• Veröffentlichungsdatum : 28.02.2022
  • – Letztes Update : 01.03.2022

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Psychological Operations - Teil 3

Alexander Schiller

Die Abteilung PsyOps hat in den vergangenen Jahren mehrere, für österreichische Verhältnisse „außergewöhnliche“ Auslandseinsätze absolviert. Dort konnten die Offiziere und Unteroffiziere dieser Waffengattung wertvolle Erfahrungen für ihre Funktion sammeln, ihre Einsatzbereitschaft erhöhen und den Ruf des Bundesheeres als verlässlichen internationalen Partner stärken. Um einen Eindruck von der Bandbreite der PsyOps-Auslandseinsätze zu vermitteln, werden jene im Tschad (2008 bis 2009) und in Afghanistan (2015 bis 2019) beschrieben. Zusätzlich waren und sind österreichische PsyOps-Soldaten auch in Südosteuropa und in anderen Teilen der Erde im Einsatz.

 

EUFOR Tschad/RCA (2008 bis 2009)

Aufgrund der schlechter werdenden Sicherheitslage im Tschad und in den angrenzenden Regionen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 25. September 2007 eine Resolution, mit der die Entsendung einer UN-Mission in den Tschad und in die Zentralafrikanische Republik (RCA) beschlossen wurde. Um Zeit für die Aufstellung dieser Mission zu gewinnen, wurde die EU ersucht, mit einer Überbrückungsmission die Voraussetzungen für den Einsatz zu schaffen, dessen Dauer für ein Jahr festgelegt war.

Am 15. März 2008 meldeten die EUFOR-Truppen die Einsatzbereitschaft. Ihre Hauptaufgabe war es, durch militärische Präsenz die Sicherheit im Raum herzustellen, um den internationalen Hilfsorganisationen die Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu ermöglichen. Am 15. März 2009 wurde der Einsatz planmäßig beendet und an die UN-Mission MINURCAT (United Nations Mission in the Central African Republic and Chad) übergeben. An diesem EUFOR-Einsatz beteiligten sich insgesamt 14 Nationen mit etwa 3 700 Soldaten. Dem, von einem französischen General geführten, Force Headquarters wurde ein PsyOps Support-Element unterstellt.

PsyOps Support-Element

Der Auftrag dieses Elementes war die Planung und Durchführung von koordinierten und integrierten multimedialen „Crisis Management PsyOps“ zur Unterstützung der Einsatzaufgaben von EUFOR, die Unterstützung der Aufstellung von MINURCAT und die Durchführung von „Combat PsyOps“ zur Unterstützung von taktischen Elementen auf Befehl.

Die wesentliche Aufgabe des PsyOps Support-Elementes bestand darin, die Bevölkerung über den Einsatz, den Zweck und die Aufgabe von EUFOR zu informieren. Als „Lead Nation“, die den Großteil der fachspezifischen Ausrüstung stellte, fungierte Frankreich. Ursprünglich sollte das Element mit 29 Soldaten besetzt werden. Allerdings konnten keine PsyOps-Spezialisten von anderen europäischen Nationen gestellt werden. Die einzige Ausnahme war Österreich, das zwei Soldaten entsandte: einen Offizier als stellvertretenden Kommandanten des PsyOps Support-Elementes und einen Unteroffizier als Zielgruppenanalyst. Aufgrund des Personalmangels bestand dieses Element aus nur neun Soldaten und hatte somit einen Fehlbestand von 20 Personen (siehe Grafik).
 

Information der Bevölkerung

Der Großteil der Bevölkerung im Tschad verfügt über keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu elektrischem Strom. Medien wie Fernsehen, Radio oder das Internet konnten somit kaum genutzt werden. Die taktischen EUFOR-Verbände waren durch Aufklärungselemente der Spezialeinsatzkräfte und die Patrouillen der drei internationalen Bataillone (Irland, Polen und Frankreich) zwar im Raum präsent, hatten aber keine eigenen Mittel zur Kommunikation mit der Bevölkerung. Nur durch die Unterstützung des PsyOps-Elementes konnte diese gezielt informiert werden. Das war notwendig, um mögliche Missverständnisse und daraus resultierende Spannungen zu reduzieren. 

Der geringe Besetzungsgrad dieses Elementes hatte wesentliche Auswirkungen auf dessen Einsatz. Um die Bevölkerung dennoch zu informieren und positiv zu beeinflussen, wurden die PsyOps-Teile in regelmäßigen Abständen jeweils einem Bataillon für mehrere Tage oder Wochen zur Unterstützung bei „Long-Range-Patrouillen“ unterstellt. Dort wurden sie in diese integriert bzw. durch Sicherungselemente verstärkt, um im Verantwortungsbereich selbstständig Aufträge durchzuführen. Im Normalfall wäre dies hauptsächlich die Aufgabe der taktischen PsyOps-Trupps gewesen. Durch die deutlich reduzierte Stärke war es jedoch notwendig, das gesamte PsyOps Support-Element als taktisches Element zu verlegen, um diese Aufgabe wahrzunehmen. 

Während der Patrouillen wurde beim Erreichen einer Ortschaft zuerst Verbindung mit dem Dorfältesten oder anderen Key Leadern aufgenommen. Diese wurden im direkten Gespräch mithilfe der PsyOps-Produkte informiert, weshalb das PsyOps-Team durch zwei zivile Sprachmittler unterstützt wurde. Das Produktionselement, das aus drei französischen Unteroffizieren bestand, erstellte davor Promotionsvideos und Printprodukte, die zur Information der Bevölkerung eingesetzt wurden. 

 

Feldkinoeinsatz

Als wirksames Mittel zur Information der Bevölkerung diente das von den Franzosen erstmalig im Indochina-Krieg angewandte „Ciné Brousse“, das Feldkino. Dieses erwies sich gerade in einem Einsatzraum, wo die Zielgruppe de facto keinen Zugang zu Medien hat, als zweckmäßig, um Informationen an diese zu übermitteln. Die Durchführung eines Feldkinoeinsatzes benötigt eine gewissenhafte Vorbereitung und Risikoanalyse. Schließlich ist das PsyOps-Team bei einer solchen Veranstaltung in der Regel mit einer großen Menschenmenge konfrontiert. Sollte die Stimmung ins Negative kippen, besteht die Gefahr, dass es zu gefährlichen Situationen kommt. Um die Sicherheit während des Einsatzes des Feldkinos zu gewährleisten, bedarf es der Unterstützung von taktischen Elementen (je nach Lage in Zug- bis Kompaniestärke). Ein Feldkinoeinsatz gliedert sich in drei Phasen: Erkundung und Absprachen, Durchführung sowie Evaluierung.

Phase 1: Erkundung und Absprachen

Vor dem Einsatz des Feldkinos wurde die diesbezügliche Bereitschaft und Einstellung der zuständigen lokalen Autoritäten im direkten Gespräch ausgelotet. Nur wenn die Key Leader eine grundsätzlich positive Einstellung dazu hatten und dem Feldkino zustimmten, konnte dieses durchgeführt werden. Im Idealfall waren die Key Leader auch dazu bereit, vor der Vorstellung einige positive Worte an die Bevölkerung zu richten.

Nach der positiven Absprache erfolgte die Erkundung eines geeigneten Aufstellungsplatzes nach den Gesichtspunkten: Erreichbarkeit für die Zielgruppe, Beobachtung, Eigenschutz und mögliche Evakuierungswege. Nachdem ein entsprechender Platz festgelegt war, suchte das PsyOps-Team (unterstützt durch das Foto/Videoteam) den Kontakt zur lokalen Bevölkerung. Diese wurde im direkten Gespräch zu der Veranstaltung eingeladen, wobei das Kamerateam – nach deren Einverständnis – Aufnahmen der Einheimischen anfertigte.

Phase 2: Durchführung

Am Ort der Kinovorführung wurden die taktischen Elemente „halbverdeckt“ zur Sicherung eingesetzt. Sie sollten zwar noch erkennbar sein, auf die Zuseher aber nicht bedrohlich wirken. Als Ausrüstung wurden Absperrbänder, Klappsessel für Key Leader, eine Soundanlage, ein lichtstarker Videobeamer und eine faltbare Leinwand benötigt. Diese Ausrüstung war mobil und konnte einfach in Dachträgerboxen von Fahrzeugen transportiert werden.

Mit Einbruch der Dämmerung begann das PsyOps-Team, die tagsüber aufgenommenen Fotos, unterlegt mit lokaler Musik als Slide-Show, auf die Leinwand zu projizieren. Durch die Musik und die bewegten Bilder wurde Aufmerksamkeit erregt und die Zuseher positiv eingestimmt. Für viele Einheimische war es sicherlich das erste Mal, dass sie ein Bild von sich selbst betrachten konnten.

Nach Einbruch der Dunkelheit, dem Eintreffen der Key Leader und der Begrüßung durch den Kommandanten des PsyOps-Teams erhielten die lokalen Vertreter Raum für Ansprachen. Danach stellte der taktische Kommandant sich, seine Truppe und den Auftrag vor. Mittels eines Video-Clips informierten die Soldaten anschließend über den Sinn und Zweck des EUFOR-Einsatzes. Die Darstellung der technischen Möglichkeiten und der eingesetzten Waffensysteme diente nicht nur der Unterhaltung, sondern gleichzeitig als „Show of Force“. Am Ende einer Vorführung wurde als „Bonus“ und positiver Abschluss ein kurzweiliger, lokaler Zeichentrickfilm zur Unterhaltung gezeigt.

Phase 3: Evaluierung des Feldkinoeinsatzes 

Nach Durchführung des Feldkinoeinsatzes fand eine Evaluierung statt. Durch direkte Gespräche mit der Zielgruppe wurden der Wissensstand über EUFOR sowie die Einstellung und die Wahrnehmung der Bevölkerung nach der Vorführung bewertet. Im Idealfall war die Bevölkerung danach besser informiert und positiver gestimmt. Diese Art der Kommunikation hat sich aufgrund der medialen Rahmenbedingungen speziell im Einsatzraum Tschad bewährt.

Bewertung des Einsatzes

Der Einsatz des PsyOps-Elementes im Tschad hat gezeigt, wie wichtig das positive Beeinflussen der Zielgruppe in einem Einsatzraum sein kann. Durch die gezielte Information und das Reduzieren falscher Erwartungen konnte die Stimmung in der Bevölkerung effizient beeinflusst und dadurch der Schutz der eigenen Truppe erhöht werden.

Bei diesem EUFOR-Einsatz bestätigte sich die Zweckmäßigkeit des Grundsatzes „zeitgerecht“ (in diesem Fall „First in – last out“) für die PsyOps-Elemente. Der Einsatz zeigte darüberhinaus, dass die Tätigkeit von PsyOps keine „Geheimwissenschaft“ ist und mit einer respektvollen, kulturell angepassten Kommunikation eine Wirkung erzielt werden kann. Der Bedarf an ausgebildetem Fachpersonal ist bei solchen Einsätzen schwer abzudecken. Darin liegt auch die Chance, um mit einem vergleichsweise geringen personellen Aufwand einen gefragten Beitrag bei einem internationalen Einsatz zu leisten.
 

 

Resolute Support Afghanistan (2015 bis 2019)

Von 2002 bis 2008 waren österreichische PsyOps-Soldaten bei der „International Security Assistance Force“ (ISAF) das erste Mal in Afghanistan eingesetzt (siehe TD-Heft 4/2010). Dieser, von der NATO geführte, friedenserzwingende Einsatz wurde mit 1. Jänner 2015 in die Nachfolgemission „Resolute Support“ (RS) übergeleitet (siehe TD-Heft 6/2015). Das Schwergewicht des Einsatzes, der am 16. Juli 2021 endete, lag in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. 

Mit Ministerratsbeschluss vom 14. Dezember 2014 wurde durch die österreichische Bundesregierung die Entsendung von bis zu zehn Soldaten als Beitrag zu dieser Mission beschlossen. Die Abteilung PsyOps entsandte einen Offizier und einen Unteroffizier als Teil des multinationalen PsyOps-Elementes.

Aufgaben im Einsatz

Nach einer mehrwöchigen Ausbildung in Österreich, am Ausbildungszentrum der Deutschen Bundeswehr in Wildflecken und am Joint Force Training Center der NATO in Bydgoszgz (Polen) erfolgte am 14. Februar 2015 die Entsendung in den Einsatzraum. Dort wurde das österreichische PsyOps-Team in der Combined Joint Psychological Operations Task Force (CJPOTF) eingesetzt. 

Die CJPOTF war das PsyOps-Einsatzelement von „Resolute Support“ und das Hauptelement des Kommandanten für die direkte Kommunikation mit den Zielgruppen. Mit einem eigenen Radiosender (Radio Bayan) und dem Einsatz anderer Medien (Fernsehspots, Plakate, Zeitungen etc.) wurden die Zielgruppen gezielt beeinflusst und die Auftragserfüllung unterstützt. Als weitere Aufgabe war die CJPOTF für die Ausbildung afghanischer PsyOps-Kräfte verantwortlich.

2015 waren in der CJPOTF etwa 85 Soldaten und Zivilbedienstete aus insgesamt elf Nationen eingesetzt. Sie war das einzige PsyOps-Einsatzelement in dieser Größe innerhalb der NATO. Damit diente es als Referenzmodell für PsyOps-Einsätze und als Beispiel für die Struktur und Gliederung eines effektiven PsyOps-Elementes in der Allied Joint Doctrine for Psychological Operations (AJP 3.10.1). Der österreichische Offizier übernahm die Funktion des „PsyOps Coordinator“ im Bereich der Operations & Planning Section (Ops&Plans), der Unteroffizier wurde als „Trainer Tactical PsyOps Engagement“ in der Training Section eingesetzt.

Das österreichische PsyOps-Team erfüllte unter anderem folgende Aufgaben:

  • Planung von PsyOps-Maßnahmen in laufenden Operationen;
  • Durchführung eines Kurses für Ausbildungsmethodik und Didaktik (Theorie und Praxis) für die afghanischen Streitkräfte;
  • Taktische Lautsprecherausbildung für neue Lautsprechersysteme;
  • Erstellen eines Merkblattes für Lautsprechereinsätze;
  • Erstellung eines Handbuches für Propaganda- und Counter-PsyOps-Techniken;
  • Unterstützung der Ausbildung in der „School of Public Affairs“;
  • Erstellen eines internen Verteidigungsplanes für die CJPOTF.

PsyOps-Coordinator

Diese Stabsfunktion innerhalb der Operations & Planning Section (Ops&Plans) war zugleich der Stellvertreter des Chief Ops&Plans. Die grundsätzliche Aufgabe bestand in Tätigkeiten wie dem Erstellen von Plänen sowie dem Concept of Operations (CONOPS) zur Koordinierung und Durchführung der PsyOps-Unterstützung von Operationen der afghanischen Streitkräfte. Das Erstellen und Durchführen von Briefings sowie die Teilnahme und Unterstützung von periodischen Planungs- und Koordinierungsbesprechungen der CJPOTF waren weitere Aufgaben.

Das Schwergewicht der ersten Phase des Einsatzes lag auf der Ausbildung der afghanischen Streitkräfte. Somit war die Planung und Durchführung der Ausbildungen von PsyOps-Fachpersonal eine weitere Aufgabe der Training Section. Diese erfolgten entweder in der CJPOTF oder an der „School of Public Affairs“ am Stadtrand von Kabul. Ende 2019 war der Einsatz des österreichischen Offiziers in der CJPOTF beendet.

Trainer Tactical PsyOps

Der Trainer Tactical PsyOps wurde in der Training Section eingesetzt und war zugleich der Stellvertreter des Chief Training. Seine Aufgabe war die Unterstützung bzw. praktische Durchführung von Ausbildungen und Unterrichten für das PsyOps-Fachpersonal der afghanischen Streitkräfte in der CJPOTF bzw. an der „School of Public Affairs“. Zusätzlich war er für die administrative und personelle Führung der zivilen Sprachmittler verantwortlich. Ein Meilenstein dieser Funktion war das Erstellen eines „Counter Propaganda Handbooks“ im Bereich der Grundlagenarbeit. Zu den weiteren Aufgaben zählten die Teilnahme an Besuchen der „School of Public Affairs“ oder das Unterstützen des Cultural Advisor bei Besprechungen im Verteidigungsministerium. 2016 wurde, wegen einer Reorganisation und der daraus resultierenden Reduzierung der CJPOTF, diese Funktion nicht mehr nachbesetzt.

Bewertung des Einsatzes

Aktuell (nach der Machtübernahme der Taliban) ist Afghanistan eines der gefährlichsten Länder der Welt mit ungewisser Zukunft, Armut, Unterdrückung von Frauen und Minderheiten sowie einem Regime, das westlich-demokratische Grundwerte ablehnt. Aber auch damals war die Sicherheitlage angespannt. Alleine während des sechsmonatigen Einsatzes bei Resolute Support 1 im Jahr 2015 gab es im Großraum Kabul 57 Bombenanschläge, 14 Angriffe mit Schusswaffen, 18 Raketenangriffe und sechs komplexe Angriffe auf Einrichtungen der internationalen Truppe oder staatliche Einrichtungen. Ein Einsatz in einem solchen Umfeld erfordert eine professionelle Ausbildung, Vorbereitung und Durchführung. 

Eine österreichische Beteiligung mit qualifiziertem Fachpersonal in Einsätzen von höherer Intensität ist ein wichtiger Beitrag, um das Fachgebiet PsyOps in den österreichischen Streitkräften weiterzuentwickeln. Gleichzeitig stärkt das die internationale Wahrnehmung und Anerkennung des Bundesheeres. Die österreichischen Soldaten konnten sich in diesem fordernden Umfeld bewähren und brauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Durch den Einsatz von österreichischem PsyOps-Fachpersonal in der CJPOTF konnte wertvolle Einsatzerfahrung gewonnen und die Vernetzung sowie der Erfahrungsaustausch innerhalb der internationalen PsyOps Community gefördert werden.

wird fortgesetzt

Oberstleutnant Mag.(FH) Alexander Schiller; Leiter der PsyOps-Abteilung der Auslandseinsatzbasis.

zu Teil 1
zu Teil 2

 

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