• Veröffentlichungsdatum : 17.01.2022

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Trommelwirbel auf der Mariahilfer Straße

Anna Hlawatsch

Inmitten einer der beliebtesten Einkaufsstraßen Österreichs können sich Interessierte seit 15. September 2021 über den Einstieg und eine Karriere beim Österreichischen Bundesheer informieren. In dieser Form ist es die erste Service- und Anlaufstelle für Informationen rund um eine Laufbahn als Soldatin bzw. Soldat.

Es ist ein warmer Mittwochvormittag auf der Mariahilfer Straße, die Begegnungszone ist gut frequentiert. Jogger drängen sich an den vor Schaufenstern verweilenden Passanten und abladenden Lieferanten vorbei. Die Schanigärten der Cafés und Eisgeschäfte sind restlos besetzt. Plötzlich setzt Trommelwirbel ein, die Garde bahnt sich ihren Weg durch eine Menschentraube. Ruckartig werden die Handykameras aus den Jackentaschen gezückt. Die Blicke der Passanten streifen zwei getarnte Männer, die Richtung Museumsquartier marschieren. Sie haben Tarnfarbe im Gesicht und tragen eine Tarnuniform. 

Eine junge Frau hält verdutzt an: „Ist etwas passiert?“ Der angesprochene Militärpolizist verneint und verweist auf die gegenüberliegende Straßenseite. Da, ein rotes Absperrband. Vor diesem haben sich mehrere Journalisten und Kameraleute versammelt. In Eile werden ihre Ausweise kontrolliert und die Namen auf der Akkreditierungsliste abgehakt. Sekunden später sind die ersten Kameras positioniert und die Mikrofone vor dem Eingang der Mariahilfer Straße 22-24 arrangiert. „Ich muss das Bild noch einrichten“, murmelt ein Kameramann. Zu seiner Freude bezieht gerade ein vermummter Jagdkommando-Soldat vor dem Eingang des neuen Bundesheer-Checkpoints Stellung. 

Die Idee für einen Rekrutierungsstützpunkt im „Zentrum“ der Gesellschaft ist nicht neu. Seit über zwanzig Jahren steht der Plan, näher an die Zielgruppe der jungen Erwachsenen (Interessierte ab 17 Jahren) zu rücken, im Raum. Aber erst 2019 ergab sich ein Gelegenheitsfenster. „Dass die Beratungs- und Rekrutierungsstelle aus den Kasernen und zur Zielgruppe kommt, war immer schon ein Thema. Mit dem Auszug des Vormieters aus dieser Geschäftszeile, die dem Bundesheer gehört, wurden die Überlegungen schließlich konkret. Die eigentliche Umsetzung hat in etwa ein Jahr gedauert“, sagt Hofrat Stefan Chavanne, Leiter des Heerespersonalamtes.

Kurz vor dem Checkpoint kommt die Garde zum Stillstand. Ein Raunen geht durch die Menge. Hektisch deuten zwei Kinderhände nach oben: „Schau, Papa! Da! Wow!“ Die Blicke der Anwesenden wandern die historische Fassade empor. Auf der Simsspitze sind vier Jagdkommando-Soldaten zu erkennen. Zu den Klängen von „Mission Impossible“ stürzen sie sich in die Tiefe. Als sie den Boden berühren, ertönt Beifall. Sie werden von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner begrüßt, die eine Schere für die Durchtrennung des rot-weiß-roten Eröffnungsbandes entgegennimmt. „Es ist ein besonderer Moment, den wir heute feiern, und welcher Ort bietet sich für die Eröffnung des neuen Informations- und Rekrutierungsstützpunktes mehr an als dieser“, sagt Tanner nachdem sie das Band durchschnitten hat. Das Österreichische Bundesheer wolle weiter in die Mitte der Gesellschaft rücken und moderner werden. Der heutige Tag sei zukunftsträchtig, da mit ihm dieser wichtige Schritt gesetzt wurde, setzt sie fort. Als auch die Glückwünsche von Bezirksvorsteher Markus Reiter und dem Landtagsabgeordneten Markus Schober enden, treten Hofrat Johannes Sailer, Leiter des Militärischen Immobilien Management Zentrums, und Hofrat Stefan Chavanne für die symbolische Schlüssel-Übergabe vor die Kameras. Noch einmal sind alle Objektive auf den Eingang fokussiert, dann endet der offizielle Teil der Eröffnung und die ersten Schaulustigen drängen in die Geschäftsfläche. 

Erste Schritte

Über die Berufschancen beim Bundesheer können sich Interessierte jeden Alters während der Öffnungszeiten ohne Voranmeldung beim Checkpoint informieren. Eine Lehre ist ab dem 15. Lebensjahr, der Einstieg in den Soldatenberuf ab dem 17. Lebensjahr möglich. Mit welcher Note die Schule abgeschlossen wurde, ist übrigens nicht relevant. „Wir erleben es leider immer wieder, dass Interessierte gerade deshalb zögern uns zu kontaktieren. Für uns ist aber nicht wichtig, mit welchem Ergebnis die Schule abgeschlossen wurde, sondern lediglich, ob die 9. Schulstufe vollendet ist“, sagt Wehrdienstberater Vizeleutnant Christian Distl. „Das einzige Fach, auf das Wert gelegt wird, ist Deutsch. Das ist Voraussetzung für die Kaderanwärterausbildung, die wiederum Bestandteil der Unteroffiziers- und der Offizierslaufbahn ist“, erklärt Distl. Die Erfüllung der für das Bundesheer relevanten Kenntnisse wird bei der Eignungsprüfung erhoben. Neben einer Bildbeschreibung und einer kurzen Meinungsäußerung zu einem allgemeinen Thema, wird in 50 Minuten auch das Leseverstehen überprüft. Insgesamt stehen den Bewerbern 100 Minuten für beide Testteile zur Verfügung. 

Tipps und Anleitungen zum Vorbereiten finden sich in den Broschüren zur Unteroffiziers- oder Offizierslaufbahn, die bei Interesse im Checkpoint ausgegeben werden. Auf der Karriere-Website des Bundesheeres finden sich zur korrekten Ausführung der Sportübungen Kurz-Videos. Zudem besteht die Möglichkeit, an den monatlichen Vorbereitungstagen teilzunehmen. Diese finden sowohl in Wien als auch in Wels statt. Zielpublikum sind vor allem Frauen. Neben der Möglichkeit, erste Erfahrungen mit dem Bundesheer zu sammeln, können auch Eignungstests (ohne Wertung) absolviert werden. 

Vom Rekruten zum Militärpolizisten

Im Inneren des Checkpoints dominiert weiße Farbe, einzelne Elemente sind in Tarngrün hervorgehoben. Dazu zählt auch die Beratungskoje. Seit der Eröffnung sind einige Wochen vergangen, der Sommer ist dem Herbst gewichen, als André B auf der Beratungsbank Platz nimmt. Er hat gerade seinen Grundwehrdienst beendet und strebt die Unteroffizierslaufbahn an. Von der Karrieremöglichkeit habe er durch Freunde erfahren, die ihm viel Positives berichten würden, erzählt er. Seine Freiwilligenmeldung hat er bereits online eingebracht, der heutige Termin dient dem Übermitteln der Bewerbungsunterlagen und dem Festlegen der nächsten Schritte. Im Fall von B entfällt die medizinische Voruntersuchung, er muss daher nur an zwei Tagen der Eignungsprüfung in Wels teilnehmen. 

Neben der Überprüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Deutschkenntnisse wird bei allen Bewerbern eine psychologische Kadereignungstestung durchgeführt. Beim anschließenden Einplanungsgespräch legen die Einplanungsoffiziere mit den Absolventen das Eintrittsdatum, den Standort und die Waffengattung fest. Ein Karrierestart ist immer im März oder September möglich. B wird nach erfolgreicher Annahme 24 Monate lang (mit Eintritt Anfang September sind es 18 Monate) die Ausbildung zum Unteroffizier absolvieren. 

Während Wehrdienstberater Vizeleutnant Christian Distl mit B die letzten Details bespricht, wird der Checkpoint von einem Interessierten besucht. Er sei auf der Suche nach Bundesheer-Artikeln, lässt er den Soldaten hinter dem Verkaufstisch wissen. Tatsächlich ist der Beratungsstützpunkt auch ein Click-and-Collect-Store. Das Sortiment umfasst unter anderem Rucksäcke, Taschen, Quietsch-Enten für die Badewanne, Trinkflaschen, Sonnenbrillen, Regenjacken, Fußmatten oder Trolleys. Angeboten werden die Artikel (es handelt sich nicht um militärische Ausrüstung) von einem privaten Anbieter. Bevor die Ware in der Mariahilfer Straße abgeholt werden kann, muss sie im Webshop (webshop.bundesheer.at) erstanden werden. Der Kauf vor Ort ist über ein Online-Terminal ebenso möglich, die Bezahlung erfolgt dabei ausnahmslos bargeldlos. Das Beratungsgespräch von B nähert sich dem Ende. Für ihn heißt es jetzt Warten auf die Einladung zur Eignungsprüfung. Die Zeit will er nutzen und sich dem Lauftraining widmen.

Mag. Anna Hlawatsch, Redakteurin beim Truppendienst.

"Der Oberst ist auch ein Verkäufer"; Interview mit Oberst Karl Schifflhuber, Leiter des Checkpoints Mariahilfer Straße.

 

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