• Veröffentlichungsdatum : 08.05.2018

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  • 1370 Wörter

Simulation im Bundesheer Teil 2

Wolfgang Kralicek, Franz Zwettler, Roland Nagl

Im ersten Teil der TRUPPENDIENST-Artikelserie „Simulation im Bundesheer“ wurden der Towersimulator Flugsicherung und das ABC-Simulationssystem ARGON vorgestellt. Der zweite Teil widmet sich dem Führungssimulator Joint Multi Party System 2020 und dem Combined Arms Tactical Trainer.

Teil 1 - Towersimulator Flugsicherung, ABC-Simulationssystem ARGON

Führungssimulator Joint Multi Party System 2020

Im Jahr 2005 begann die Entwicklung einer neuen Softwaregeneration für die Kommandanten- und Stabsausbildung am Führungssimulator. Die damals in Verwendung stehende alte und starre Softwarearchitektur war an ihre technischen Grenzen gestoßen. Als Konsequenz wurde das Projekt „Produktverbesserung SIRA“ (Simulierte Rahmenübung, als Arbeitsbegriff PV-SIRA) in enger Abstimmung mit dem Nutzer und dem ersten Auftraggeber, der Deutschen Bundeswehr, festgelegt. Die grundsätzliche Überlegung war die Entwicklung einer neuen modulartigen Architektur ohne Beschränkung der in der Simulation abgebildeten Elemente, die als Units bezeichnet werden. Jedes dieser neu entwickelten Module sollte in eigenen Datenbanken gespeichert werden können.

Vom Frühsommer 2016 bis Frühjahr 2017 lag das Schwergewicht beim Führungssimulator der Landesverteidigungsakademie in Weitra im Zuge der Implementierung der neuen Hard- und Software mit den notwendigen Begleitmaßnahmen. Am Führungssimulator der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt begannen parallel dazu die Umbauplanungen für die Arbeiten, mit denen im April 2017 begonnen wurde. Für die Implementierung der neuen Anlagenkomponenten werden die gesamte Verkabelung, die Elektroinstallation und die Räumlichkeiten mit den Gefechtsständen saniert.

Im April 2016 wurde der Ausbildungs- und Übungsbetrieb am Standort Weitra für die Truppe eingestellt. Ab diesem Zeitpunkt begann für die Bediensteten des Stützpunktes die Einarbeitung in die neue Software anhand einer Teststellung vor Ort. Parallel dazu waren die Bediensteten über einen Zeitraum von drei Monaten abwechselnd auf dem SIRA Stützpunkt der Offiziersschule des Heeres in Dresden. Dort erfolgte gemeinsam mit der Deutschen Bundeswehr die Schulung und Grundlagenerstellung an und mit der neuen Software. Parallel zu den internen Schulungsmaßnahmen wurden die alten Hardwarekomponenten sukzessive abgebaut. Um eine rasche Inbetriebnahme zu gewährleisten, wurde bereits ab August 2016 an der Erstellung der notwendigen neuen Ausbildungsunterlagen für die zukünftige Bedienerausbildung gearbeitet.

Im November 2016 wurden die notwendigen Hardwarekomponenten in Teiltranchen an den Stützpunkt nach Weitra geliefert. In Summe sind das (für beide Stützpunkte) 90 Standrechner und 19 Notebooks inklusive Monitore. Seit September 2017 stehen, gemäß der vertraglichen Vereinbarung, insgesamt 95 Softwarelizenzen an beiden Stützpunkten zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Simulations-Stützpunkt der Landesverteidigungsakademie mit 33 Softwarelizenzen in Betrieb, um das erforderliche Betriebspersonal zu schulen und erste Simulationsausbildungen mit der neuen Software durchführen zu können. Die neue Hardware musste einerseits möglichst kostengünstig sein und andererseits den technischen sowie den Nutzeranforderungen entsprechen. Daher wurden mit Masse Desktop-PCs und nur eine bestimmte Anzahl von Notebooks beschafft. Das gewährleistet an den beiden Standorten einen flexiblen Betrieb mit dem an den Bedarf angepassten Leitungsvolumen und ermöglicht auch einen Betrieb außerhalb der Standorte.

Die neue Software „Joint Multi Party System 2020“ wurde durch die Firma CAE im November 2016 installiert. Seit diesem Zeitpunkt beschäftigen sich die Bediensteten des Führungssimulators damit. So wurde an der Anlage bzw. der Systemsteuerung und an der Erprobung bzw. Fortsetzung der neuen Unterlagen für die Bedienerausbildung gearbeitet. Im Herbst 2017 wurde nach umfangreichen baulichen Adaptierungen der Stützpunkt in Wiener Neustadt auf den gleichen Stand wie jener in Weitra gebracht.

Die neue Software trägt die Bezeichnung FüSim 6.2 JMPS (Joint Multi Party System). Sie ist ein „Quantensprung“ hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Darstellungsmöglichkeit der Simulation im Vergleich zur vorangegangenen Software. Die starre grafische Bedieneroberfläche wurde in allen Bereichen von der Systemsteuerung, den taktischen Arbeitsplätzen bis zur Auswertung mit den Statistiken als neues Grafikinterface mit paralleler individueller Fenstertechnik neugestaltet. Bei den Schnittstellen zu anderen Systemen wurde erstmalig eine voll funktionsfähige neue Schnittstelle zum Führungsinformationssystem „Phönix“ geschaffen. Beim Führungssimulator an der Theresianischen Militärakademie wird darüber hinaus eine neue Funksimulationsanlage installiert.

Aus einem Szenario-Editor wurden neun interagierende Editormodule entwickelt. Diese reichen vom Organisationsstrukturmodul, über das Ereigniseditormodul, das Simulationsparametermodul bis zum Umweltmodul. Neu ist auch der Editor zur Generierung von taktischen Zeichen, mit dem taktische und NATO-konforme Zeichen für das System generiert werden. Der Geländebasisdaten-editor ermöglicht nun die Generierung von Übersichtskarten mit eingebetteten Simulationskarten und so genannten Urban Operations-Karten. Diese enorme Leistungsfähigkeit des Systems erfordert jedoch einen Personalaufwuchs im Bereich der konstruktiven Simulation, um alle Möglichkeiten anwenden zu können. So ist unter anderem eine Spezialisierung der Bediensteten in der Bearbeitung der Basisdaten der verschiedenen Waffengattungen notwendig.

Aus dem alten Softwarepaket des taktischen Arbeitsplatzes wurden Streitkräfte übergreifend neue Softwareanteile entwickelt. Die Darstellung der Kampftruppe mit Aufklärung, Artillerie, Heeresfliegern, Fliegerabwehr und Pionierwesen wurde verbessert und um den Bereich ABC-Abwehr, Logistik mit Sanitätsdienst und Instandsetzung, Luftwaffe und Marine erweitert. Ein Beispiel für die Verbesserung ist der Abbildungsumfang im Bereich Aufklärung, bei dem nun auch Sensoren und Drohnen dargestellt werden können. Die zivil-militärische Zusammenarbeit im Bereich der Blaulichtorganisationen wurde ebenfalls berücksichtigt und ein „Operation Other Than War“-Menü entwickelt.

Combined Arms Tactical Trainer

Der Combined Arms Tactical Trainer (CATT) ist ein virtuelles Simulationssystem für die Ausbildung von Führungskräften und Soldaten bis zur Ebene des kleinen Verbandes. Der größte CATT des ÖBH wird in Zwölfaxing durch die Heerestruppenschule Institut Panzer & Panzergrenadier betrieben. Er bildet ein wichtiges Ausbildungsmittel für die Landstreitkräfte. Das Herz der Anlage ist ein Rechnernetzwerk mit 56 Arbeitsplätzen. Für die Ausbildung stehen zwei verschiedene Simulationsprogramme zur Verfügung: „Virtual Battle Space“ und „Steel Beasts“.

Virtual Battle Space

Hierbei handelt es sich um ein Simulationsprogramm, in dem ein Avatar (hier: künstliche Grafikfigur bzw. Grafikgerät; Anm.) gesteuert wird. Damit können Abläufe und Verfahren in komplexen Szenarien dargestellt werden, in denen das Ausbildungsschwergewicht auf der einzelnen Person bis hin zur Gruppenebene liegt. Das ist vor allem für die Aufklärungstruppe oder die Militärpolizei relevant.

Steel Beasts

Dieses Programm steht für die Ausbildung der Einzelfunktion (beispielsweise eines „Husar“-Bordschützen) bis zum kleinen Verband zur Verfügung. Zusätzlich gibt es Nachbildungen von Richtgriffen, mit denen eine hohe Realitätsnähe geschaffen wurde. Außerdem kann durch diese Einrichtungen der CATT auch als Schießsimulator, beispielsweise für die elektronisch fernbedienbare Waffenstation, genutzt werden. Dazu können von jedem Rechner verschiedene Positionen eingenommen werden, um den Ausbildungserfordernissen der jeweiligen Führungsebene gerecht zu werden.

Möglichkeiten des Systems

An das Rechnernetzwerk des Simulators docken verschiedene Gefechtssimulatoren als Module an. Hierbei handelt es sich um Fahrzeugnachbauten, die durch die gesamte Besatzung mit den realen Bedienungsmöglichkeiten gesteuert werden müssen. Bei jedem System steht die Nachbildung eines Organisationselementes im Vordergrund. Durch den Verbund im Netzwerk können die einzelnen Fahrzeuge verschiedene Positionen in Führungsebenen einnehmen und der Rest des Verbandes oder der Einheit mittels Rechnern simuliert werden.

Die Simulationsprogramme ermöglichen eine Vielzahl verschiedener Szenarien. Das Gelände in der Simulation kann auf der Basis von Geo-Daten durch das ÖBH erstellt und an den Ausbildungsbedarf (Wetter, Tageslicht etc.) angepasst werden. Damit ist ein hoher Wiedererkennungswert gegeben, und die Erkundungsergebnisse des realen Geländes können in der Simulation übernommen werden. Bei Bedarf werden auch Gebäude nachgebildet, zum Beispiel wenn diese als Schutzobjekt einen hohen Stellenwert haben. Die virtuellen Ortschaften oder Städte können mit zivilem Leben befüllt werden - sei es mit größeren Menschenansammlungen oder Fahrzeugen. Zur Interaktion mit diesen stehen je nach Bedarf des Szenarios mehrere Möglichkeiten zur Verfügung.

Im Simulationsprogramm können neben Kampfteilen die Elemente der Kampf- und Führungsunterstützung dargestellt werden. Diese umfassen den Einsatz von Steilfeuer, Hubschraubern, Sperren, Drohnen und vielem mehr. Um diese darzustellen, kann in den Datenbanken eine große Anzahl von internationalen Fahrzeugen und Systemen ausgewählt werden. Das Programm berücksichtigt auch die Einsatzunterstützung und deren Abläufe, die durch die Übenden mitbedacht und koordiniert werden müssen. Ausgefallene Fahrzeuge müssen deshalb geborgen, Verwundete versorgt oder Versorgungsgüter angeliefert werden.

Ausblick und Fazit

Nach der Generalsanierung der Simulationshallen am Standort Zwölfaxing ist ein weiterer Ausbau der Gefechtssimulatoren geplant, um den Bedarf der verschiedenen Waffengattungen zu decken. Durch die fortlaufende Weiterentwicklung der Simulationsprogramme können immer komplexere Szenarien mit einem erhöhten Realitätsgrad geschaffen werden.

Der CATT bietet die Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand taktische und gefechtstechnische Verfahren zu üben, um ein Verständnis für die Abläufe innerhalb des Verbandes und der Einheit zu schaffen oder Gefechtstechniken auf allen Ebenen zu trainieren und auszuwerten. Die Nachbauten der Gefechtsfahrzeuge ermöglichen ein intensives Eintauchen in die Simulation und ein möglichst reales Szenario, bei dem die meisten Handgriffe der Realität entsprechen.

wird fortgesetzt

Teil 1 - Towersimulator Flugsicherung, ABC-Simulationssystem ARGON

Oberst Akad WPäd Wolfgang Kralicek, MSc MSD MBA ist Leiter Referat für Simulation und Ausbildungsmittel im BMLV.

Oberst Franz Zwettler ist der Kommandant Führungssimulator Weitra und bundesweiter Anwendungsbetreuer.

Hauptmann Mag.(FH) Roland Nagl ist der Kommandant Lehrgruppe Simulationsunterstützung & Hauptlehroffizier am Institut Panzer & Panzergrenadier der Heerestruppenschule.

 

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