Scharfschießen im freien Gelände
Ausbildungen und Übungen sichern die Einsatzbereitschaft des Österreichischen Bundesheeres. Höhepunkte sind Scharfschießen. Diese müssen nicht unbedingt auf Schieß- oder Übungsplätzen stattfinden. Sie können auch im freien Gelände durchgeführt werden.
An der Theresianischen Militärakademie steht, vor allem bei der Offiziersgrundausbildung, das praktische Üben im Vordergrund. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Scharfschießen, da aus dem Führen von Soldaten bei einer Übung mit scharfer Munition ein Kompetenzzuwachs der Offiziersanwärter resultiert. In dieser Stresssituation können diese ihre Führungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft verbessern und erhalten das nötige Rüstzeug für die Herausforderungen ihres zukünftigen Berufes. Die Organisation eines Scharfschießens, unter Einhaltung der gültigen Sicherheitsbestimmungen, wird den Fähnrichen in Lehrveranstaltungen vermittelt. Das dient auch als Grundlage für die Kompetenz der Planungsfähigkeit.
Im Bundesheer wird die Masse der Schießvorhaben auf ständigen Übungsplätzen (Truppenübungsplätze oder Schießplätze) durchgeführt. Scharfschießen im freien Gelände werden hingegen kaum organisiert. Aus diesem Grund wird ein solches Vorhaben am Beispiel des Zugsgefechtsschießens „Hinterhalt“ erläutert, das vom Jahrgang „Freiherr Lenk von Wolfsberg“ (Ausmusterung 2022) durchgeführt wurde. Das soll auch ein Ansporn und eine Hilfestellung für Truppenoffiziere sein, um diese Form der Übungsanlage in Zukunft wieder häufiger durchzuführen.
Planung und Vorbereitung
Die Grundlage für jedes Scharfschießen im Bundesheer ist die Dienstvorschrift für das Bundesheer (DVBH) „Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen“ (aktuell: Ausgabe 2016), worin alle relevanten Bestimmungen enthalten sind. Ihre Kenntnis, gepaart mit dem Inhalt von Waffenvorschriften (z. B. DVBH „Das 7,62 mm Maschinengewehr 74 und der Maschinengewehrtrupp“) oder weiteren Vorschriften, die mit dem Scharfschießen unmittelbar in Zusammenhang stehen (z. B. DVBH „Schießen mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren“), sind die Basis für die weiteren Planungsschritte.
Darstellung des Schießvorhabens
Ein wesentlicher Baustein für das Ausarbeiten eines Scharfschießens im freien Gelände ist die Erkundung des Raumes (zuerst auf der Karte, dann im Gelände), der für dieses Vorhaben ausgewählt wurde. Dieser sollte verkehrsarm, abgelegen und unbewohnt sein. Für die grafische Aufbereitung des Schießens hat sich die ÖMK50 oder die TOPO50 bewährt. Allerdings wird das Zeichnen von Oleaten (transparentes Blatt mit Elementen, die eine Karte ergänzen oder erläutern; analog mit einer Folie; Anm.) immer mehr durch die Darstellung im Programm PHOENIX LAYER abgelöst. Als praktikabel für den Antrag hat sich dennoch eine parallele Bearbeitung der Oleate und deren nachfolgende Übertragung auf PHOENIX LAYER erwiesen.
Oleaten müssen für jede Waffe und für jede Stellung angefertigt werden, wobei die Stellungen mittels Grid-Reference (zehnstellige Koordinatenmeldung) einzuzeichnen sind. Für die Veranschaulichung ist die Darstellung auf dem PHEONIX LAYER einfacher. Dort können Waffenstellungen genauer und detaillierter dargestellt und durch Zoomen vergrößert werden. Hier ist anzumerken, dass die Stellungen eines Jägerzuges im Hinterhalt (Ausdehnung etwa 200 bis 300 m) beim Übereinanderlegen mehrerer Oleaten auf der ÖMK50 kaum zu erkennen sind. Mit der Darstellung einer Waffenstellung (Panzerabwehrrohr 66/79) oder anderer Stellungen (Sturmgewehr 77, Maschinengewehr 74) am PHOENIX LAYER ist dies jedoch möglich.
Raumbedarf
Bei dem konkreten Vorhaben (Scharfschießen eines Zuges aus einem L-förmigen Hinterhalt) wurden das Sturmgewehr 77, das Panzerabwehrrohr 66/79 und das Maschinengewehr 74 verwendet. Gemäß der DVBH „Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen“ wurde der Gefahrenbereich für das Maschinengewehr nach vorne mit einer maximalen Ausdehnung von 4.150 m festgelegt.
Mit den Stellungen der Waffen und den Sicherheitsbereichen nach vorne, seitlich und hinten kann im Programm PHOENIX LAYER der gesamte Raumbedarf für das Scharfschießen bestimmt werden. Das ist auch die Basis, um die Anzahl der Grundstücksbesitzer festzustellen, die aufzusuchen sind, um deren Einverständnis zu erhalten. Danach beginnen die Detailerkundungen vor Ort und die persönlichen Gespräche mit den Grundstücksbesitzern für die Zustimmung zur vorübergehenden Benützung ihrer Liegenschaften. Dieser Schritt ist wegen der oft großen Anzahl an Personen die wahrscheinlich größte Herausforderung in der Planungsphase. Er erfordert viel Zeit und Geduld, da auch mögliche Ängste und Sorgen ausgeräumt werden müssen, trägt aber in weiterer Folge zur Akzeptanz des Bundesheeres in der Bevölkerung bei.
Zusammenarbeit mit der Behörde
Ein Schieß- oder Übungsvorhaben im freien Gelände ist ein Benefit für die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres. Durch die enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden zur Einholung der Genehmigung des Scharfschießens im freien Gelände entwickelt sich eine Vertrauensbasis sowie eine Akzeptanz der Bedürfnisse und Vorgehensweisen des jeweils anderen, wodurch die zivil-militärische Zusammenarbeit gestärkt wird.
Bei diesem Scharfschießen musste das Einvernehmen mit der Bezirksverwaltungsbehörde in Wiener Neustadt hergestellt werden. Ein regelmäßiger telefonischer und persönlicher Austausch mit dem Amtsleiter war vor der offiziellen Antragsstellung unerlässlich. Zusätzlich mussten grundlegende Angelegenheiten mit verschiedenen Referaten dieser Behörde abgesprochen werden. Hier sind vor allem das Referat Land- und Forstwirtschaft (z. B. Einschränkungen wegen Quellschutzgebieten) und die Verkehrsabteilung (z. B. behördliche Sperre der Bundesstraße) relevant.
Antrag des Scharfschießens
Wenn diese Hürde genommen ist, kann der Antrag für das Scharfschießen im freien Gelände an die Abteilung Ausbildungsgrundsätze im Bundesministerium für Landesverteidigung (AusbG/BMLV) gestellt werden. Ist der Einsatz von bezünderter Munition geplant, muss dies im Antrag vermerkt und um eine zusätzliche Genehmigung angesucht werden. Auch dabei gilt es, einen engen Kontakt mit dem Sachbearbeiter zu halten, um alle Punkte für die Genehmigung rasch und richtig abzuarbeiten. Eine persönliche Begutachtung mit Vertretern der AusbG/BMLV und der antragstellenden Dienststelle ist günstig, um Unklarheiten möglichst früh zu beseitigen und die notwendigen Fristen einzuhalten.
Der Antrag hat folgende Punkte zu beinhalten:
- Begründung, warum das Scharfschießen nicht auf einem ständigen Übungsplatz durchgeführt wird;
- Beschreibung des vorgesehenen Schießvorhabens (inkl. dem gedachten Ablauf);
- Sicherheitsbefehl;
- Sicherheitsoleate in elektronischer Form (z. B. PHEONIX LAYER);
- zusätzliche Anträge (Genehmigung eines reduzierten Gefahrenbereiches, Einschränkungen der Bezirksverwaltungsbehörde etc.).
Durchführung
Der Tag des Scharfschießens ist der Höhepunkt nach den Vorbereitungen, die vor allem im freien Gelände durch einen hohen administrativen Aufwand gekennzeichnet sind. Der Entfall der allgemeinen Sicherheitsstruktur, die auf Truppenübungsplätzen vorhanden ist, bedingt eine enge Koordinierung der Sicherheitsorgane vor Beginn des Scharfschießens. Eine detaillierte Einweisung durch den Sicherheitsoffizier ist die Grundlage für das Herstellen der Äußeren und Inneren Sicherheit.
Aufgrund der Größe des Raumes ist das Herstellen der Äußeren Sicherheit (Absperren des Gefahrenbereiches, um ein unbefugtes Betreten zu verhindern; Anm.) die wohl forderndste Aufgabe. Dies wird durch Warntafeln, bauliche Absperrungen, Absperrposten sowie den Einsatz der Militärpolizei und der Bundespolizei gewährleistet. Darüber hinaus wurde das genehmigte Scharfschießen zuvor an der Amtstafel der betroffenen Gemeinden bekanntgemacht. Die Einweisung der Sicherheitsgehilfen erfolgte vorgestaffelt anhand des Sicherheitsbefehles. Dieser wurde durch den Sicherheitsoffizier erstellt und war ein Teil des Antrages an das BMLV zur Genehmigung des Scharfschießens.
Nachbereitung/Lessons Learned
Nach dem Schießvorhaben und der Meldung von dessen Beendigung (ohne Vorkommnisse) an den Leitenden gilt es, den Übungsraum rückzubereiten. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Zielraum, kann es dort doch durch Abpraller oder dergleichen zu Schäden gekommen sein. Auch dabei hat sich ein enger Kontakt zwischen den Durchführenden des Schießens und den Grundbesitzern bewährt, schließlich können noch Tage oder Wochen später Munitionsteile gefunden werden. Darüber hinaus sind Trassierbänder, Warnschilder etc. abzubauen und der Urzustand im gesamten Übungsraum wiederherzustellen.
Die wichtigsten Punkte der Nachbereitung sind
- die persönliche Reflexion,
- die interne Nachbesprechung und
- die Weitergabe der „Ausbildungsanlage“ sowie des erlangten Wissens innerhalb des Verbandes und im gegenständlichen Fall an die angehenden Offiziere des Jahrganges.
Der AusbG/BMLV ist spätestens sechs Wochen nach dem Schießvorhaben verpflichtend ein Erfahrungsbericht vorzulegen. Dieser beinhaltet eine Zusammenfassung des gesamten Vorhabens sowie die positiven und negativen Erfahrungen bzw. Erkenntnisse bei der Planung, Durchführung und Nachbereitung. Dem Akt sind folgende Dokumente beizulegen:
- Gedachter Ablauf (z. B. Veränderungen zum Antrag);
- Schießbefehl;
- personelle Einteilung für das Scharfschießen (Leitender, Sicherheitsoffizier, Sicherheitsgehilfen, Nachschubunteroffizier, Waffenmeisterunteroffizier etc.);
- Munitionsausgabelisten;
- Munitionsverrechnungsbelege.
Fazit
Die Organisation eines Scharfschießens im freien Gelände bedingt einen wesentlich höheren Aufwand, im Vergleich zu einem Scharfschießen auf einem ständigen Übungsplatz. Trotz der aktuellen Fokussierung des Bundesheeres auf Assistenzeinsätze und der damit einhergehenden verkürzten Ausbildung in vielen Bereichen, sollte diese Form der Ausbildung auch in Zukunft verstärkt durchgeführt werden. Die Verbesserung der Führungsfähigkeit, der Organisationskompetenz und der zivil-militärischen Zusammenarbeit (Behörden und Zivilbevölkerung) sprechen jedenfalls für ein Scharfschießen im freien Gelände.
Major Mag.(FH) Christian Stadler; Kommandant des Jahrganges „Freiherr Lenk von Wolfsberg“.