• Veröffentlichungsdatum : 12.07.2023
  • – Letztes Update : 17.07.2023

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Präziser Schuss für die Zukunft

Klara Oppenheim, Selina Lukas

Das Sturmgewehr ist die Standardbewaffnung des österreichischen Soldaten. Das 1977 eingeführte Sturmgewehr 77 (StG77) hat sich bis heute bewährt. Trotzdem ist nach fast fünf Jahrzehnten ein Upgrade nötig. Die ersten modifizierten StG77 A1 MOD sind im Februar 2023 an die Truppe übergeben worden.

Das Sturmgewehr 77 ist seit seiner Einführung im Jahr 1977 ein Identifikationsmerkmal des Österreichischen Bundesheeres. Bereits in seiner ursprünglichen Form zeichnete sich die Waffe durch Einfachheit in der Handhabung und Wartung, Verlässlichkeit sowie Einsatztauglichkeit aus. Die Modifizierung nahm diese bewährten Stärken auf und passte sie an die individuellen Erfordernisse der Soldaten auf dem modernen Gefechtsfeld an. Das Besondere – vor allem punkto Nachhaltigkeit – ist, dass es sich beim StG77 A1 MOD nicht um eine neue Waffe handelt, sondern um einen Umbau des bestehenden Systems. Bei der Adaption der Sturmgewehre wurden folgende Punkte beachtet:

  • Weiterverwendung der alten Sturmgewehre ist gegeben;
  • Serviceleistung ist sichergestellt;
  • Identifikation mit der eigenen Waffe;
  • Sicherheit der Versorgung.

Nachhaltigkeit, Attraktivitätssteigerung, Schnittstellenfähigkeit, Interoperabilität, Interchangeability und Usability sowie Man-Machine-Interface sind Stichworte, die bei der Modifikation eine Rolle gespielt haben.

Durchgeführt wird der Umbau der alten Sturmgewehre durch die Firma Steyr Arms GmbH (vormals Steyr Mannlicher; Anm.). Die Entwicklung erfolgte in Kooperation mit dem Österreichischen Bundesheer. Das Auftragsvolumen von mehr als 20 Millionen Euro – etwa 1 390 Euro pro Waffe – fließt zur Gänze in den Wirtschaftsstandort Österreich. Zudem wird durch die Produktion in Österreich sichergestellt, dass es keine Lieferschwierigkeiten oder Mängel in der Ersatzteilversorgung gibt. 

Die heeresinterne Umsetzung der Modifikation erfolgt durch das Heereslogistikzentrum in Klagenfurt gemeinsam mit den Waffentechnikern und Fachkräften der Truppe. Dazu werden die alten StG77 an das Heereslogistikzentrum Klagenfurt geliefert. Dort werden diese modifiziert – für 50 Gewehre sind ungefähr 50 Stunden Arbeit nötig. 

Die Modifikation der ersten 600 Stück StG77 A1 MOD begann im Jänner 2023. Sie wurden bereits am 16. Februar 2023 an die Truppe übergeben. In den Jahren 2023 und 2024 sollen 16 000 Gewehre an die Kaderpräsenzeinheiten sowie an die Miliz ausgegeben werden. 

Modifikationen

Das StG77 A1 MOD ist auf den ersten Blick durch den neuen Optikträger und den neuen Laufgriff zu erkennen. Zusätzlich wurde das Gehäuse widerstandsfähiger gestaltet und ist nun robuster. Es wiegt 4,49 kg ohne sowie 4,99 kg mit Munition und ist somit schwerer als die Vorgänger-Version, die mit vollem Magazin 4,10 kg wiegt. Theoretisch kann ein Schütze damit bis zu 700 Schuss pro Minute abgeben (theoretische Schussfolge). 

Optik

Das Sturmgewehr hat eine optische Visiereinrichtung mit einer dreifachen Vergrößerung. Das verbessert die Optik und erleichtert den Visiervorgang. Darüber hinaus kann ein Taktisches Laser-Licht-Modul (TLLM) integriert werden. Das StG77 A1 MOD ist mit dem Rotpunktvisier AIMPOINT Micro T-2 auf 200 m sowie mit der optischen Visiereinrichtung (3-fach-Vergrößerung) auf 300 m eingeschossen und grundsätzlich für eine präzise Zielbekämpfung bis 400 m (Einsatzschussweite) im Einzelfeuer bestimmt. Das Blickfeld des optischen Visiers beträgt 80 Strich (auf 300 m Entfernung ist das ein Durchmesser von 24 m, auf 200 m Entfernung sind es 16 m und auf 100 m Entfernung 8 m; Anm.) und ist 3-fach vergrößert. Die Zielerfassung und -identifizierung werden dadurch, vor allem bei Dunkelheit oder schlechter Sicht, wesentlich erleichtert.

Das Rotpunktvisier AIMPOINT Micro T-2 ist ein optisches Zielgerät mit 1-facher Vergrößerung und parallaxefreiem Rotpunkt als Zielmarke. Es wird als Primärvisier verwendet und ist bis 25 m Tiefe wasserdicht, widerstandsfähig ausgeführt und kann mit bzw. ohne Nachtsichtbrille verwendet werden. 

Modularer Anbau

Der neue Optikträger ist mit Picatinny-Schienen versehen, auf denen Anbauteile angebracht werden können. Diese ermöglichen die rasche und einfache Installation von Modulen und die Anpassung an die jeweilige Einsatzanforderung. Der verstellbare Laufgriff ist auf einer Picatinny-Schiene unter dem Lauf montiert und kann individuell an den einzelnen Schützen angepasst werden.

Benutzerfreundlichkeit

Neu ist außerdem der Patronenauswurf bzw. der Hülsenabweiser. Dieser verhindert, dass ausgeworfene Patronenhülsen oder Patronen nach hinten geschleudert werden. Dadurch ermöglicht der Hülsenabweiser das einfachere Einnehmen des Linksanschlages und senkt die Verletzungsgefahr durch heiße Patronenhülsen. 

Weitere Modifikationen sind eine Schnellverstellung beim Tragegurt und eine Zubehörtasche. Der Tragegurt ist für besseren Komfort gepolstert und kann der Länge nach mittels einer Klemmschnalle oder eines Schnellverschlusses angepasst werden. Die gepolsterte Systemtragetasche schützt vor Verschmutzung bzw. leichten Stößen und dient dem Transport des StG77 sowie des Zubehörs. Das Zubehör besteht aus fünf Magazinen für je 30 Patronen (das sechste Magazin gehört zur Waffe), dem Knallpatronengerät 77, der Mündungskappe, dem Tragegurt, dem Reinigungssatz 77, dem Werkzeug, dem Rotpunktvisier AIMPOINT Micro T-2, der Systemtragetasche, den Schutzabdeckungen für die Picatinny-Schienen und dem TLLM. 

Begeisterung bei der Miliz

Die Freude der Soldaten der Jägerkompanie Wien 13 war groß, als ihnen am 16. Februar 2023 die ersten modifizierten StG77 A1 MOD überreicht wurden. „Es wird immer schnell von Aufrüstung gesprochen, aber eigentlich ginge es um die Ausrüstung“, sagt ein Milizsoldat. „Bei der Miliz hatten wir teilweise das Gefühl, am Ende der Nahrungskette zu stehen. Das ändert sich jetzt. Das ist wichtig, weil wir in unserer Freizeit hier stehen und uns engagieren. Und ich bin hier, weil ich das neue Gewehr haben will.“ 

Innerhalb der Jägerkompanie Wien 13 stellt sich die Frage, welche Zusatzausbildungen für das neue StG77 A1 MOD nötig sind. Optisch – so sind sich die Milizsoldaten einig – sieht es nach einem gelungenen Upgrade aus. „Es ist schön, wenn man mit modernerem Gerät arbeiten kann. Ich finde es cool, dass wir die erste Milizkompanie sind, die das neue Sturmgewehr bekommen hat.“ Als einfacher Soldat lese man in den Medien, dass Geld investiert werde. Oft komme es bei einem persönlich nicht an. Es sei nun das erste Mal, dass man etwas, in das investiert wurde, in der Hand halten dürfe. Das sei ein Fortschritt. Das Rotlichtpunktvisier ist die „beliebteste“ Verbesserung am neuen Sturmgewehr. Um es weiter zu optimieren, bräuchte es ein Nachtsichtgerät. Das erhöhte Gewicht könnte ein Faktor sein, der den Einsatz eventuell erschwert. „Das Gewicht werde ich noch verfluchen, das weiß ich jetzt schon“, ist sich einer der Milizsoldaten sicher, der dennoch froh über die modernisierte Waffe ist. 

Eine Umstellung für die Milizkompanie ist, dass es jetzt elektronische Bauteile an der Handfeuerwaffe gibt. Die Frage ist, ob sich dadurch die Handhabung ändert. Eine Befürchtung der Truppe lautet, dass das neue StG fragiler sein könnte bzw. dass man nun mehr aufpassen müsse. Etwa, wenn man im Ortskampf gegen Hausmauern oder dergleichen stößt. Spannend wird, wie sich das neue Gewehr in Bezug auf die Robustheit verhält. „Wenn es beispielsweise in den Schlamm fällt, ob dann etwas abbricht oder sich verstellt, gerade beim Lasermodul oder beim Visier“, fragt sich einer der Milizsoldaten. Beim alten StG habe man wenig kaputt machen können. Das modifizierte StG verlange möglicherweise nach einem veränderten Bewusstsein bei der Handhabung. Auch das Auseinandernehmen und Zusammenbauen könnte sich aufgrund der elektronischen Bauteile erschweren, so der Soldat. 

Zusätzlich zum StG gibt es eine Transporttasche, in der das Zubehör Platz findet. Das deute darauf hin, dass die modifizierte Version möglicherweise anfälliger sei, mutmaßen die Soldaten der Jägerkompanie Wien 13. Die Tasche dient dazu, das Gewehr von A nach B zu transportieren. Sie ist nicht für den Marsch gedacht, sondern für die Verlegung auf einen Schießplatz oder zu einer Übung. Ein großer Punkt sind die Sicherheitsbestimmungen, die mit den neuen Funktionen einhergehen. 

Alles in allem sehen die Milizsoldaten das StG77 A1 MOD positiv und freuen sich auf die erste Übung bzw. den ersten Einsatz damit. „Man kann es vielleicht so vergleichen: Entweder man fährt mit einem 30 Jahre alten Golf oder mit einem neuen Auto. Hat alles Vor- und Nachteile“, fasst einer von ihnen zusammen.

Einsatzbereit: erstes Scharfschießen

Die 5. Gardekompanie (Miliz) hatte am 23. Februar 2023 die Möglichkeit, das neue StG77 A1 MOD auf dem Schießplatz Stammersdorf kennenzulernen. Die Kompanie bereitete sich zu diesem Zeitpunkt auf ihre sechsmonatige Verlegung in den Kosovo zu „KFOR“ vor. Dafür erhielt sie 150 neue StG77 A1 MOD für die 120 Soldaten. „Aufgrund der Modifizierung ist das neue Sturmgewehr eine enorme Wertsteigerung für die Truppe und auf jeden Fall eine Motivation“, sagt einer der Gardesoldaten.

Bei Schönwetter wurde, neben dem Schießen auf 200 m und dem allgemeinen Kennenlernen der neuen Funktionen, auch der Anschlagwechsel geübt. Darüber hinaus stand das Schießen mit Kampfanzug auf der Agenda, um zu sehen, wie die neue Waffe mit der Kampfweste harmoniert – gute Bedingungen, um sich ungestört mit der Waffe vertraut zu machen, bevor diese sechs Monate zum persönlichen Begleiter im Einsatz wird. 

Die Schießbahn auf dem Schießplatz in Stammersdorf ist 200 m lang und für die Vorgänger-Version ausgelegt. Das modifizierte StG77 A1 MOD hat eine Einschussweite von 400 m. Beim Zielen ist daher nicht mittig, sondern etwas nach oben versetzt anzuhalten. Die neue Waffe schießt gleich weit, die Optik eignet sich jedoch besser zum Treffen auf diese Entfernung. Da der Schießplatz nicht über Anschießscheiben für das modifizierte StG verfügt, müssen sich die Soldaten beim Einschießen langsam an das erwünschte Ergebnis herantasten, um die Waffe richtig einzuschießen.

Vor- und Nachteile in der Praxis

Auf der geriffelten Picatinny-Schiene ist das „Highlight“ des modifizierten StG zu sehen: das AIMPOINT-Visier. Der erste Eindruck nach dem Schießen ist positiv. „Der Abzug und die Mechanik fühlen sich ähnlich an wie bei dem alten StG. Das Treffen auf die Anschießscheiben fällt durch das neue AIMPOINT-Visier mit dem Fadenkreuz deutlich leichter“, sagt ein Soldat der 5. Gardekompanie, während er die Waffe von allen Seiten mustert. 

Die 3-fach-Vergrößerung ist im Vergleich zu der alten 1,5-fach-Vergrößerung eine deutliche Verbesserung. Das Erfassen der Ziele gelingt mit dem Rotpunktvisier schneller. Regen oder Schneefall sind durch die gummierten Schutzkappen auf beiden Enden des Fluchtvisiers kein Hindernis mehr. „Mit der alten Optik hat man nichts mehr gesehen, wenn Schnee oder Wasser darauf kam“, so einer der Soldaten.

Neben dem Rotpunktvisier ist das Taktische Laser-Licht-Modul eine weitere Neuigkeit des modifizierten StG77. Mithilfe einer Justierscheibe kann eingestellt werden, wohin die Laserstrahlen ausgerichtet werden sollen. Per Knopfdruck kann zwischen einem Rotpunktlaser für kurze Distanzen (etwa 50 m) oder einem Infrarotlaser für die Nachtsichtbrillen gewechselt werden. „Wir wollten einmal in der Nacht schießen, konnten aber nicht bzw. mussten das Licht aufdrehen, und das geht am Sinn des Nachtschießens vorbei. Jetzt kann ich das Licht abgedreht lassen, die Nachtsichtbrille aufsetzen und keiner sieht mich mehr“, erklärt einer der Gardesoldaten.

Eine mögliche Schwachstelle des StG ist laut den Soldaten der Gardekompanie ein Kabel, das auf den Laufgriff montiert ist. Beim Kippen des Laufgriffes knickt das Kabel und kann brechen. Dadurch kann die Verbindung zum Knopf unterbrochen werden. Eine Idee für zukünftige Modifikationen könnte eine längere Hülse für mehr Elastizität des Kabels sein.

Das StG77 A1 MOD verfügt außerdem über einen neuen Abweiser, der die Hülsen kontrolliert auswirft und einen gepolsterten, verstellbaren Tragegurt. Dieser erfreut sich besonderer Beliebtheit unter den Soldaten: „Ich kann komplett durchschlaufen; das ist toll. Mit geringen Modifikationen kann ich den Gurt individuell anpassen“, freut sich ein Soldat.

Als letzten Benefit gibt es für das modifizierte StG eine leicht gepolsterte Transporttasche. In diese kann man alles Zubehör kompakt einordnen. Sie ist damit ein zusätzlicher Schutz für die neue Optik. „Die ist perfekt und kompakt. Ich kann alles einordnen, das mitkommen muss. Das ist ein sehr gutes Gesamtpaket und eine deutliche Bereicherung für die Truppe“, stellt ein Soldat zufrieden fest, während er seine neue Waffe in die Tasche packt und verschließt. 

Fazit

Das modifizierte StG77 A1 MOD ist eine Kampfwertsteigerung für die Soldaten des Österreichischen Bundesheeres. Es wird dazu beitragen, für aktuelle und zukünftige Anforderungen besser vorbereitet zu sein. Die beinahe tägliche Verwendung und die damit verbundene starke Nutzung des Systems macht eine stetige Instandhaltung und Modifizierung notwendig. Ziel ist es, in mehreren Beschaffungstranchen die Einheiten der Kaderpräsenz und der Miliz komplett auszustatten. Durch den Umbau der bestehenden Waffen und der lokalen Produktion leistet das Bundesheer zudem einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. 

Klara Oppenheim, BSc; Redakteurin beim TRUPPENDIENST.

Selina Lukas, Bakk. phil., MA; Redakteurin beim TRUPPENDIENST.


 

Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST.

Zur Ausgabe 2/2023 (391).


 

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