M284. 

Bei den PzH handelte es sich um das komplette Artilleriematerial der drei königlichen Feldartillerieregimenter der Army of the Rhine. Das 40. Field Artillery Regiment übergab 24 PzH, das 26. Field Artillery Regiment 29 PzH und das 4. Field Artillery Regiment 32 PzH. Der Rest kam aus Depots in Deutschland, Kanada und Großbritannien. Insgesamt wurden 102 PzH der Konfiguration A2/A3 angekauft (bei der Version A3 handelte es sich um eine A1, die auf A2 umgerüstet worden war). Die britischen PzH waren im Zweiten Golfkrieg 1990/91 (Operation „Desert Storm“, durch die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates sanktioniert) als Divisionsartillerie der UK 1st Armoured Division des VII. US-Korps im Einsatz gewesen. Dieses hatte den Auftrag, die Stellungen der irakischen Republikanischen Garde in Richtung Kuwait City zu durchstoßen. Die Artillerie des VII. Korps verschoss vor dem Durchbruch an die 90 000 Schuss. Im Dritten Golfkrieg („Iraqui Freedom“) vom 20. März bis 9. April 2003 nahmen die Engländer wieder im Rahmen des VII. US-Korps am Vormarsch nach Bagdad und an der Besetzung des Irak teil.

Übernahme in Gütersloh 

Die Rheinarmee wollte eine offizielle Übergabe der Panzerhaubitzen beim 26. Feldartillerieregiment der Royal Artillerie in Gütersloh in Form einer Abschiedsparade durchführen. Zur Besprechung der Zeremonie wurde der österreichische Projektleiter in die Mansergh-Kaserne eingeladen. Diese war damals weitgehend leer, da die Masse der Artilleristen mit ihrem Kommandanten, einem Oberstleutnant, zum Sicherungseinsatz nach Nordirland abkommandiert worden war.

Die kleine österreichische Delegation, die für die Übergabe nach Gütersloh gereist war, wurde von der Gattin des Regimentskommandanten empfangen. Sie nahm die Belange ihres Mannes wahr und organisierte unter anderem Beschäftigungen für die Frauen, deren Männer in Irland waren. Sie hatte auch den Vorsitz beim Festbankett, das für die österreichische Delegation gegeben wurde, nahm in der ersten Reihe die Parade ab und verabschiedete die Österreicher am Bahnhof in Gütersloh.

Die britische Rheinarmee stellte für die geplante Parade einen Brigadier (von den Special Forces) ab, und es wurde angeregt, dass auch Österreich einen Offizier im Rang eines Brigadiers beistellen sollte. Das BMLV entschied sich für den damaligen Brigadier Hubertus Trauttenberg (später General und Adjutant von Bundespräsident Klestil), der diese Aufgabe professionell und mit Humor absolvierte. Die Engländer bestanden nämlich darauf, dass einen Tag vorher der gesamte Paradeablauf, von der Abholung des österreichischen Ehrengastes von seinem Quartier bis zu seiner Verabschiedung, minutiös durchexerziert wurde. Die Geschütze fuhren nach der Parade sofort auf einen Transportzug und gingen zu diesem Zeitpunkt vertragsgemäß in den Besitz des BMLV über.

Bei dieser Übergabeparade lernten die Österreicher eine Besonderheit der britischen Artillerie kennen. Diese besitzt keine Fahnen oder Standarten, weil das Geschütz selbst den Status einer Fahne hat, daher im Einsatz bis „zum Letzten“ verteidigt und im Frieden wie bei einer Fahne salutiert wird. Dementsprechend wurde auch am Paradepunkt eine M109 aufgestellt, der die Geschützführer beim Vorbeimarsch ihre Ehrenbezeigung erwiesen.

Eine andere Tradition sind die Silberschätze der ursprünglichen selbstständigen Batterien der britischen Armee, die mehr oder minder in die existierenden Regimenter inkorporiert worden waren. Die Tradition sieht vor, dass die Herstellerfirma ein Modell aus purem Silber spendet, wenn eine Einheit mit einem neuen Geschütz ausgestattet wurde. Beim Festbankett in Gütersloh stand daher ein etwa 50 cm lange silberne M109 A3 als Tafelschmuck auf dem Tisch. Im Silberschatz eines Regimentes fand sich neben diesen Kanonenmodellen auch das komplette Tafelsilber Napoleons, das die Traditionseinheit in der Schlacht von Waterloo erbeutet hatte. Ein junger Leutnant hatte jeweils die Aufgabe diesen Schatz stets zu pflegen und in gutem Zustand zu erhalten.

Umbau in Klagenfurt 

Drei Jahre nach ihrer Feuertaufe in der Wüste kamen die PzH M109 nach Klagenfurt, wo sie in der Heereszeuganstalt (HZA) auf die Version A5Ö umgerüstet wurden. Einige verblieben in Klagenfurt, wo damals das Artillerieregiment 3 (AR3) aufgestellt wurde. Bei der Truppe wurden alle M109 (Basic) und A2 herausgezogen und durch die englischen Haubitzen ersetzt. Als Zwischenlösung wurde von der Projektleitung festgelegt, dass die neue Nebelwurfanlage, das Zusatzaggregat gemeinsam mit der Entfernung der Erdsporne, die Halterungen für die Reservekettenglieder, die neuen Verstaukästen und verschiedenen Montageplatten durch die Truppenhandwerker eingebaut werden konnten. Die Voraussetzung dafür war, dass die HZA Klagenfurt davor die nötigen Schweiß-, Schneid- und Bohrarbeiten durchzuführen hatte.

Die freiwerdenden M109 (Basic) wurden in der Heereszeuganstalt Klagenfurt zu Rechenstellenpanzern umgebaut. Dabei wurde die Kanone ausgebaut und die Rechenstellenausrüstung aus dem Saurer-Schützenpanzer übernommen. Dieses Fahrzeug war das billigste Panzerfahrzeug, das das Bundesheer erwarb. Es kostete weniger als ein LKW und etwa ein Sechstel des Radpanzers „Pandur“. Letzten Endes entschloss man sich, pro Batterie zwei Rechenstellenpanzer einzuführen. Interessant ist, dass die USA im Rock Island Arsenal eine ähnliche Rechenstellenlösung, allerdings auf Basis der vorhandenen M992A2 Munitionstransporter, in Angriff genommen haben.

Kooperation mit der Schweiz

Im Dezember 1993 wurde gemeinsam mit einer Schweizer Delegation die Konfiguration der M109A5Ö festgelegt. Das Unternehmen BMY stellte bis Mitte Februar 1994 einen Prototyp fertig, für den die Schweiz leihweise Teile zur Verfügung stellte. Nach endgültiger Festlegung der Konfiguration wurde der Prototyp im Juni 1994 auf dem US-Schießplatz Yuma einer Schießerprobung unterzogen, bei der ausschließlich neunte Ladungen zum Einsatz kamen. Im November 1994 fand in York (Pennsylvania) der Rollout des Prototyps statt, der zum Einbau einer, ebenfalls von der Schweiz geliehenen, Navigationsanlage Mitte 1995 nach Thun überstellt wurde. Die Schießversuche im Schießkanal der k+w Thun und die Truppenerprobung konnten im Herbst 1995 abgeschlossen werden. 1997 wurden alle in den USA georderten Geschütze in drei Raten geliefert, gingen zur Fertigstellung nach Klagenfurt und wurden 1998 an die PzAB verteilt. 

Einen erheblichen Anteil an der erfolgreichen Einführung dieses Systems hatte die HZA Klagenfurt. Mit der Entscheidung des Leiters der damaligen Sektion IV, diese HZA in eine Systemwerkstätte für die Artillerie umzuwandeln, ersparte sich die Republik erhebliche Kosten. Es war damit möglich, 225 hochwertige Panzerfahrzeuge für einen Betrag zu beschaffen, der vorher nicht einmal für 120 ausgereicht hätte. Die aus den ausgeschiedenen M109 (Basic) zusätzlich zu den Rechenstellenpanzern gebauten Fahrschulpanzer erfüllten alle Erwartungen. Die k+w Thun lud sogar einige Mitglieder der HZA ein, um dort Schweizer Fahrschulpanzer nach österreichischem Muster zu bauen. Im Gegenzug erhielten „die Klagenfurter“ Mess- und Prüfgeräte, die die Schweizer doppelt beschafft hatten und nicht benötigten.

Erhöhte Überlebensfähigkeit 

Zurück ins Jahr 2023: Es konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, wie es der russischen Armee gelang, die M109A5Ö zu vernichten. Die bekannt gewordenen Bilder lassen einen Volltreffer während eines Gegenfeuerschlages durch russische Artillerie vermuten. Dies entspricht der Einsatztaktik der M109A5Ö, weil anzunehmen ist, dass durch die Ukraine die komplette Batterie eingesetzt wurde, aber nur eine der sechs PzH getroffen wurde.

Die Überlebenswahrscheinlichkeit der nur schwach mit Aluminium gepanzerten Haubitzen zu erhöhen ist seit Jahrzehnten das Bestreben aller Entwickler. Der größte Fortschritt wurde durch die Einführung der Navigationsanlagen und der drahtlosen Verbindung zwischen den Geschützen und der Rechenstelle erzielt. Bei der früheren Feuerstellungstaktik war es nahezu unvermeidlich, dass ein artilleristischer Gegenschlag mehrere, der in der Feuerstellung zahlreichen, dicht nebeneinanderstehenden, Gefechtsfahrzeuge traf. Ein 1983 in den USA ausgegebenes „Mission Element Need Statement“ forderte stark verbesserte RAM (Reliability, Availability, Maintainability)-Eigenschaften. Die mit der neuen Navigationsanlage mögliche, zerstreute Aufstellung der Haubitzen machte einen Gegenfeuerschlag weitgehend wirkungslos und erhöhte die Überlebensfähigkeit deutlich. Mit der PzH M109A5Ö sind schnelle und beliebig häufige Stellungswechsel bei weitgehend freier Wahl der Stellung möglich. Der Kampf kann aus dem geschlossenen Fahrzeug geführt werden und wird durch Regen und Nebel weniger beeinträchtigt. Zudem verbessert eine automatische Halon-Feuerlöschanlage die Überlebensfähigkeit der Besatzung.

Mit dem Einbau einer Navigationsanlage in die Begleitfahrzeuge (Rechenstellenpanzer, Munitionstransporter, Bergepanzer) könnten auch diese zerstreut aufgestellt werden und wären in der Lage, sofort ihre Ziele zu finden. Eine amerikanische Studie stellte fest, dass eine zerstreut aufgestellte Batterie mit acht Haubitzen nach fünf Tagen intensiver Kampftätigkeit noch über drei Mal so viele einsatzfähige Gefechtsfahrzeuge verfügen würde, als eine in einer geschlossenen Feuerstellung operierende Sechs-Geschütze-Batterie. 

Die M109A5Ö können bis zu einem Kilometer voneinander entfernt stehen, wodurch (nach US-Daten) ihre Überlebenswahrscheinlichkeit auf das Fünffache steigt. Der Nachteil besteht darin, dass die einzeln oder maximal zu zweit fahrenden Panzerhaubitzen wesentlich verwundbarer gegen Infanterie sind. Die damalige österreichische Lehrmeinung war, dass es vernünftiger wäre, immer Teams von zwei Geschützen losfahren zu lassen. Dem könnte durch Begleitinfanterie begegnet werden. Gleichermaßen steigt die Möglichkeit, dass sich einzeln fahrende Haubitzen im Gelände festfahren. Dem kann durch vermehrte Zuordnung von, ebenfalls mit Navigationsanlagen ausgerüsteten, Bergepanzern (zwei Bergpanzer pro Batterie) begegnet werden. In den 1990er-Jahren wurde behauptet, dass der Bergepanzer „Greif“ für die bei einer M109 nötigen Bergeverfahren zu wenig leistungsfähig sei. Demnach wurden aus Holland eine Anzahl mittelschwer Bergepanzer M578 in der Gewichtsklasse der M109 beschafft.

Herausforderungen

Das Problem des Munitionstransportes zu den in Stellung gegangenen Panzerhaubitzen ist in Österreich noch nicht befriedigend gelöst. Seit vielen Jahren „geistert“ das Phantom eines „Munitionstransporters“ durch die Planungen, den Projektstatus hat er jedoch nie erreicht. Meist wurde an ein Fahrzeug aus der Saurer-Schützenpanzerfamilie gedacht und dessen beschränkte Transportkapazität in Kauf genommen. Zum Ende der Projektlaufzeit der PzH M109A5Ö wurde der amerikanische Munitionstransporter M992, ein Fahrzeug der M109-Familie, der auch in den USA und der Schweiz verwendet wird, ins Auge gefasst. Jedenfalls gab es genügend M109 (Basic), A2 und englische Wracks, die durch einen einfachen Aufbau und die Verwendung der Inneneinrichtung des M992 (Field Artillery Ammunition Support Vehicle – FAASV) zu brauchbaren und kostengünstigen Munitionstransportern mit gleicher Geländegängigkeit wie die M109 umgebaut hätten werden können. 

Ein weiteres damals ungelöstes Problem waren Trainingstürme. Sie sind zuerst offenbar an Einkaufsproblemen gescheitert und ihre Entwicklung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Es ist schwer nachvollziehbar, dass man vor Kurzem daran gedacht hat, eine durch die Verkleinerung der Organisation freiwerdende Menge der M109A5Ö zu verschrotten, anstatt jeder Artilleriegarnison und der Artillerieschule jeweils einen stationären Turm zum Üben zuzuteilen.

Eine weitere ungelöste Frage betrifft die Aufklärung. Geschütze mit 30 km Schussweite mit einer Aufklärung auf dem Stand des Zweiten Weltkrieges zu koppeln, ist jedenfalls ungünstig. Bereits 1996 wurde auf einem Artilleriekongress in London eine Aufklärungsmöglichkeit gefordert, die über die mögliche Höchstschussweite hinausgeht. Hohe Schussweiten hatten früher nicht immer höchste Priorität, da die erforderlichen Aufklärungsmöglichkeiten nicht vorhanden waren. Schwere Geschütze mit hoher Reichweite wurden nach der Karte eingesetzt, in der Hoffnung Wirkung auf Zielpunkte (Eisenbahnkreuzungen, Versorgungspunkte etc.) zu erzielen, die man aber nicht sehen konnte.

In dieser Beziehung ist ein grundlegender Wandel festzustellen. Fortschrittliche optische und elektronische Aufklärungsmittel, Luftaufklärung (Drohnen), Radar und wesentlich genauere Karten und Satellitenbeobachtung machen den Bedarf nach höheren Schussweiten verständlich. Die Artillerie weiß diese Möglichkeiten auszunutzen. Dazu kommen große Fortschritte in der Munitionsentwicklung, wo heute drei bis vier moderne Granaten dieselbe Vernichtungswirkung haben, wie etwa 50 Schüsse der Artillerie vor 50 Jahren.

Artillerieeinsatz vor der Navigationsanlage

Das Gemälde zeigt den Einsatz der Panzerhaubitzen M109 A2/A3 der 127. Field Battery Royal Artillery im Februar 1991 im Irak. Durch die Aufklärung wurde bereits das Ziel – die Stellungen der Republikanischen Garden des Irak in Kuwait – und ihre genaue Position bestimmt. Die vier Panzerhaubitzen eines Zuges der Batterie fahren in Stellungen ein, die vorher vom Vermessungstrupp genau festgelegt wurden. Das erste Geschütz steht auf der genau vermessenen Stelle, die übrigen fahren im exakten Abstand daneben auf.

Die Besatzungen machen die Geschütze feuerbereit, durch: Öffnen der Rohrzurrung, Umlegen der Rohrstützen, Herstellen der Drahtverbindung mit der Feuerleitstelle und Bereitlegen der Munition hinter den Geschützen. Die Erdsporne werden von Hand abgesenkt, und die PzH wird durch eine kleine Rückwärtsbewegung auf die Sporne gestellt. Im Hintergrund bringen Kettenfahrzeuge Munition und einen Teil der Geschützbedienungen heran, in der Feuerleitstelle werden die Seite und Rohrerhöhung zum Ziel errechnet. Die Feuerstellung wird durch Infanterie gesichert. Die nötigen Verbindungen werden durch Melder auf Motorrädern und mittels Feldtelefonen hergestellt. Beachtenswert sind die zahlreichen geländegängigen Versorgungsfahrzeuge, die dem Munitions- und Treibstoffnachschub sowie dem Mannschaftstransport der Batterie dienen. 
 

Auf einen Blick

Die Geschichte der ukrainischen PzH M109A5Ö, die zuvor in Österreich, Lettland und Großbritannien „dienten“, zeigt mehrere interessante Aspekte. Ein wesentlicher Aspekt ist die Komplexität von militärischen Beschaffungen, die im Spannungsfeld von Innen- und Außenpolitik, militärische Bedrohung, Marktsituation, Innovation und anderem mehr stattfinden. Dabei gilt es lange Prozesse in Kauf zu nehmen, sich kleineren und größeren Herausforderungen zu stellen und dennoch Lösungen zu finden, die für Jahrzehnte halten. Ein weiterer Aspekt ist die Notwendigkeit einer ständigen technischen Anpassung und Weiterentwicklung von Waffensystemen auf die Anforderungen eines, ebenfalls ständig im Wandel befindlichen, Bedrohungsbildes und Gefechtsfeldes. Das gilt für alle militärischen Ebenen, wobei bei den Betrachtungen im Beitrag vor allem die taktische und gefechtstechnische im Fokus steht. Soweit dem Autor bekannt, bewähren sich die PzH M109A5Ö auch im heutigen Kampfeinsatz sehr gut und einige davon sind aktuell noch in ukrainischer Verwendung.

Brigadier i. R. Ministerialrat a. D. DDr. Franz Felberbauer; war in der Sektion IV u. a. für Beschaffung, Upgrade und Innovationen der M109 verantwortlich


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2024 (396).

Zur Ausgabe 1/2024 (396)


 

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