• Veröffentlichungsdatum : 20.02.2024

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Sanitätsunteroffizier - Lebensretter im Bundesheer

Robert Zanko

Sanitätsunteroffiziere sind Soldaten mit der Mission, Leben zu retten. Dafür sind sie zum Notfallsanitäter oder zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger ausgebildet. Ohne sie findet kein Scharfschießen, keine Übung und kein Auslandseinsatz statt. Neben der militärischen Ausbildung erstreckt sich ihre Sanitätsausbildung über mehrere Jahre.

Ein Sanitätsunteroffizier (SanUO) meldet sich freiwillig zum Dienst an den Menschen. Soldaten, denen befohlen wird, diese Ausbildung zu durchlaufen, scheitern in der Regel, weil viele z. B. kein Erbrochenes sehen und riechen können und dann sagen: „Nein, das ist nicht mein Job“. Diese Erfahrung hat auch Hauptlehrunteroffizier Vizeleutnant Günther Raidinger von der Sanitätsschule des Bundesheeres in den vergangenen Jahrzehnten gemacht. Diese Schule ist das Nadelöhr, das alle künftigen SanUO des Bundesheeres passieren müssen. 
 

Arbeitsumfeld

Die Sanitätsunteroffiziere sind eine „bunte Truppe“ – mit unterschiedlichen Qualifikationen und verschiedenen Tätigkeiten. Sie arbeiten unmittelbar am Ort des Geschehens – der Kampfgemeinschaft in der Kompanie. In sämtlichen Bataillonen werden SanUO eingesetzt. Dies reicht vom Jäger, Panzer oder Pionier bis zur Fliegerstaffel mit ihren operativen und strategischen Transportmöglichkeiten für verletzte Soldaten (TD-Heft 1/2018, Der „fliegende Sanitätsdienst“). Sogar für schwerstverletzte Patienten gibt es eine Intensiv-Care-Unit oder einen MEDIVAC-Container, die in Flugzeuge und auch in Hubschrauber eingebaut werden können.

Genauso sind SanUO in einer truppenärztlichen Ordination, gemeinsam mit einem Arzt oder direkt bei der Sanitätstruppe in einem der Feldspitäler des Bundesheeres, zu finden. Die Arbeit in einem solchen Feldspital ist vergleichbar mit der in einem zivilen Krankenhaus, nur, dass das Feldspital mobil ist. 

Die Tätigkeit des SanUO ist mit den folgenden sanitätsdienstlichen Ausbildungs-
stufen verbunden und wird grob eingeteilt in die Aufgaben des

  • Notfallsanitäters mit der „Notfallkompetenz Arzneimittellehre“ und „Notfallkompetenz Venenzugang und Infusion“ und des
  • Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegers mit dreijähriger Ausbildung.

Der Arbeitsplatz des Sanitätsunteroffiziers/Notfallsanitäter oder mit der neueren Bezeichnung Notfallsanitäter Unteroffizier (SanUO/NFS oder NFSUO) ist die Kompanie. Dort kümmert er sich um die notfallmedizinische Versorgung der Soldaten. Er ist persönlich beim Patienten, bei dem er als erster eintrifft oder den er von einem Ersthelfer vor Ort oder einem Rettungssanitäter übernimmt. Er stabilisiert den Patienten und macht ihn bereit für den Transport zur ärztlichen Versorgung. Bei Bedarf entscheidet er über das Hinzuziehen eines Arztes oder die Anforderung eines Hubschraubers. Dazu ist es ihm erlaubt, hochsensible Arzneimittel zu verabreichen, die Leben retten können. Das erlaubt ihm seine Ausbildung zum Notfallsanitäter mit den ergänzenden Modulen „Notfallkompetenz Arzneimittellehre“ und „Notfallkompetenz Venenzugang und Infusion“. Diese Medikamente werden nach strengen Vorgaben verabreicht und sind in der Arzneimittelliste 1 und 2 festgelegt. 

„Die Arzneimittelkommission legt die Medikamentenliste fest und die Sanitätschefin genehmigt diese. Nur solche dürfen in einem Notfall verabreicht werden“, sagt Hauptlehrunteroffizier Raidinger. Im Gegensatz dazu darf der SanUO/NFS, auch wenn dies oft verlangt wird, keine Mittel gegen Schnupfen, Husten oder Heiserkeit verabreichen. Aspirin und andere Kopfschmerztabletten sind laut dieser Liste keine Notfallmedikamente und dürfen daher nicht vom SanUO/NFS verabreicht werden. Die gesamte Ausbildung ist auf den Notfall ausgerichtet. Ein Notfall ist eine lebensbedrohliche Situation, die ohne Intervention mittelbar oder sogar unmittelbar zum Tod führt. Bei Erkrankungen, die kein Notfall sind, muss die truppenärztliche Ambulanz aufgesucht werden. Diese ist vergleichbar mit dem Hausarzt. Dort erfolgt die Diagnose der Erkrankung durch den Truppenarzt, der eine Therapie verordnet. Die Umsetzung der Verordnung liegt in der Verantwortung des Sanitätsunteroffiziers mit der zusätzlichen Ausbildung zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger (SanUO/DGKP).

Der SanUO wird bei Übungen, Ausbildungen und vor allem im Auslandseinsatz benötigt. Des Weiteren bildet er selbst aus. Er unterrichtet Rekruten und Kadersoldaten in der Ersten Hilfe und in der Erweiterten Ersten Hilfe. Diese ist eine Bundesheervariante der international standardisierten „Tactical Combat Casualty Care“, die um militärische Besonderheiten auf dem Gefechtsfeld ergänzt ist. In der Erweiterten Ersten Hilfe liegen die besonderen Schwergewichte auf der Verletzung der Lunge und auf dem Stillen von Blutungen unter Feindeinwirkung. Diese Ausbildung erhält jeder Einsatzsoldat und unterliegt der Verantwortung der Sanitätsunteroffiziere. 

Der SanUO/NFS arbeitet grundsätzlich nicht im Krankenrevier, da seine Aufgabe im präklinischen Bereich liegt (vom Unfallort bis zur ärztlichen, stationären Versorgung). Er arbeitet in seinem Kompetenzbereich eigenverantwortlich, seine Befehle und Aufträge erhält er von der Kompanie und im Fachbereich vom übergeordneten Sanitätselement. Im Auslandseinsatz werden in der Regel Teams aus je einem Rettungssanitäter, Notfallsanitäter und Notarzt gebildet. Im Krankenrevier arbeiten neben dem Arzt jene SanUO, die zusätzlich zur Notfallsanitäterausbildung ein Diplom für die Gesundheits- und Krankenpflege erworben haben. 

 

Auszug aus dem Fächerkanon für Sanitäter:

  • Notfälle bei verschiedenen Krankheitsbildern und zu setzende Maßnahmen (Bestandteil des Sachgebiets „Sanitätshilfe“);
  • Spezielle Notfälle und zu setzende Maßnahmen (Bestandteil des Sachgebietes „Sanitätshilfe“);
  • Defibrillation mit halbautomatischen Geräten (Bestandteil des Sachgebietes „Sanitätshilfe“);
  • Gerätelehre und Sanitätstechnik;
  • Rettungswesen;
  • Katastrophen, Großschadensereignisse, Gefahrgutunfälle;
  • Angewandte Psychologie und Stressbewältigung;
  • Praktische Übungen ohne Patientenkontakt;
  • Arzneimittellehre (Bestandteil des Sachgebietes „Notfallmedizin“);
  • Einsatztaktik;
  • Erste Hilfe und erweiterte Erste Hilfe;
  • Hygiene (Bestandteil des Sachgebiets „Notfallmedizin“);
  • Berufsspezifische rechtliche Grundlagen;
  • Anatomie und Physiologie (Bestandteil des Sachgebietes „Notfallmedizin“).


Üblicher Werdegang

Der Standardweg zum SanUO führt über den Grundwehrdienst. Dort besteht die Möglichkeit, sich zum Sanitäter einteilen zu lassen. „Wer Sanitäter werden will, muss von sich aus aktiv werden, denn der Einstieg in die Ausbildung muss aus freien Stücken erfolgen. Andernfalls fehlt in weiterer Folge das Engagement“, erklärt Hauptlehrunteroffizier Raidinger. Alle Prüfungen im Sanitätsdienst erfolgen bereits bei den Grundwehrdienern – die zu Rettungssanitätern ausgebildet werden – unter Aufsicht einer Kommission (z. B. Magistrat 15 der Stadt Wien – Gesundheitsdienst) nach den Vorgaben des Sanitätergesetzes (SanG). Zusätzlich zu den zivilen Auflagen werden für Soldaten auch die militärischen Inhalte beurteilt. Die zivilen Vorgaben ziehen sich durch alle Ausbildungsstufen im Berufsleben des SanUO, wie das Krankenpflegediplom und Weiterbildungen wie Anästhesie oder Intensivpflege.

Im Grundwehrdienst besteht nach der militärischen Basisausbildung die Möglichkeit, Rettungssanitäter (RS) zu werden. Die Ausbildung zum RS setzt sich aus vier Wochen Unterricht und einem Praktikum von vier Wochen bei einem zivilen Rettungsdienst zusammen. Im Anschluss daran erfolgt die Abschlussprüfung. 

Will der Grundwehrdiener eine sanitätsdienstliche Laufbahn beim Bundesheer einschlagen, muss er ein Transportpraktikum bei einer zivilen Rettungsorganisation in der Dauer von weiteren vier Wochen absolvieren. Anschließend beginnt er beim nächsten Termin mit der Kaderanwärterausbildung 1 (KAB1). Dort lernt er die allgemeinen soldatischen Fertigkeiten kennen (siehe TD-Spezial Heft 1/2023). 

Die Kaderanwärterausbildung 2 Sanität (KAB2/San) dauert in Summe sechs Monate. In dieser Schulung wird der angehende Unteroffizier in der Dauer von vier Wochen Theorie und acht Wochen Praktikum zuerst nach zivilen Vorgaben zum Notfallsanitäter ausgebildet. Anschließend erfolgen die Module „Notfallkompetenz Arzneimittellehre“ und „Notfallkompetenz Venenzugang und Infusion“. 

Dadurch ist der NFSUO, SanUO/NFS  berechtigt, bei einem Notfallpatienten Medikamente zu verabreichen, einen Venenzugang zu stechen und nach ärztlicher Rücksprache Infusionen zu geben.

Danach folgen bundesheerspezifische Ausbildungen. In diesen lernt er unter anderem, wie die Sanitätskette funktioniert, das korrekte Absetzen eines 9-Liners (eine standardisierte medizinische Meldung) oder das Arbeiten auf den Sanitätsfahrzeugen des Bundesheeres. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Zusammenarbeit unterschiedlicher Waffengattungen auf Ebene Zug und Kompanie. Bei der abschließenden Teilnahme an der mehrwöchigen Ausbildungsübung „Constructor“ (siehe TD-online) werden die militärischen und sanitätsdienstlichen Fertigkeiten der angehenden Unteroffiziere überprüft. Die „Constructor“ ist eine jährlich stattfindende Ausbildungsübung, an der zahlreiche Waffenschulen aus ganz Österreich teilnehmen. 

Anschließend verbringt der angehende Unteroffizier noch sechs Monate an der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) in der Kaderanwärterausbildung 3 (KAB3). Von dort mustert er mit dem Dienstgrad Wachtmeister zu seinem Verband aus. 
Nach mehreren Jahren Dienstzeit und Berufserfahrung erfolgt der nächste Schritt. Dazu ist eine Stabsunteroffiziersausbildung in Form der Kaderausbildungen 4 und 5 zu absolvieren. 

Die Kaderausbildung 4 dauert drei Monate an der HUAk. Die Kaderausbildung 5 ist die waffengattungsspezifische Ausbildung und dauert sechs Wochen an der Sanitätsschule (plus drei Jahre). Bei der Sanitätstruppe verlängert sich die fachspezifische Ausbildung um drei Jahre wegen der Ausbildung zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger. Diese findet für ganz Österreich an der Krankenpflegeschule des Österreichischen Bundesheeres in der Van-Swieten-Kaserne in Wien-Stammersdorf statt. Seit März 1999 werden dort Soldaten zum DGKP ausgebildet. Die Krankenpflegeschule des Bundesheeres bildet nicht nur nach zivilen Standards aus, sondern unterrichtet auch zivile Schüler für zivile Einrichtungen. Nach Absolvierung der Krankenpflegeschule ist die Sanitätsausbildung – bis auf laufende Fort- und Weiterbildungen, die in der Richtlinienverordnung für Sanitätspersonal verankert sind – abgeschlossen. Für Spezialfunktionen wie der Arbeit in einem Feldspital, auf der Anästhesie oder im Operationsbereich, sind weiterführende Ausbildungen in zivilen Spitälern zu durchlaufen. 


Fortbildungspflicht

Nach Absolvierung der Ausbildungen zum Sanitätsunteroffizier besteht eine Fortbildungspflicht. Der Notfallsanitäter muss alle zwei Jahre rezertifiziert werden. Sollte eine Rezertifizierung ausfallen, ist diese nachzuholen. Fallen mehrere Rezertifizierungen aus, verfällt die Berufsberechtigung. 

Auch der DGKP muss verpflichtende Fortbildungen absolvieren. Er benötigt Fortbildungen von mindestens 50 Stunden innerhalb von fünf Jahren. 
Alle Rezertifizierungen und Fortbildungen von Notfallsanitätern und DGKP müssen von offiziell registrierten Stellen durchgeführt werden. Ein Auslandsein-satz ist keine Fortbildung, sondern Praxis

Fähigkeitserhalt

Zusätzlich zu den Fortbildungen ist durch die Richtlinienverordnung (VBl I Nr. 54/2020 Sankonzeption und -organisation des ÖBH; Evaluierung Fähigkeitserhalt Fassung 2020) der Fähigkeitserhalt geregelt. Beispielsweise sollten Notfallsanitäter zwei Mal im Monat zwei Dienste in einem zivilen Rettungssystem in der Dienstzeit absolvieren. Diplomiertes Krankenpflegepersonal sollte gemäß dieser Richtlinie regelmäßig in einem zivilen Spital arbeiten. Diese Richtlinie regelt auch den Fähigkeitserhalt der Ärzte. 


Quereinsteiger

Bei der Sanitätstruppe sind auch Unteroffiziere, die zuvor eine andere Ausbildung – etwa zum Zugskommandanten Panzergrenadier, Pionier oder Aufklärer – abgeschlossen haben. Für diese reduziert sich die Ausbildungszeit um die Dauer der allgemeinen, militärischen Ausbildung. Somit verkürzt sich die Ausbildung auf dreieinhalb bis vier Jahre – je nach Kursterminen. 
 

Funktionen und offene Stellen

SanUO/NFS ist eine Einstiegsfunktion. Die meisten dieser Arbeitsplätze im Bundesheer sind zeitlich befristet. Eine solche Befristung ist bei anderen Waffengattungen auf Ebene Wachtmeister weniger stark ausgeprägt. 

Aktuell fehlt es in der derzeitigen Struktur an Personal. Es gibt schon jetzt einen Fehlstand, obwohl die Pensionierungswelle erst anrollt. „Sehr viele werden in den nächsten Jahren abwandern“, sagt Amtsdirektor Mag. Dr. Bernhard Brudermann von der Direktion 8. 
„Die größte Herausforderung stellt sich im Bereich des Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonals. Zum einen gibt es einen Wettbewerb um neues Personal mit den zivilen Einrichtungen, zum anderen befindet sich die Krankenpflegeausbildung in einer Umstellung“, so Brudermann. In den letzten Jahren wurden neue Berufsgruppen wie der Pflegeassistent auf neue gesetzliche Grundlagen gestellt sowie die Krankenpflegeausbildung in der Spitze akademisiert und an der Basis zum Lehrberuf umgewandelt. Bereits jetzt sind die Arbeitsplätze 

  • SanUO/NFS zu rund 20 Prozent,
  • SanUO/DGKP zu rund 15 Prozent,
  • Arzt zu rund 50 Prozent 

nicht besetzt, obwohl die Struktur im Jahr 2013 verkleinert wurde und die Pensionierungswelle erst in den folgenden Jahren seine Spitze erreichen wird.

Der SanUO hat die Aufgabe, Leben zu retten und verfügt vor allem über die – im Zivilen anerkannte – Ausbildung dazu. Ohne ihn gibt es keine militärische Übung und keinen Auslandseinsatz. In Auslands-
einsätzen wie im Tschad oder in Mali hat sich gezeigt, dass eine eigene Sanitätsversorgung unabdingbar ist. Die lokale 
Versorgung vor Ort – bei Verwundungen und bei Erkrankungen – ist für mittel-
europäische Soldaten unzumutbar. Um das zu gewährleisten, hat das Bundesheer stets sein eigenes Sanitätskontingent mit oder arbeitet eng mit der Deutschen Bundeswehr in diesem Bereich zusammen. Nicht nur in Auslandseinsätzen, sondern auch bei internationalen Übungen, wie bei den European-Battlegroups, trainieren österreichische Sanitätskontingente im multinationalen Verbund einer Medical 
Task Force. 

Die Möglichkeiten des Santitätsunteroffizieres sind vielfältig – in internationalen Übungen und Einsätzen sowie innerhalb Österreichs. Doch alle haben eines gemeinsam: die Aufgabe, das Leben und die Gesundheit der Kameraden zu retten und die Truppe einsatzbereit zu halten. 

Oberstleutnant Mag.(FH) Robert Zanko; Leitender Redakteur beim TRUPPENDIENST.


Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 4/2023 (394).

Zur Ausgabe 4/2023 (394)


 

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