• Veröffentlichungsdatum : 17.05.2023

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Siebenmal hinfallen, achtmal aufstehen

Christina Hörhager

Hohe körperliche Beanspruchung unter schwierigen Bedingungen und psychische Belastungen gehören zum militärischen Arbeitsalltag. Mentale Widerstandsfähigkeit ermöglicht es, diese Herausforderungen zu bestehen und sich trotz aller Widrigkeiten für den Schutz anderer Menschen im In- und Ausland einzusetzen. Diese Resilienz kann trainiert werden.
 

Mentale Stärke von Soldaten 

Soldaten können mit körperlicher Anstrengung, eingeschränktem Kontakt zur Familie und zu Freunden, dem Verlust der Privatsphäre oder der Trennung von der gewohnten Umgebung umgehen. Es ist anzunehmen, dass diese Berufsgruppe insgesamt resilienter ist als der Durchschnitt der Zivilbevölkerung. Doch was heißt das?

Forscher beschreiben Resilienz als die mentale Fähigkeit, Belastungen auszuhalten und dabei dennoch die psychische Gesundheit zu erhalten bzw. rasch wiederherzustellen. Oft wird fälschlicherweise angenommen, dass es sich dabei um eine genetische, angeborene Eigenschaft handelt. Tatsächlich ist Resilienz ein dynamischer Prozess, der sich über die Jahre entwickelt und verändert. Außerdem ist er von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Was für den einen eine spannende Herausforderung darstellt, kann für den anderen eine schwer bewältigbare Belastung bedeuten. Unter Soldaten könnte diese Eigenschaft verbreitet sein. Zum einen werden besonders vulnerable Menschen bereits bei der Tauglichkeitsprüfung selektiert, zum anderen gibt es anspruchsvolle Aus- und Weiterbildungen, um die mentale Widerstandsfähigkeit zu trainieren.

Einige Staaten setzen bei ihren Streitkräften auf gezielte Resilienz-Trainings, wie das CSF-Programm (Comprehensive Soldier Fitness) der US-Armee. Ziel des Programmes ist es, Soldaten geistig gesund zu halten. Ein wesentlicher Bestandteil ist das „Master Resilience Training“ für Unteroffiziere. Dieses Training soll Führungskräften Werkzeuge zur Erhöhung der Resilienz beibringen, damit sie diese auch an ihre Mitarbeiter weitergeben können.

Kernkompetenzen des Master Resilience Trainings 

  • Selbsterkenntnis, um die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen sowie deren kontraproduktive Muster frühzeitig zu erkennen. 
  • Selbstregulierung, um Impulse, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen auszudrücken und zu regulieren.
  • Optimismus, um das Gute in sich selbst und in anderen wahrnehmen zu können und um kontraproduktive Überzeugungen zu hinterfragen.
  • Flexibilität, um sich anzupassen, offen für neue Strategien zu sein und neue Perspektiven einnehmen zu können.
  • Charakterstärke, um die größten Stärken bei sich selbst und anderen zu erkennen, Herausforderungen zu bewältigen und Ziele zu erreichen.
  • Sozialkompetenzen wie positive und effektive Kommunikation, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft. 

Gegen alle Widrigkeiten 

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Resilienz hat bereits vor vielen Jahrzehnten begonnen. Eine der ältesten und berühmtesten Studien der Resilienzforschung stammt aus dem Jahr 1955 und wurde von Emmy Werner durchgeführt. Werner und ihr Team untersuchten über 40 Jahre hinweg 700 Kinder, die auf einer hawaiianischen Insel groß wurden. Im Fokus waren vor allem jene Kinder, die unter schwierigen Bedingungen, wie Armut oder Tod der Eltern, aufwuchsen. Zwei Drittel dieser Kinder zeigten im Laufe ihres Lebens psychiatrische Auffälligkeiten, wurden straffällig oder litten unter Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Das letzte Drittel entwickelte sich hingegen positiv, schloss die Schule ab, ging einer Arbeit nach, war sozial gut integriert und zeigte keine Verhaltensauffälligkeiten.

Ergebnis der Studie: Ganz egal, wie widrig die Umstände zu sein scheinen, ausgeliefert ist man ihnen nicht. Man kann sich ihnen widersetzen, an den Herausforderungen wachsen und das eigene Leben positiv gestalten. Emmy Werner und ihr Team machten mehrere äußere und innere Faktoren aus, die sich positiv auf die mentale Widerstandsfähigkeit der Kinder auswirkten. Dazu zählten stabile Bezugspersonen, hohe Sozialkompetenzen oder Optimismus. 

Fazit: Wer davon überzeugt ist, dass alle Probleme gelöst werden können und die Zukunft viel Gutes bereithält, dem fällt es wesentlich leichter, schwierige Zeiten zu überstehen. Resiliente Menschen sind zudem lösungs- und zukunftsorientiert. Sie akzeptieren Probleme, übernehmen Verantwortung für das eigene Leben und richten dadurch den Fokus auf mögliche Lösungen. Dies führt in weiterer Folge zu erhöhter Motivation und Handlungsfähigkeit. Krisen lassen sich außerdem eher überwinden, wenn man ein Umfeld hat, das unterstützend zur Seite steht. Resiliente Menschen verstehen, dass sie nicht allein kämpfen müssen. Es gelingt ihnen, Hilfe anzunehmen, und sie fordern diese auch aktiv ein. 
 

Resilienter, glücklicher, gesünder 

Die eigene Resilienz zu stärken, wirkt sich positiv auf die Psyche und die Gesundheit aus. Studien fanden Zusammenhänge zwischen Resilienz und längerer Lebenserwartung, geringeren Depressionsraten sowie höherer Lebenszufriedenheit. Weitere Untersuchungen ergaben, dass resiliente Menschen zufriedener mit ihrer Arbeit sind, weniger Krankenstände aufweisen, seltener den Job wechseln und eine bessere Arbeitsleistung erbringen. Chronischer Stress hingegen schwächt nachweislich das Immunsystem und kann zu erhöhtem Blutdruck, Schlafproblemen sowie Herzerkrankungen führen. 

Da Körper und Geist eng miteinander verbunden sind, geraten viele Menschen bei Krisen in einen Teufelskreis. Mangelnde Resilienz kann beispielsweise zu Stress in der Arbeit führen. Dieser wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus, was zu noch mehr mentaler Belastung führt. Das kann langfristig dazu führen, dass die Widerstandsfähigkeit zusätzlich abnimmt. Die Probleme werden meist erst erkannt, wenn akute Erkrankungen auftreten. Zu solch typischen stressbezogenen Folgeerscheinungen zählen unter anderem 

  • Tinnitus, 
  • Neurodermitis, 
  • Burnout sowie 
  • Herzkreislauferkrankungen. 

Empfehlenswert ist es deshalb, sensibel für Warnsignale zu sein, frühzeitig aktiv gegen Stress vorzugehen und die eigene mentale Widerstandsfähigkeit zu stärken. 

Übungen für den Alltag 

Resilienz aufzubauen ist ein individueller und lebenslanger Prozess. Dennoch gibt es einige Übungen, die sich ganz einfach in den Alltag integrieren lassen. Die folgenden vier Beispiele basieren auf den sechs Kernkompetenzen des CSF-Programmes.

Übung 1: Rückschau halten 

Denken Sie an Ihr bisheriges Leben zurück. Welche Krisen haben sich auf Ihrem Weg ergeben und wie gelang es Ihnen, diese zu überwinden? Welche Menschen haben Ihnen beigestanden? Was hat Ihnen Kraft gegeben? Das können sowohl äußere (Freunde, Hobbys, Haustiere etc.) als auch innere Faktoren (Glaubenssätze, Fähigkeiten, Charaktereigenschaften etc.) sein. Was sind Ihre Stärken? Nehmen Sie Stift und Papier zur Hand und schreiben Sie alles nieder, das Ihnen dazu einfällt. Zu sehen, welche Hürden bereits gemeistert wurden, gibt Hoffnung, auch zukünftigen Problemen gewachsen zu sein. Darüber hinaus können Sie sich so einen Überblick darüber verschaffen, was Ihnen in schweren Zeiten bis jetzt besonders gut geholfen hat, um im Bedarfsfall darauf zurückzugreifen.

Übung 2: Emotionen regulieren 

Wem es gelingt, lockerer mit Alltagsproblemen umzugehen, dem fällt es auch in Krisenzeiten leichter, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn Sie einen schlechten Tag haben und sich über Alltägliches ärgern oder Sorgen machen, stellen Sie sich folgende Fragen: Wie fühle ich mich gerade? Ist die Sache es wert, mir davon den Tag verderben zu lassen? Bewerten Sie auf einer Skala von 1 bis 10, wie schlimm diese Situation gerade wirklich ist. Wird Sie die Situation in einer Woche immer noch belasten? Oder in einem Jahr? Diese Übung soll dazu dienen, die eigenen Emotionen in stressigen Situationen bewusster wahrzunehmen und zu steuern. Manchmal kann es auch hilfreich sein, eine Drittperspektive einzunehmen. Fragen Sie sich, was ein guter Freund Ihnen in dieser Situation raten würde.

Übung 3: Komfortzone verlassen

Wer sehr starre Routinen und Gewohnheiten hat, fällt schneller aus der Bahn, wenn unerwartete Probleme auftreten. Es kann deshalb nützlich sein, die eigene Komfortzone ab und zu bewusst zu verlassen. Das können kleine Schritte sein, wie ein Wechsel der Sportroutine oder ein neues Hobby. Auch auf neue Leute zuzugehen, um ein Gespräch zu beginnen, eignet sich gut dafür. Es gibt unzählige Möglichkeiten, gewohnte Muster zu verlassen und Neues auszuprobieren. Finden Sie etwas, das eine kleine Herausforderung für Sie darstellt, ohne Sie zu überfordern. Mit etwas Übung kann dies dabei helfen, flexibler zu werden und leichter mit Unvorhergesehenem umzugehen. 

Übung 4: Denkfallen erkennen 

Gerade in stressigen Situationen geraten viele Menschen in „Denkfallen“. Das sind sehr negative und oft unrealistische Bewertungen von Situationen, wie:

  • Schwarz-Weiß-Denken: Situationen werden entweder katastrophal oder perfekt bewertet. Eine realistische Einschätzung mit positiven und auch negativen Anteilen fehlt. Beispiel: Ihr Vorgesetzter, der Sie oft lobt und Ihre Arbeit schätzt, äußert Kritik an Ihrer Arbeit. Sie sind sich sicher, dass Sie schlechte Arbeit leisten, und würden am liebsten sofort kündigen.
  • Gedankenlesen: Man geht davon aus, immer zu wissen, was das Gegenüber denkt, und hält diese Annahme für wahr. Beispiel: Sie machen gerade eine wohlverdiente Kaffeepause, als ein Kollege den Raum betritt. Sie sind sich sicher: „Der denkt sich jetzt, dass ich faul bin und nichts arbeite.“ 
  • Generalisieren: Von einem Einzelfall wird auf das Gesamte geschlossen. Beispiel: Sie erfahren, dass eine Person aus Ihrem Fußballverein Sie nicht besonders mag. Sofort schließen Sie daraus: „Niemand mag mich.“ 

Notieren Sie sich solche oder ähnliche Gedankenfallen, die Ihnen im Alltag begegnen, und werden Sie sensibler dafür. Ertappen Sie sich dabei, wie Sie gerade in eine dieser Fallen tappen, so hinterfragen Sie diese und versuchen Sie, die Gesamtsituation in den Blick zu nehmen. Nur wer sich seiner Denkmuster bewusst ist, kann aktiv gegensteuern und eine positivere Sichtweise übernehmen. 
 

Fazit 

Die eigene Resilienz zu stärken, kann sich positiv auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Es hat zudem positive Effekte auf Beziehungen sowie die Arbeitsleistung und stellt gerade für Soldaten eine Grundkompetenz dar. Die Tatsache, dass Resilienz zu den Voraussetzungen des Berufes gehört, birgt jedoch die Gefahr von zu hohen Selbstansprüchen und einer Überforderung. Nehmen Sie sich nach Möglichkeit Pausen für sich selbst, gehen Sie Ihren Hobbys und Interessen nach und verbringen Sie schöne Momente mit Freunden und Familie, auch wenn die Zeit dazu nur begrenzt ist. 

Der Glaubenssatz, dass es zum Beruf gehöre, auf Kosten der Gesundheit die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen, ist weit verbreitet. Resilient zu sein bedeutet allerdings nicht nur Disziplin und Durchhaltevermögen, sondern auch die Fähigkeit zur Selbstfürsorge und die eigenen Grenzen zu erkennen. Türmen sich die Stressoren vor einem auf und werden die Belastungen zu groß, muss man dies nicht einfach so hinnehmen. Möchten Sie Unterstützung annehmen? Der Helpline-Service des Österreichischen Bundesheeres ist rund um die Uhr unter 050201 99 16 56 für alle Bundesheerangehörigen erreichbar.  

Christina Hörhager, MSc; Heerespsychologischer Dienst.

 

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