- Veröffentlichungsdatum : 10.02.2022
- – Letztes Update : 15.02.2022
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Sicher im Einsatz
Das Ziel persönlicher Schutzausrüstung für Soldaten gegen Abstürze ist es, schwere und letale Folgen zu verhindern. Angelehnt an die zivilen Bestimmungen ist ab einer Höhe von zwei Metern (Ausnahmen sind möglich) mit schweren Verletzungen zu rechnen. Bevor beim Bundesheer angeseilt wird, werden alle technischen (Arbeitskorb, Geländer, Fangnetze etc.) und organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Nur wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ist ein Arbeitseinsatz mit dem Seil zu sichern.
Alle rechts angeführten Fallbeispiele setzen gute Kenntnisse und die Handlungssicherheit (auch bezüglich der rechtlichen Bestimmungen) aller Beteiligten voraus. Wie ersichtlich, gibt es mannigfaltige Notwendigkeiten, Soldaten bei Arbeitseinsätzen gegen einen Absturz zu sichern. Das Österreichische Bundesheer hat sich Anfang der 2000er-Jahre den zivilrechtlichen Bestimmungen angepasst und in weiterer Folge die Ausbildungsstruktur und die Anwendung bei Arbeitseinsätzen angeordnet. Auch in Hilfseinsätzen bei Katastrophenereignissen wie Überschwemmungen, Wind- bzw. Schneebruch und bei dem Befreien von Dächern von Schneelast sind Soldaten zu sichern. 2021 wurde während des Ausbilderlehrganges „Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz für Arbeitseinsätze“ (PSAgAfA) erstmals der derzeitige Ist-Zustand mit einer großen Teilnehmeranzahl diskutiert. Dieser Artikel stellt den Versuch dar, die PSAgAfA zu beschreiben, das allgemeine Bewusstsein bei Kommandanten aller Ebenen zu heben und einen Ausblick auf die Zukunft zu geben.
Alleinstellungsmerkmal
Warum sichert das Bundesheer nicht wie die Alpinisten oder die Rette- und Bergetrupps (RuB) der ABC-Abwehr-Truppe? Die PSAgAfA-Anwendung ist anderen Bestimmungen unterworfen als jenen der Alpinisten. Diese müssen mit wenigen Mitteln in einer momentan auftretenden Situation eine wirksame Sicherung aufbauen (oder auch zugunsten des Zeitfaktors darauf verzichten). Der Rette- und Berge-Dienst unterliegt aufgrund der schon im Namen angeführten Rette-Spezifikation anderen Normativen. Im Unterschied zu den Alpinisten und den Rette-und Bergeeinheiten sucht sich der PSAgAfA-Verantwortliche den Zeitpunkt der Arbeit (Abschluss aller Vorbereitungen, gutes Wetter etc.) aus und unterliegt (grundsätzlich) keinem Zeitdruck.
Beispiele für die Verwendung von PSAgAfA:
- Brückenbau;
- Feldlagerbau/Containerdorf;
- Wind- und Schneebruchaufarbeitung;
- Schneelasten auf Dächern;
- Kampfmittelbeseitigung (Schächte, Brunnen);
- Pilotieren mit Dieselramme;
- Straßenbau im steilen Gelände;
- Felssprengungen;
- Seilbahnen-Errichtung etc.
Sicherungsaspekte
In der Vergangenheit wurde anders (oder überhaupt nicht) gesichert, als es in der PSAgAfA-Vorschrift vorgesehen ist. Im Falle eines Unfalles würde der verantwortliche Kommandant heute vor Gericht vermutlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er gemäß veralterter Verfahren gehandelt hätte. Weiter ist bei Katastropheneinsätzen, vor allem bei Dächern im Winter und beim Aufarbeiten von Schnee- bzw. Windbrüchen, zur Sicherung des arbeitenden Personals, der „alpine“ Gedanke in den Köpfen der Kommandanten. Das kann zu unangenehmen Folgen führen, weil bei der Arbeit ohne Stahlvorfach, etwa beim Schneiden mit der Kettensäge (vor allem, wenn nur ein Seil verwendet wird) ein Durchtrennen der Sicherung durch das Werkzeug nicht auszuschließen ist. Auf dem Dach hingegen ist der Einsatz von dynamischen Seilen (Kletterseilen) fraglich, weil durch die Dehnung eine Sturzstreckenverlängerung gegeben ist, durch die der betroffene Soldat unter die Dachkante stürzen könnte. Die Vermischung von PSA- mit Alpingerät ist ohne Ausbildung in beiden Bereichen klar untersagt.
Das Amt für Rüstung und Wehrtechnik hat in Verbindung mit dem Institut Pionier an der Heerestruppenschule in den vergangenen zehn Jahren daran gearbeitet, derartige Unfälle zu vermeiden. Die Aufnahme der PSAgAfA-Grundanwenderausbildung in die Kaderanwärterausbildung der Pioniere gilt als erste Bewusstseinsbildung. Außerdem sind beinahe alle PSAgAfA-Einsatzmöglichkeiten in der Vorschrift abgedeckt und leicht in die Praxis umzusetzen. Die wesentliche Herausforderung ist es, alteingesessene Pioniere von der Notwendigkeit der Ausbildung zu überzeugen. Ein Beispiel bietet die Erkundung einer (Brücken-)Baustelle. Ohne die PSAgAfA-Fachanwender kann nicht beurteilt werden, welche Verfahren zur Anwendung kommen, welches Gerät einzusetzen ist und welche vorbereitenden Tätigkeiten in PSAgAfA-Hinsicht notwendig sind. Es ist nicht ausreichend, erst unmittelbar vor Baubeginn „PSAgA nehmen wir mit, die ist im Magazin auszufassen“ zu befehlen.
Fazit
Das Vermeiden eines Absturzes ist eine „interdisziplinäre Herausforderung“ und betrifft den Alpinisten ebenso wie den Arbeiter, trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen, des unterschiedlichen Gerätes und anderer Umstände. Das Ziel ist dasselbe, nämlich Leib und Leben der anvertrauten Soldaten unversehrt zu erhalten. Synergien zwischen den drei Bereichen Berg, RuB und PSAgA sollten in Zukunft gefördert werden, um voneinander zu lernen. Werden die genannten Problemfelder gelöst, kann die Pioniertruppe absturzgefährliche Arbeiten zu mindestens 95 Prozent (unter Berücksichtigung der PSAgA-Vorgaben) erfüllen. Die verbleibenden fünf Prozent haben eine äußerst geringe Eintrittswahrscheinlichkeit und bedürfen erfahrener PSAgA-Ausbilder und Lehrer, eventuell auch den Einsatz von Spezialgerät. In diesem Sinne sei ein Appell an alle Kommandanten gerichtet, die PSAgA-Ausbildung zu fördern und an die verantwortlichen Stellen in den Direktionen, die Entwicklungen gemeinsam mit der Truppe und dem Institut Pionier weiter voranzutreiben.
Major Mag. (FH) Ulf Remp; Ausbildungsverantwortlicher PSAgAfA beim PiB1.
Hauptmann Mag. (FH) Lukas Walter, BSc; Verantwortlicher für die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Baudienst, Brücken- und Wasserbau.