• Veröffentlichungsdatum : 22.01.2019
  • – Letztes Update : 28.04.2021

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UN-Mission in Zypern: Wie sie heute ist

Michael Barthou, Tamino Eder

Die UN Peacekeeping Force in Cyprus (UNFICYP) ist eine der am längsten laufenden Friedensmissionen. Sie wurde 1964 geschaffen, um weitere Kämpfe zwischen den griechischen Zyprioten und türkisch-zypriotischen Minderheiten auf der Insel zu verhindern und eine Rückkehr zu normalen Bedingungen zu gewährleisten. In diesen vielen Jahrzehnten hat sich die Mission ständig gewandelt.

Der UN-Sicherheitsrat hat UNFICYP durch die Resolution 186 am 4. März 1964 eingerichtet und erneuert das Mandat der Mission alle sechs Monate. Die Aufgaben der Mission wurden im Jahre 1974 nach einem Staatsstreich von Gruppierungen, die eine Vereinigung mit Griechenland anstrebten und einer darauffolgenden Invasion der Türkei mit der Übernahme der Kontrolle über Nordzypern, erweitert. Seit einem de facto Waffenstillstand im August 1974 überwacht UNFICYP die Waffenstillstandslinien, führt die Bereitstellung von humanitärer Hilfe durch und betreibt die Pufferzone zwischen den türkischen und türkisch-zypriotischen Streitkräften im Norden und den griechisch-zypriotischen Kräften im Süden. Außerdem legt das UN-Mandat fest, dass der Status quo entlang der Pufferzone erhalten bleibt.

Überblick

Die Waffenstillstandslinien, auch Green Lines genannt (dazwischen ist die Pufferzone), erstrecken sich über 180 Kilometer durch die ganze Insel. In einigen Abschnitten ist die Pufferzone nur wenige Meter breit, sie kann aber auch bis zu mehrere Kilometer breit sein. Im östlichen Teil der Insel wird die Pufferzone von der souveränen britischen Basis Dhekelia unterbrochen, in der UNFICYP keine Autorität hat. Ein anderes Gebiet, in dem UNFICYP keinen Einfluss besitzt, ist die Geisterstadt Varosha, die das türkisch-zypriotische Militär kontrolliert. Durch das bis heute fehlende formelle Waffenstillstandsabkommen haben UNFICYP-Soldaten und Polizeibeamte jedes Jahr hunderte von Vorfällen zu bearbeiten. Zusätzlich leistet UNFICYP humanitäre Hilfe für griechische Zyprioten sowie für eine kleine maronitische Gemeinschaft, die im nördlichen Teil der Insel lebt und unterstützt türkische Zyprioten im südlichen Teil. Die Mission wird vom Head of Mission geleitet. Das ist seit 2016 die Kanadierin Elizabeth Spehar, die auch gleichzeitig Sonderbeauftragte ist. Sie unternimmt unter anderem Bemühungen zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen. Ein Beispiel hierfür sind die Wiederaufnahme der Landwirtschaft sowie Projekte der Strom- und Wasserversorgung für die Bevölkerung in der Pufferzone.

Die Aufgabe von UNFICYP ist derzeit die Unterstützung der vollständigen Wiederaufnahme ziviler Aktivitäten in der Pufferzone, zusätzlich zur permanenten Überwachung beider Streitkräfte. Dies erfolgt mit Fuß-, Fahrrad-, Fahrzeug- sowie Hubschrauberpatrouillen. Von Juli 2016 bis Oktober 2018 war der Kommandant der Streitkräfte Generalmajor Mohammad Humayun Kabir aus Bangladesch.

Anmerkung: Ein Nachfolger wurde zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht bestimmt.

Struktur

Die Mission basiert auf der Joint Component Struktur, die aus einer militärischen, einer polizeilichen (UNPOL) und einer zivil-administrativen Komponente besteht. UNFICYP hat 1.100 Personen, von denen 888 Soldaten und ca. 60 Polizeiangehörige sind. Die Gliederung besteht aus drei Sektoren (Sector Units), der UN Flight (UN FLT; Helikoptereinheit), der Mobile Force Reserve (MFR), der Force Military Police (FMPU), einem Logistik-Element (Transport, Versorgung, Pionier, Administration) und einem Medical Center (MED CTR). Das UNFICYP-Hauptquartier gliedert sich in verschiedene Branchen wie dem Deputy Chief of Staff (DCOS), Operations (OPS), Support (SPT) und Engagement (ENGT; seit August 2018). Nach einer Evaluierung Ende 2017 wurde die militärische Komponente um etwa zehn Prozent auf 802 Soldaten verkleinert; diese Gliederung soll bis Ende 2018 eingenommen sein. Ausgenommen davon ist der Liaison-Bereich, der die Basis für eine Beobachtermission sein soll. Die einzelnen Kontingente rotieren alle sechs Monate in den und aus dem Einsatzraum. Ausnahmen bilden das Personal im Hauptquartier und ausgewählte Schlüsselfunktionen, die eine gewisse Kontinuität in UNFICYP gewährleisten sollen. Hier beträgt das Rotationsintervall zwölf bis 24 Monate. Weitere Umstrukturierungen beziehungsweise Verkleinerungen der Mission stehen im Raum, auch die Anzeichen für einen Umstieg zu einer zukünftigen Militärbeobachtermission verdichten sich, ausgelöst von den geforderten Einsparungsmaßnahmen in der UNO durch die USA.

Sektoren

Innerhalb der Pufferzone gibt es drei Sektoren, die von den UNFICYP-Soldaten überwacht werden. Die Topografie und die sich dadurch ergebenden Herausforderungen für die Überwachung sind je nach Sektor unterschiedlich.

Sektor 1

Der Sektor 1 deckt ein Gebiet von über 90 km Länge ab und erstreckt sich vom westlichsten Teil, dem Dorf Kukkina, bis in den Westen von Nikosia. Seit 1993 liegt die Verantwortung über diesen Abschnitt zum Großteil bei südamerikanischen Kontingenten aus Argentinien, Chile, Paraguay und Brasilien. Das Sektor-Hauptquartier und die Stabskompanie befinden sich im Camp San Martin in der Nähe von Skouriotissa. Die anderen Einheiten sind ebenfalls innerhalb des Sektors verteilt.

Sektor 2

Der zweite Sektor mit einer Länge von 30 km wird vom britischen Kontingent seit 1993 abgedeckt, das damals von den Kanadiern übernommen hat. Das Spezielle in diesem Bereich ist, dass sich darin die Hauptstadt der Insel, Nikosia, befindet, die durch die Pufferzone geteilt wird. Hier liegen die zwei Streitparteien nur wenige Meter getrennt voneinander entfernt, was immer noch hohes Konfliktpotenzial in sich birgt. Die meist jungen wehrpflichtigen Soldaten beider Seiten provozieren sich immer wieder gegenseitig mit Gesten, Worten aber auch Steinwürfen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Sektor-Hauptquartier ist innerhalb der Pufferzone, und die britischen UN-Soldaten sind im einst besten Hotel der Stadt untergebracht, dem so genannten Ledra Palace Hotel.

Sektor 4

Der dritte Sektor, Sektor 4 (es gibt keinen Sektor 3), ist über 65 km lang, schließt direkt am britischen Sektor an und verläuft bis in den östlichsten Teil der Insel in die Nähe des Dorfes Dherinia. Bis September 2018 waren ein slowakisches, ungarisches, serbisches und ukrainisches Kontingent für den Sektor zuständig. Seit Oktober 2018 sind die Slowaken dafür alleine verantwortlich. Das Sektor-Hauptquartier befindet sich im ehemaligen österreichischen Camp General Stefanik in Famagusta, im nördlichen Teil der Insel. Eigenheiten in dem Verantwortungsbereich sind die so genannten „Civil Used Areas“ innerhalb der Pufferzone in der Umgebung von Athienou und Pyla. Zusätzlich leben in Pyla noch beide Ethnien, die versuchen friedlich miteinander auszukommen - unter ständiger Beobachtung von UNFICYP. Des Weiteren befindet sich die Geisterstadt Varoscha, am Stadtrand von Famagusta, im Sektor. Rechtlich gehört das Gebiet zur Republik Zypern und wird von der Nordseite als Faustpfand für Friedensverhandlungen verwendet. Der Zugang ist für die Öffentlichkeit untersagt, ausgenommen sind UN-Soldaten, die sich vorher bei den türkisch-zypriotischen Streitkräften anmelden müssen, um Patrouillen auf festgelegten Routen durchführen zu können. Ein permanent besetzter UN-Beobachtungsposten befindet sich auch in der Geisterstadt. Die darin eingesetzten Soldaten leben quasi ständig in einer Hotelruine (einzelne Zimmer renoviert) in Varoscha und werden durch UN-Patrouillen versorgt.

Konfliktszenarien

Durchschnittlich registriert UNFICYP jährlich 1.000 Vorfälle in der Pufferzone. Versuche, den Zypernkonflikt zu lösen und die Insel zu vereinigen, brachten bisher kein Ergebnis, obwohl sich die Beziehungen zwischen Norden und Süden im Laufe der Jahre verbessert haben. Unter anderem führte dies zur Eröffnung von mehreren Übergangspunkten (Crossing Points) in der Pufferzone. Zwei dieser Crossing Points liegen in der britisch souveränen Basis Dhekelia namens „Pergamos“ und „Strovilia“, drei in Nikosia bei Ayios Demetios/Metehan, Ledra Palace und Ledra Street, einer westlich von Nikosia bei Astro Meritis/Zodhia sowie einer ganz im Westen der Insel namens Pyrgos Limnitis/Yesilirmak. Nur durch diese Verbindungspunkte ist ein Übergang in den jeweils anderen Teil Zyperns möglich. Zwei zusätzliche Crossing Points wurden am 12. November 2018 eröffnet, die sich in Lefka und Deryneia befinden.

Die Pufferzone selbst steht derzeit von Einwohnern aus dem Süden unter hohem Druck. Grund dafür sind die Landwirtschaft und die Jagd in der Pufferzone. Das führt oft zu heiklen Situationen zwischen den unbewaffneten UN-Soldaten und den mit Waffen ausgestatteten Jägern. Die Bauern hingegen bewirtschaften ihre Felder oft bis dicht an die türkische Waffenstillstandslinie (Cease Fire Line - CFL), was zu Spannungen mit den türkisch-zypriotischen Sicherheitskräften führen kann.

Des Weiteren registriert UNFICYP vermehrt bauliche Tätigkeiten in der Pufferzone, die Konflikte zwischen UNFICYP und den zivilen Behörden hervorrufen können. Ein weiteres Problem ist die Zunahme von Drohnenbewegungen. Schmuggler nutzen die Kleinstdrohnen, um Drogen vom Norden in den Süden zu transportieren, aber auch Aufklärungsaktionen der organisierten Kriminalität finden durch solche Drohnen statt. Dazu kommen Luftraumverletzungen: Einerseits durch Luftfahrzeuge der südlichen Luftstreitkräfte, die in die Pufferzone vordringen, andererseits gibt es vermehrt Luftraumverletzungen durch israelische Flugzeuge. Grund dafür ist ein Abkommen der Republik Zypern mit Israel, das dem Land erlaubt, in der Region Aufklärungsflüge durchzuführen. Seit geraumer Zeit hat UNFICYP Schwierigkeiten, den Status quo entlang der Pufferzone aufrechtzuerhalten.

Gründe dafür sind

  • der Stellungsbau auf beiden Seiten durch die beiden Streitkräfte,
  • der Ausbau der bestehenden Beobachtungsposten wie die Errichtung von neuen Wach- und Beobachtungstürmen (Watch Towers),
  • die Verstärkung der Waffenstillstandslinien durch elektronische Überwachungsmittel wie Kameras, Gefechtsfeldaufklärungssystemen etc. sowie
  • eine vermehrte Beobachtung von schweren Waffen nahe der Pufferzone.

Seit dem Jahre 1964 haben 186 UN-Personen hier im Einsatz ihr Leben verloren, darunter 16 österreichische UN-Soldaten.

Österreichische Beteiligung

Bis 2001 stellte Österreich ein UN-Bataillon mit Hauptquartier in Famagusta im Sektor 4. Seit diesem Zeitpunkt wird nur mehr Personal für das UNFICYP-Hauptquartier abgestellt. Derzeit besteht das österreichische Kontingent (Stand: Oktober 2018) aus fünf Personen, drei Offizieren und zwei Unteroffizieren. Die Offiziere arbeiten in der Engagement Branch (vorher Liaison) und bekleiden folgende Funktionen:

  • Deputy Chief of Staff Engagement;
  • UN Liaison Officer National Guard;
  • Civilian Affairs Military Liaison Officer.

Die beiden Unteroffiziere sind als Force Cartographer (Kartograf) und Personalbearbeiter (SO3) tätig. Nach derzeitigen Informationen wird das österreichische Kontingent auf vier Personen reduziert, da Indien den künftigen Liaison Officer National Guard stellen wird. Die Österreicher wohnen in selbst gewählten Unterkünften und müssen sich grundsätzlich selbst verpflegen.

Die Aufgaben der österreichischen Offiziere in der neu geschaffenen Engagement Branch sind im 3-Ebenen-Liaison-System angesiedelt, und hier im Medium Level.

3-Ebenen-Liaison-Modell

Das 3-Ebenen-Liaison-System (Eskalationsstufenmodell) gliedert sich in Low, Medium und High Level Liaison Link. Low Level wird innerhalb der jeweiligen Sektoren wahrgenommen. Medium Level erfolgt unter anderem durch die österreichischen Verbindungsoffiziere im Hauptquartier und durch den Stabschef von UNFICYP. Im High Level agiert der Force Commander. Das Motto in jeder Liaison-Ebene ist: „Understand, Observe, Prevent, Reassure and De-Escalate”.

UMMAS

UN Mine Action Service (UNMAS) ist eine integrierte Komponente von UNFICYP. UNMAS koordiniert und plant Entminungsaktivitäten in und in der Nähe der Pufferzone. Die Ziele sind als vertrauensbildende Maßnahmen die Reduzierung der Bedrohung durch Landminen und übriggebliebene Sprengstoffreste. Es unterstützt das Committee on Missing Persons (CNP), das gefallene Personen auf der Insel exhumiert, mit DNA-Analysen die Angehörigen ausfindig macht und die menschlichen Überreste beisetzt.

Fazit

Seit geraumer Zeit wird die Sinnhaftigkeit der aus dem Jahre 1964 stammenden Friedensmission UNFICYP des Öfteren in Frage gestellt und die Schließung der Mission gefordert. Für Außenstehende zeigt sich Zypern als typische mediterrane Insel, auf der massenhaft Touristen ihren Urlaub verbringen. Doch der Schein trügt. Denn neben den Hotelanlagen, Partyzonen und Stränden befindet sich die Insel gesellschaftlich und wirtschaftlich im Umbruch, der den schwelenden Konflikt zwischen den beiden Teilen verstärkt.

Der südliche Teil der Insel erfährt einen Wirtschafts- und Immobilienboom durch Investoren aus Europa und Russland und die jüngere Bevölkerung ist wenig an einer Wiedervereinigung interessiert. Die wirtschaftliche Situation im Norden ist prekär und hat trotz Unterstützung aus der Türkei das Problem der rechtlichen Nichtanerkennung des Nordteiles durch die internationale Gemeinschaft. Des Weiteren hat sich die politische Situation durch die andauernden Konflikte in der Region um Zypern verändert. Neue wirtschaftliche Vereinbarungen und militärische Abkommen mit Nachbarstaaten, vor allem wegen der Öl- und Gasvorkommen rund um die Insel, steigern den Machtpoker weiter.

Dieses Gemenge aus Einflussfaktoren hat indirekt Einfluss auf UNFICYP und die täglichen Aufgaben in der Pufferzone. Vor allem die Liaison-Tätigkeit der Mission stellt eine eminent wichtige Rolle dar, da die Streitparteien bis dato keinen militärischen Kommunikationskanal besitzen. Es wird ausschließlich über UNFICYP kommuniziert, weil die Republik Zypern keine staatlichen Strukturen im Norden anerkennt. Diese Tatsache stellt den eigentlichen Zweck von UNFICYP heute dar, nämlich die Kommunikation zu gewährleisten und auftretende Probleme in der Pufferzone im Vorfeld zu entschärfen bevor es zu militärischen Auseinandersetzungen kommt. Das Potenzial für solche ist auf jeden Fall gegeben.

Für die österreichischen Soldaten stellt sich der UNFICYP-Einsatz gegenwärtig als eine spannende Friedensmission dar, wo man täglich mit neuen Problemen konfrontiert wird, die es mit diplomatischem Fingerspitzengefühl zu lösen gilt. Zusätzliche Herausforderungen sind das Arbeiten in einem internationalen Umfeld und die sommerlichen Belastungen durch extrem heiße Tages- und Nachttemperaturen auf der Insel. 

Oberstleutnant dhmtD Dr. Tamino Eder; von 2017 bis 2018 UN Liaison Officer National Guard.

Oberrat Major Mag.(FH) Michael Barthou, MA; Leiter Online-Medien beim TRUPPENDIENST.

 

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