• Veröffentlichungsdatum : 22.09.2016

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Wie der Torpedo entstand

Helmut W. Malnig

 

Die Erfindungen von Luppis, Whitehead, Obry und Gesztesy 

 

Kaum ein anderes Marinekampfmittel hat sich in seinem Grundaufbau und seinem Aussehen während ca. 140 Jahren so wenig verändert wie der Torpedo - und keines hat den Seekrieg bis weit ins 20. Jahrhundert stärker beeinflusst. Das ist allgemein bekannt. Weit weniger bekannt ist allerdings, dass der Torpedo in der Donaumonarchie bzw. von österreichischen Konstrukteuren und Offizieren entwickelt wurde.

Wegen des geringen Aufwandes und der relativ einfachen Lancierapparate revolutionierte der Torpedo den Kriegsschiffbau und die seetaktischen Überlegungen. Auch Österreich-Ungarn, damals eine europäische Groß- und Seemacht war davon betroffen. Wurde der Torpedo zuerst von Land und Schiff lanciert, so fand er im Unterseeboot den idealen Träger, das Flugzeug vergrößerte seine Einsatzmöglichkeit und die Rakete seine Reichweite und Allgegenwärtigkeit auf den Meeren. Wie entstand dieses Kriegsmittel, das von Anfang an stets die Grenzen der vorherrschenden Technologien verkörperte? Der Vorläufer des Torpedos ist die Seemine, die zuerst Torpedo genannt wurde. Das Wesentliche an der Seemine, die ortsgebunden ist, ist ihre Fähigkeit bei Auflaufen eines Schiffes eine Unterwasserexplosion auszulösen - sie ist rein defensiv und wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch „Defensivtorpedo“ genannt. Der eigentliche Torpedo muss erst das Ziel treffen - er wurde „Offensivtorpedo“ genannt. Mit dem Auftreten des Whitehead- Fischtorpedos wurde nur noch dieser „Torpedo“ genannt und die stationären Versionen „Seeminen“.

Der Torpedo und seine Hauptteile

Der Torpedo ist ein zigarrenförmiges Unterwasser-Geschoss mit Eigenantrieb und Selbststeuerung in zwei Ebenen, das von Unter- und Überwasserschiffen, von Flugzeugen und festen Küstenplätzen lanciert wird. Das Gehäuse ist heute aus nichtrostendem Metall - rostfreier Stahl wurde erst nach 1912 erfunden. Die Länge beträgt 6 - 9 m, sein Durchmesser variiert zwischen 35 und 60 cm. Nach Antriebsart unterscheidet man: gas -, dampf-, elektrisch und reaktiv angetriebene Torpedos. Ein moderner Torpedo beinhaltet komplizierte Instrumente und Gerätschaften, die seinen Tiefgang und seine Richtung in Einklang mit einem vorgegebenen Laufplan regeln oder in Antwort auf Signale, von einer externen Quelle empfangen, ebenso wie einen Mechanismus (Zündkette), der den explosiven Gefechtskopf zur Detonation bringt, wenn er sein Ziel trifft bzw. diesem nahe kommt. Die dadurch ausgelöste Unterwasserexplosion bewirkt die Beschädigung bzw. Vernichtung des Zielkörpers. Man unterscheidet nach der Laufbahn geradlaufende, manövrierende und zielsuchende Torpedos. Die Torpedolaufbahn ist von außen nur durch Gasblasen erkennbar, neuerdings auch elektronisch für Gegenmaßnahmen erfassbar.

Die Konstruktion musste funktionsfähig sein, minimalen Strömungswiderstand aufweisen, wasserdicht, korrosionsfest, optimal in Leichtbauweise und treffgenau sein. Sie musste eine große Berührungsfläche haben sowie eine zuverlässige Zündung aufweisen. Der Torpedo bestand um 1898 im Wesentlichen aus sechs Hauptteilen, die untereinander mit Längs- und Querschrauben verbunden waren und die in verschiedenen Konfigurationen innerhalb der Steven montiert waren:

1) Gefechtskopf mit Pistole, Kontaktzünder mit Zündkette sowie Sicherung, Sprengstoff. Er ist wasserdicht und demontierbar.

2) Gasdruckbehälter mit Luft oder Gas unter ursprünglich 25 atm. Druck - 1902 bereits 150 atm., dies war das Potential an Geschwindigkeit und Reichweite (s. Tabelle 1).

3) Tiefenapparatkammer ist fest mit dem Gasdruckbehälter verbunden, beinhaltet die Ventile, Wasser- und Brennstoffbehälter, Tiefenapparat und Gestänge bzw. Servomotor zum Tiefenruder.

4) Antriebskammer mit Hauptantrieb und Servomotoren, Druckverteiler-Ventil, Antriebswelle, nicht wasserdicht, bildet mit der

5) Auftriebskammer das sogenannte „Tunnelstück“, es enthält den Geradlaufapparat, sie ist wasserdicht durch ein Schott zur Antriebskammer mit Übertragungsgestänge zum

6) Schwanzstück bestehend aus dem Ballasttank - zur Erhöhung der Schwimmfähigkeit, den Flossen, dem Tief- und Geradlaufruder und dem Antriebspropeller. Im Wesentlichen besteht der Torpedo aus drei Einheiten: Gefechtskopf, Antriebsteil und Navigationssystem.

Vom „Brander“ zum Torpedo

Vom Altertum bis zum Ende der Segelschiffsära kamen „Brander“ (Bûrlot, Burlotto, Fire Ship) zum Einsatz. Diese waren meist mit brennbaren Materialien gefüllte Segelschiffe und -boote, die mit dem Wind oder der Strömung auf gegnerische Schiffe abgelassen wurden, vor allem um deren Takelage in Brand zu setzen und den Gegner so zumindest manövrierunfähig zu machen.

Den „Brandern“ folgten die Treib- und Schleppminen, deren mobile Weiterentwicklung der Torpedo (nach heutigem Begriffsverständnis) ist. Viele Erfindungen und Ereignisse haben die Entwicklung dieser Waffe beeinflusst, die wichtigsten davon sind hier chronologisch angeführt:

1776
baute der Amerikaner David Bushnell die „Turtle“, ein handbetriebenes Ein-Mann-Unterseeboot, das eine (erstmals „Torpedo“ genannte) Mine mitführte.
1801
demonstrierte der Amerikaner Robert Fulton, mit seinem Unterseeboot „Nautilus“ die Wirkung der Unterwasserexplosion.
1805
versenkte Fulton mit einem unter Wasser treibenden Katamaran die dänische Brigg „Dorothea“ bei Deal. Fulton entwickelte auch die Ankertaumine.
1811
konstruierte der französische General Henri-Joseph Paixhans bootähnliche Schwimmkörper mit Raketenantrieb, allerdings versagte deren Steuerung.
1846
erfand der Deutsche Christian Friedrich Schönbein die Schießbaumwolle.
1852
erfand Léon Foucault das Gyroskop.
1854 - 56
kamen im Krimkrieg „Torpedos“ genannte Sprengkörper zum Schutze Kronstadts zum Einsatz.
1859
verhinderten Minenfelder vor Venedig, Triest und Pola die Landung von Franzosen und Sarden (Einwohner Sardiniens; Anm.).
1860
verbesserte der österreichische Offizier Wilhelm Lenk von Wolfsberg die Schießbaumwolle.
1860
ließ der österreichische Fregattenkapitän Johann (Giovanni) Luppis das Modell des „Küstenretters“ („Salvacoste“) anfertigen.
1861
erhielt Pascal Plant das US-Patent Nr. 37 940 für den Raketenantrieb eines „Torpedos“.
1861 - 65
wurden im amerikanischen Sezessionskrieg auf beiden Seiten Seeminen eingesetzt, diese versenkten 26 Schiffe.
1864
versenkte das muskelkraftgetriebene Südstaaten-Unterseeboot „Hunley“ mit seinem Spierentorpedo die dampfbetriebene Nordstaaten-Korvette „Housatonic“ vor Charleston.
1862
versenkte Pascal Plant irrtümlich vor Präsident Lincoln den Schoner „Diana“.
1864
verminten die Dänen Alsen und Fünen. Der chemische Zünder der dänischen Minen war in einer Glasphiole untergebracht.
1864 - 66
entwickelten Johann Luppis und Robert Whitehead den „Fischtorpedo“.
1866
sicherte Österreich die Küsten von Venetien und Istrien durch unterseeische Minenfelder.
1867
stellten Luppis und Whitehead den propellergetriebenen Offensivtorpedo vor.
1868
baute Whitehead das „Secret“ als Tiefenkontrolle in den Torpedo ein.
1870 - 71
verwendete Preußen im Deutsch-Französischen Krieg den von den Brüdern Harvey (Großbritannien) erfundenen Otter-Torpedo (eine Schleppmine) zur Hafensicherung.
1871
baute der Amerikaner John Adams Howell einen von einem gyroskopischen Schwungrad angetriebenen Torpedo, dessen Präzision von Whitehead erst 1895 erreicht wurde.
1873
baute der schwedische Ingenieur Thorsten Nordenfelt den ersten Torpedo mit Elektromotor (betrieben von 108 Batterien). Dieser Torpedo hatte zehn Knoten (ca. 18,5 km/h) Höchstgeschwindigkeit und eine Reichweite von 3200 Metern.
1875
erfand Alfred Nobel das Dynamit.
1877
entging der peruanische Panzerkreuzer „Huascar“ auf 360 m Distanz knapp dem ersten Whitehead-Torpedo der britischen Fregatte „Shah“.
1877 - 78
tobte der Russisch-Türkische Krieg, in dem das türkische Kanonenboot „Initbah“ durch zwei Whitehead-Torpedos versenkt wurde.
1891
wurde im Chilenischen Bürgerkrieg erstmals ein Panzerschiff - die „Blanco Encalada“ (3 500 t) - durch zwei Torpedoboote versenkt.
1894
torpedierte und versenkte im Bürgerkrieg in Brasilien das Torpedoboot „Sampais“ das Turmpanzerschiff „Aquidaban“ (5 000 t).
1895
versenkten japanische Torpedoboote im Japanisch-Chinesischen Seekrieg das chinesische Panzerschiff „Ting-Yuen“ im Hafen von Wei-hei-wei.
1895
machte der (gyroskopische) Geradlaufapparat von Ludwig Obry den Torpedo zur hochseetauglichen, zuverlässigen und autonomen Waffe - auch auf große Entfernung.
1911
wurde von Linienschiffsleutnant Johann Gesztesy die innere Energie des Treibmittels erhöht.

Die Entstehung des Luppis-Whitehead Torpedos

Das Seekriegsszenario

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Segelschiffe, versuchte man den Gegner in der Flottenlinie durch Breitseiten- Salven manövrierunfähig - durch Entmasten oder Zerstörung der Segel - oder kampfunfähig zu schießen, um schließlich zu entern und zu kapern, d. h. das gegnerische Schiff, wenn möglich für sich nutzbar zu machen. In der zweiten Hälfte, der Zeit des Segel- und dampfgetriebenen Panzerschiffes, ging es wesentlich brutaler zu. Mittels Rammsporn, Granate, Mine und Torpedo - inzwischen gab es auch den Unterwassersprengstoff - wollte man den Gegner einfach vernichten bzw. versenken.

1866 stand Admiral Tegetthoff vor Lissa einer zahlenmäßig und artilleristisch überlegenen feindlichen Flotte unter Admiral Persano gegenüber. Notgedrungen musste er den Nahkampf durch Rammen suchen - und gewann die Schlacht! Danach wurde für Marinestrategen der Rammsporn zukunftsweisend für Schiffbau und taktische Überlegungen, die aber einem Rückschritt in die Antike gleichkamen. Erst nach unbeabsichtigter Versenkung mehrerer Großkampfschiffe durch Rammen während Manövrierens bei diversen Marinen begann man sich zu besinnen, trotzdem waren noch im Ersten Weltkrieg viele Großkampfschiffe mit der Ramme versehen. 1950 konnte wenigstens nachgewiesen werden, dass dies hydrodynamische Vorteile mit sich brachte.

Der Rumpf des Schiffes wandelte sich von der Holzkonstruktion über das gepanzerte Schiff (1860 „Warrior“, GBR) zum Panzerschiff (1872 „Redoutable“, FRA). Das langrohrige, gezogene Geschütz, vom Vorderlader zum Hinterlader entwickelt, das eine Spreng- oder panzerbrechende Granate zuerst aus Kasematten und dann aus Drehtürmen auf weite Entfernungen feuerte, war im ständigen Wettrennen mit der immer stärker werdenden Panzerung der Schiffe. Letztere wurden in diesem Teufelskreis immer größer und erforderten dadurch wiederum stärkeren Antrieb, Tonnage usw. Die Zeit des Navalismus (Politik der maritimen Aufrüstung) stand vor der Türe, der den Staaten immer höhere Budgets für den Flottenbau abverlangte - aus Prestigegründen und wegen scheinbarer gegenseitiger Bedrohung. Das Ende dieser sinnlosen Spirale war der Feuerkreis des Ersten Weltkrieges.

Zur passiven Sicherung von Häfen gab es die Mine, die damals noch Torpedo genannt wurde. Man sprach von defensiven und offensiven Minen, zu letzteren zählte der Harvey´sche Torpedo, der über Wasser geschleppt wurde und somit den Übergang von der Mine zum automobilen Torpedo darstellte, sowie der Spierentorpedo, dessen Einsatz heute mit Kamikaze verglichen werden könnte.

Die Entstehungsgeschichte

Während des Österreichisch - Französischen Krieges 1859 operierte die französische Flotte ungehindert in der nördlichen Adria. Venedig, Triest sowie die kroatische Küste wurden zur Verteidigung vorbereitet und Häfen erstmals vermint. Im Juni 1859 landete sogar die französische Flotte im Quarnero auf Lussin und in Fiume (Rijeka). Unter diesem Eindruck der Ohnmacht der Österreichischen Flotte unterbreitete Franz Pfeifer, ein Chemiker und Mechaniker, dem Oberbefehlshaber des adriatischen Raumes, Feldzeugmeister Graf Gyulai, den Vorschlag, einen schwimmfähigen Apparat bestehend aus zwei Zylindern mit konischen Begrenzungsflächen zu bauen. Der erste Zylinder sollte mit Pressluft für den Propellerantrieb und der zweite mit Sprengstoff gefüllt sein, der bei Kontakt des Perkussionszünders explodieren sollte.

1860 ließ Fregattenkapitän Johann Blasius Luppis, Kommandant der k.k. Fregatte „Bellona“, an Bord das Modell des „Küstenretters“ („Salvacoste“) anfertigen, eines gänzlich gedeckten Bootes von ca. sechs Metern Länge, das von einer Schraube angetrieben und dessen zwei parallele Ruder über Leinen von Land aus auf das Ziel gelenkt wurden. Es war mit Sprengstoff gefüllt, der über vier Perkussionszünder bei Auflaufen auf ein Ziel unter Wasser zur Explosion gebracht werden sollte. Mangels geeigneter Motoren verwendete er einen Federmotor - ein Fehlgriff!

1864 legte er die Erfindung dem Kriegministerium/Marinesektion (KM/MS) vor und ersuchte um Finanzierung der Weiterentwicklung. Trotz Vorführung des Modells in Gegenwart von Kaiser Franz Joseph, erhielt er eine Abfuhr aus Kostengründen und Zweifel am System.

Der Besitzer des Stabilimento Tecnico Fiumano (STF), der englische Ingenieur Robert Whitehead nahm sich auf Empfehlung des Kriegsministeriums und unter Mitwirken des Fiumaner Geschäftsmannes Giovanni di Ciotta der Erfindung an. Er erkannte aber die vielen Unzulänglichkeiten und entwickelte aus Luppis Idee den Fischtorpedo, wobei er der ursprünglichen Idee von Franz Pfeifer nahe kam. Er verwarf die vorgesehene Oberwasserfahrt wegen der störenden Dünung und Sichtbarkeit. Das Gerät wurde submarin, wobei die Lauftiefe vorerst durch ein Wasserdruckventil geregelt wurde.

Die Leinenlenkung der Ruder - das Letzte, was noch an Luppis erinnerte - verhedderte sich in der Schraube und wurde durch getrimmte Seitenruder und durch die Führung mittels Lanciergerätes ersetzt. Als Antrieb für die zweiflügelige Schraube diente eine zweizylindrige oszillierende Pressluftmaschine.

Am 20. Dezember 1866 wurde auf 370 Meter Entfernung vor einer Kommission, bestehend aus Erzherzog Leopold und Fregattenkapitän von Littrow ein Fischtorpedo lanciert. Die Vorführung war imponierend und trotz „Kinderkrankheiten“ vielversprechend. Am 15. April 1867 wurde zwischen dem KM/MS und den beiden Erfindern ein Vertrag geschlossen, der letzteren bei Versuchserfolg 200.000 Gulden zusprach sowie das Recht, die Erfindung auch an Dritte verkaufen zu dürfen.

Ende 1867 entwickelte Whitehead ein fixiertes Unterwasser-Lancierrohr, das in das alte Kanonenboot „Gemse“ unter der Wasserlinie eingebaut wurde. Der Torpedo wurde in eine Kammer eingeführt und darin hermetisch eingeschlossen. Nach Öffnen der Außenpforte wurde der Torpedo mittels eines von Pressluft getriebenen Stempels ausgestoßen, wobei er durch eine überstehende Leitknagge geführt wurde. Die laufenden Versuche zeigten, dass der hydrostatische Tiefenregler inadäquat war. Whitehead baute sein „Secret“ ein, indem er den Tiefenregler durch ein schweres Pendel, das über Hebelsysteme auf das Tiefenruder jeder Neigung sofort entgegen wirkte, ergänzte.

Bei einer Versuchsserie am 12. Juli 1867 waren unter 28 Lancierungen bei 670 Meter Entfernung 12 absolute Fehler und 16 Treffer innerhalb eines Netzes, das die Größe eines Kanonenbootes repräsentierte, d. h. 57 Prozent lagen im Ziel. Ziel und Lanciergerät waren verankert.

Whitehead konnte nun nachweisen, dass die Tiefenabweichung im Bereich von ± 15 Zentimeter lag. Zielgenauigkeit, Reichweite und Wirkung begeisterten die k.u.k. Marine, wenngleich auf eine Distanz über 400 Meter der Streubereich und die Geschwindigkeit für ein Seegefecht noch unzureichend waren. Am 27. und 28. August 1868 übergab Whitehead nach Abschluss der kommissionierten Versuche einen 35 cm- und einen 40 cm- „ Normaltorpedo“ mit Zeichnungssatz der k.u.k. Kriegsmarine. Damit lief aber auch das Vertragsverhältnis zwischen Whitehead und Luppis aus, deren Beziehungen sich zusehends verschlechterten.

Nach beeindruckenden Vorführungen bei der Britischen Admiralität in Sheerness erwarb Großbritannien im Februar 1871 den Torpedo. Obwohl die Royal Navy die neue Waffe als tückisch und unwürdig abgelehnt hatte („a damned unenglish weapon“), erkannte man den Trend und errichtete im Woolwich-Arsenal sofort eine Torpedo-Werkstätte. Das bedeutete den Durchbruch! Es folgten 1872 Frankreich, 1873 Italien und Deutschland, 1875 Skandinavien, 1876 Türkei und Russland und 1877 hatte der Rest der Welt, Japan und die USA eingeschlossen, den Torpedo angekauft.

Verbesserungen

Jede nationale Verbesserung des Torpedos wurde sofort übernommen und allgemein angewendet. In Woolwich wurde 1876 das gegenläufige Propellerpaar entwickelt, das die Geschwindigkeit des Torpedos von sieben (ca. 13 km/h) auf zwölf Knoten (ca. 22 km/h) erhöhte, dessen Drehung um die eigene Achse verhinderte und so für Laufstabilität sowie für eine höhere Reichweite sorgte. Ab 1872 kamen Dreizylinder-Pressluftmotoren (ebenfalls vom System Brotherhood Compound) sowie stärkere Druckbehälter serienmäßig zum Einbau und die Masse stieg von 136 auf 240 kg.

1875 führte die Royal Navy (schwenkbare) Überwasserlanciergeräte für Torpedos ein und 1883 entdeckte Dr. Robert E. Froude in den Versuchswerkstätten von Torquay (England) dass die Ogivenform (Spitzbogenform) strömungsgünstiger war als ein Spitzkegel. Darüber hinaus bot die neue Form auch mehr Platz für Sprengstoff. Ab 1890 waren die Gefechtsköpfe der Torpedos generell gerundet.

1895 adaptierte Ingenieur von Petravic den Geradlaufapparat von Obry für Whitehead. Der adaptierte Geradlaufapparat wurde 1898 zur Standard­ausrüstung. Auf eine (theoretische) Zielentfernung von sieben Kilometern senkte er die Abweichung auf einen halben Grad! Selbst große Eintauchwinkel beim Lancieren querab aus Überwassertorpedorohren konnten damit kompensiert werden. Das erhöhte die Einsatzschussweite auf vier Kilometer. Ab 1901 kam eine Heizung der Pressluftbehälter zum Einbau, um die Eisbildung bei tiefen Außentemperaturen zu verhindern (Oberst Victor von Scheliha hatte für eine Torpedoheizung bereits 1872 ein Patent erhalten). Die Heizung der Whitehead-Torpedos erfolgte durch Anwärmen der komprimierten Luft mit einem Gemisch aus verbranntem Mineralöl und überhitztem Wasserdampf.

Es ist festzustellen, dass Reichweite und Zielgenauigkeit des Torpedos bei gleicher Zieldistanz jener der schweren Schiffsartillerie gleichkam. Außerdem war es die erste „Stealth-Waffe“, denn durch das U-boot war der Torpedo allgegenwärtig - sein einziger Nachteil lag noch in der relativen Langsamkeit und im etwas schwerfälligen Nachladen.

Der Whitehead Fischtorpedo

Der erste Whitehead Torpedo war ein aus Stahlblech erzeugter, spindelförmiger Rotationskörper von 3,4 m Länge, 36 cm größtem Durchmesser und einem Gesamtgewicht von 136 kg. Er hatte in der Vertikalachse eine obere und untere Leitfläche, die 2,5 cm herausragte und sich achtern über dem Propellerschutz schloss. In der horizontalen Mittelebene ragten ebenfalls zwei kurze 2.5 cm breite Leitflossen heraus.

Die Spitze trug eine einfache Perkussionsvorrichtung für eine acht Kilogramm schwere Sprengstoffladung aus komprimierter Schießbaumwolle mit umgebender Initialladung. Die Tiefgangkammer enthielt die Urform des Tiefgangreglers, damals nur aus einer im Schott eingelassenen Membrane bestehend, einerseits spiralfederbelastet, um die Operationstiefe vorzugeben, und andererseits dem umgebenden Wasserdruck ausgesetzt. Beim Lancieren wurde ein Hebel gekippt, der über Gestänge den Luftregulator freigab, den Motor in Gang setzte und dann die Zündung aktivierte.

Die anschließende Maschinenkammer, von Seewasser zur Kühlung durchströmt, enthielt eine zweizylindrige, durch Pressluft getriebene, Brotherhood - Compound Maschine, die mittels Kurbel eine Welle mit einer zweiflügeligen Schiffsschraube antrieb. An jedem Zylinder war ein kleineres Kolbenschiebergehäuse das, mit ihm durch Kanäle verbunden, die Luft zuleitete. Ein Schieberkolben sorgte für die Regelung des jeweiligen Arbeitszylinders.

Es folgte der Druckbehälter, der weniger als 25 atm Luft enthielt. Er wurde vom Tunnelrohr, das die Schraubenwelle umfasste, durchzogen. Das Ausbalancieren des Torpedos erfolgte durch entsprechende Luftfüllung des Ballasttankes, sowie durch Bleigewichte.

Das achtere Ende wurde durch die Ballastkammer, durch die verstellbaren Seitensteuerflossen, den zweiflügeligen Propeller mit Verkleidung, das bewegliche Tiefenruder und eine Sperrvorrichtung zur Unschädlichmachung des Geschosses gebildet. Das Stevenrohr mit Tempiervorrichtung gab nach einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen den Sicherheitshebel über ein Gestänge zur Zündung frei, bzw. bei Zielverfehlung zum Versenken durch Öffnen des Versenkventils zwischen Ballast- und Maschinenraum und zur Deaktivierung des Gefechtskopfes. Der Torpedo sank unschädlich auf den Meeresgrund.

Zwei Geräte waren für die Präzision des Whitehead`schen Torpedos ausschlaggebend:
Der Tiefgangregler, wie schon vorher erwähnt, erwies sich bei geringen Tiefen als unzuverlässig. Whitehead unterstützte die Membranbewegung der Scheibe durch ein schweres Pendel, das mit geringem Ausschlag wie ein Dämpfer wirkte, der über Gestänge - später Servomotoren - auf die Horizontalruder übertragen, nur eine Tiefenabweichung von ± 15 cm zuließ. Whitehead´s Lösung wurde das „secret“ genannt.

Das zweite Gerät, der Geradlaufapparat von Obry, wurde erst 1895 eingeführt. Es war im Wesentlichen ein Gyroskop, das aus einem ca. 800 g schweren Schwungring mit einem Durchmesser von sieben bis acht Zentimetern bestand, dessen Achse parallel zur Torpedoachse kardanisch aufgehängt war. Beim Lancieren des Torpedos wurde das Schwungrad durch einen Spiralfederantrieb auf 2400 Umdrehungen pro Minute gedreht. Die freie Achse behält auf Grund der Kreiselbewegung die ursprüngliche Lage bei, auch wenn der Torpedo seine Achsrichtung ändert. „Wird dem Torpedo durch äußere oder innere Einflüsse eine Abweichung aus dem Curse aufgezwungen, so entsteht hiedurch eine Änderung der Achslage des Gyroskops im Torpedokörper; Letzteres reagiert auf den Servomotor, der die Seitensteuer sofort entsprechend stellt, um den Torpedo wieder in seinen Curs zu bringen. Hieraus erklärt sich auch, dass sich die Bahn, wie schon früher erwähnt, in ihrer Draufsicht schlangenförmig darstellt.“ (Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens; k.u.k. Hydrographisches Amt, Vol.XXIV, Nr.IX, Pola 1896, Karl Gerold´s Sohn in Wien, S 948/9).

Erst durch den Obry´schen Geradlaufapparat bekam der Torpedo die Treffsicherheit und Zuverlässigkeit, so dass er im Vergleich zur damaligen Schiffsartillerie sogar besser abschnitt. Auch die Torpedoangriffstaktik wurde in hohem Maße beeinflusst, da eine Zieldistanz größer als 400 Meter möglich wurde und ein Vorlaufwinkel von bis zu 90° eingestellt werden konnte.

Ein Nachteil lag damals noch in der Abnahme der Umdrehungszahl des federangetriebenen Gyros auf längerer Distanz und somit in dessen Wirkung auf die Regelflächen. Als der Gyro durch eine Luftdüse bzw. einem Elektromotor angetrieben wurde, konnte die Drehzahl und somit die Präzision weiter erhöht bzw. konstant gehalten werden.

1911 injizierte Linienschiffsleutnant Gesztesy in eine Kammer zwischen Luftbehälter und Motor ein Gemisch aus Wasser und Spiritus zur Verbrennung, wodurch aus dem bisher pneumatischen (kalten) ein thermodynamischer (heißlaufender) Torpedo wurde, in dem die so aufgeheizte Druckluft eine höhere Energie abgab. Die hohe Temperatur (ca. 220°C) bei der Verbrennung wurde durch entsprechende Motorenkühlung kompensiert.

1867 schloss Whitehead einen Vertrag mit der k.u.k. Marine ab, die jedoch trotz erfolgreich verlaufener Versuche auf den ausschließlichen Erwerb der Erfindung verzichtete obwohl ihr diese temporär eine gewisse Überlegenheit zur See gegeben hätte. Danach erwarben alle Staaten die Erfindung, auch der potentielle Gegner Italien, das 1882 dem Dreibund beitrat, so dass eine Periode relativen Friedens folgte. Die Hauptbestandteile, insbesondere die Mechanismen, sind von Anfang an geheim gewesen. Jeder Staat, der die Produktionsrechte gekauft hatte, musste sich zur Geheimhaltung des Zeichnungssatzes verpflichten.

Der Torpedo war als solcher nie patentiert, denn man fürchtete bei Offenlegung der Patentrechte Nachahmer zu bekommen und so einen Verlust für die heimische Industrie. Im deutschen Schwartzkopf - (engl.: Blackhead!) Torpedo, der später nach mysteriösen Vorkommnissen in Fiume (Einbruch, sowie Zerlegen eines Versuchstorpedos) entstanden war, hatte man nicht nur eine unerwartete Nachahmung, sondern auch eine unerfreuliche Konkurrenz im Verkauf, da er immerhin eine rostfreie Hülle aus Phosphor-Bronze aufwies!

Die Auswirkung auf den Seekrieg

Das neue Seekriegsszenario

Der Torpedo wurde von allen Seemächten sofort als entscheidende Waffe erkannt, denn inklusive des Abschussgerätes war er im Vergleich zu einem Geschützturm und dem Schaden, den er anrichten konnte, billiger und leichter unterzubringen. Es sah fast so aus, als könnten nun unbedeutende Seemächte selbst die größten herausfordern. Frankreich in steter Konkurrenz mit Großbritannien dachte für die Zukunft sogar nur an eine Torpedobootsflotte.

Kleine ungepanzerte Boote mit Torpedos als Hauptbewaffnung konnten bei ihrem Angriff auf ein wesentlich stärkeres Opfer dank ihrer überlegenen Geschwindigkeit und kleinen Signatur leicht entfliehen. Um sich ihrer zu erwehren, wurden kleinkalibrige Geschütze mit schneller Schussfolge auf allen Schiffstypen erforderlich. Aus dem gezielten Einzelschuss entstand der flächendeckende Torpedofächer. Es entwickelten sich zwei wesentliche Schiffstypen und taktische Angriffsweisen: Das schnelle Torpedoboot mit mehreren Torpedorohren und die hit-and-run Taktik. Anschleichen - feuern - und mit Höchstgeschwindigkeit davon! Im Ersten Weltkrieg eine bewährte Angriffstaktik der italienischen MAS.

Das Unterseeboot und der submarine Angriff. Ähnlich wie zuvor, aber das Opfer weiß noch weniger, wie ihm geschieht! Das Unterseeboot war hierfür der ideale Träger und verdankt dem Torpedo seine Existenz.

Die Gegenmaßnahmen

Aktiv: Wenn die Luftblasen eine Torpedobahn verrieten, waren die Gegenmaßnahmen wie Ausmanövrieren oder Beschuss mit Schnellfeuerwaffen meist zu spät. Am sichersten war es noch, die Abschussplattform vorher zu erfassen und zu bekämpfen, d. h. Sicherungsfahrzeuge wurden erforderlich:

  • gegen Torpedoboote: ( Torpedoboot-) Zerstörer mit Torpedos und Artillerie;
  • gegen U-Boote: U-Bootjäger mit Wasserbomben.

Neuerdings wird versucht, mittels Schockwellen den Torpedo bei seinem Zielanlauf zur vorzeitigen Explosion zu bringen. Trotz vieler widriger Faktoren scheint dieses System vielversprechend.

Passiv :

  • Torpedonetze aus Stahldrahtringen an schwenkbaren Spieren für Großkampfschiffe auf der Reede oder am Ankerplatz;
  • Netzsperren mit Minen für Hafeneinfahrten;
  • Konstruktive Maßnahmen im Schiffbau: längliche Ausbeulungen, die mit Brennstoff gefüllt werden konnten, doppelte Schiffsböden bei Großkampfschiffen und Torpedoschotte.

Das Phänomen der Unterwasserexplosion

Während die Granate auf Grund ihrer Ballistik im Gefecht eher die gepanzerten Schiffsaufbauten treffen kann – manchmal trotzdem mit letaler Wirkung – trifft der Torpedo unter der Wasserlinie die wesentlich schwächeren Konstruktionsteile des Schiffsrumpfes. Wegen der Dämmwirkung des Wassers sind Unterwasserexplosionen verheerender als jene in der Atmosphäre, daher werden Sprengstoffe hoher Energiedichte, aber von geringerer Brisanz verwendet.

Der Volltreffer

Durch den physischen Kontakt der Gefechtspistole mit dem Zielkörper wird die Detonation ausgelöst. Sie bewirkt ein Aufreißen der Rumpfhülle, lokale Zerstörung durch Druck- und Detonationswelle, Wassereinbruch, Destabilisieren und Beeinträchtigung der Längsfestigkeit bis zu deren Kollaps.

Der Abstandstreffer

Erst die moderne Sensorik erlaubte die stand-off Auslösung der Torpedoexplosion. Im Augenblick der Unterwasserexplosion propagiert in wenigen Millisekunden eine Schockwelle durch das Wasser. Diese Schockwelle bewirkt den ersten zerstörenden Impuls auf den Schiffsrumpf (Fig. a). 

Im Epizentrum der Explosion bildet sich eine Gasblase, die unter hohem Druck sehr schnell zu ihrem maximalen Volumen expandiert. Der Schiffsrumpf wird gehoben, biegt sich aufwärts und sein Kiel wird geschwächt (Fig. b). 

Nach Erreichen des Maximums kollabiert die Blase auf Grund ihrer Trägheit. Ihr Druck verringert sich gegenüber dem Umfeld und bewirkt einen Sog, so dass sich der Schiffsrumpf nach unten biegt (Fig. c). 

Während dieses Kollapses nähert sich die Blase dem Rumpf. In der letzten Phase des Kollapses bildet sich ein Strahl höchster Geschwindigkeit, der leicht den Rumpf durchstößt. Dieser Vorgang (Fig. d) stellt bei der Unterwasserexplosion wahrscheinlich den verheerendsten Zerstörfaktor dar. Die Blase kontrahiert und der obige Vorgang wiederholt sich bei schwindender Expansions- und Implosionsenergie oszillierend. Seine destruktive Wirkung ist entsprechend gering.

Eine rein militärische Nutzung

Faszinierend ist weniger die zerstörende Wirkung, die der Torpedo über sein ahnungsloses Opfer bringt, als dieses autonome technische Wunderwerk, das nach 150 Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Ein Torpedo beinhaltet jede Art neuester Technologie, Elektronik, Sensorik und Energieanwendung wie Gasdruck, Elektromagnetismus, Federkraft und Massenbeschleunigung.

Der Torpedo kann sowohl gegen Überwasser- und Unterwasserfahrzeuge als auch gegen Wasserbauten eingesetzt werden. Man darf auch nicht den psychologischen Faktor übersehen, der die beteiligten Seekriegsleitungen zu teuren Schutzmaßnahmen und zu Geleitzügen zwang. Irgendeine zivile, friedliche Anwendung mit Ausnahme in seiner Gyrokomponente konnte nicht erkannt werden.

Die Weiterentwicklung nach 1898

Das ferngesteuerte Sprengboot

Verschiedene Patente wie z. B. der Sam-Edison-Torpedo 1880, USA und von Siemens- Schuckert 1906, letzterer drahtlos, wurden Ende des 19. Jahrhunderts für kabelgesteuerte Sprengboote eingebracht. 1916 wurden von der Lürssen - Werft, Bremen-Vegesack, kabelgesteuerte Fernlenkboote (FL 1 - 17) gebaut, die mit 28 - 30 Knoten Fahrt und einer Nutzlast von 700 kg TNT erfolgreich zum Einsatz kamen. Die Steuerung von Siemens erfolgte über 20 km Kabeldraht.

Die Boote FL12, 13, 15, und FL 16 wurden auf drahtlose Flugzeugsteuerung von Siemens - Halske umgebaut, welche die Reichweite auf 180 km bei Höchstfahrt vergrößerte. Der Versuch Österreich-Ungarns in die Entwicklung einzusteigen, wurde 1918 vom Reichsmarineamt abgebrochen. Im Zweiten Weltkrieg wurde von allen beteiligten Seemächten nur auf eine bemannte Version des Sprengbootes zurückgegriffen, bei welcher der Pilot vor der Zielphase in Sicherheit gebracht werden sollte - meist zu spät! Heute erlebt das kleine, extrem schnelle Sprengboot, mit Elektronik und Sensoren gespickt, als „USV“ (Unmanned Surface Vehicle) seine Renaissance.

Der moderne Torpedo

Der Leitgedanke: Eine ausreichende Sprengladung ohne großes Eigenrisiko unter dem Kiel des Gegners zu zünden – also ohne direkten Kontakt zum Ziel. Einmal lanciert, erfasst der moderne Torpedo das Ziel und steuert es selbsttätig bis zum Treffer an. Dazu besitzt er alle Zielsucheinrichtungen passiver und aktiver Art sowie Abstandszündgeräte. Der Gefechtskopf ist heute mit HE-Sprengstoff, Hohlladung oder nuklear gerüstet. Der Torpedo ist weitgehend spur- und geräuschfrei und weist einen elektrischen oder thermodynamischen Antrieb mit Sauerstoffreservoir auf. Aber auch die Rakete (Subroc!) erlaubt seinen schnellen ballistischen Transfer bis zum Eintauchen knapp vor dem Ziel, um die Unterwasserexplosion zu bewirken. Moderne Torpedos erreichen Geschwindigkeiten von 50 - 60 Knoten und Reichweiten von 25 - 30 Seemeilen.

Die Gegenmaßnahmen erfassen heute nicht nur die Abschussplattform, sondern es gibt bereits den superkavitativen Antitorpedo-Torpedo, in Entwicklung bei Penn State Applied Research Lab. Als schiffsbauliche Maßnahme bietet der Katamaran wegen seines geringen Eintauchens - nur 10 - 15 Prozent vom Normalbau - und seiner hohen Geschwindigkeit den besten Passivschutz.

Das Gyroskop heute

Die Evolution des verfeinerten Obry´schen-Apparates führte zu zuverlässigen Instrumenten für die Navigation, Flugsicherheit und Weltraumfahrt. Überall, wo es um die Stabilisation auf Grund einer veränderlichen Bewegungslage geht, findet das Gyroskop seine Anwendung.

Dies erfolgt bei allen Schiffen in der Navigation und für die Rollstabilität. 1896 entwickelte Sperry daraus den Kreiselkompass und 1916 den ersten Gyro-Autopiloten. Die Zielsicherheit von Langstreckenraketen, aber auch jene von Panzerfahrzeugen und Kampfflugzeugen (Zielgeräte) und der Hauptbewaffnung von Kriegsschiffen, - die österreichische Tegetthoff - Klasse hätte die erste mit Gyroskop gesteuerte Artillerie der Welt haben können, hätte dies die k.(u.)k. Marine nicht trotz positiv verlaufener Tests abgelehnt! -, beruht auf der Wirkung des Gyroskops.

Lebensläufe

Vertreter von vier Nationalitäten waren an der Erfindung des Torpedos beteiligt: k.k. Fregattenkapitän Johann Luppis Ritter von Rammer war Italo-Österreicher aus Fiume. Der Engländer Robert Whitehead, Erfinder und Industrieller, lebte in Fiume und arbeitete jahrzehntelang im Auftrage der k.k. Marine. Der Triestiner Ludwig Obry war Konstrukteur der k.k. Kriegsmarine und k.k. Linienschiffsleutnant Johann Gesztesy war Ungar.

Johann Luppis Ritter von Rammer

Johann Blasius (Giovanni Biagio) Luppis wurde am 28. Jänner 1813 als Sohn eines Marineoffiziers in Fiume (heute Rijeka) geboren. 1835 absolvierte Luppis das Marinekollegium in Venedig und trat 1837 als Marinekorpskadett in die Kriegsmarine ein. 1845 avancierte er zum Schiffsfähnrich und 1848 zum Fregattenleutnant. Nach Einsätzen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer nahm er 1848/49 auf der Fregatte „Bellona“ an der Blockade Venedigs teil. 1851 wurde er Schiffsleutnant, 1853 Korvettenkapitän und 1857 Fregattenkapitän. 1859 kommandierte er vor Dalmatien die Fregatte „Venus“ im Sardinisch-Französischen Krieg. Als Kommandant der Fregatte „Bellona“ ließ er 1860 das Modell des „Küstenretters“ („Salvacoste“) anfertigen. 1861 demissionierte er als Kapitän der „Bellona“ und erhielt für seine Erfindung den Orden der Eisernen Krone 3. Klasse. Nach der Präsentation seiner Erfindung vor dem Kaiser nahm Luppis 1864 Verbindung mit Ingenieur Robert Whitehead auf und entwickelte mit diesem den 1866 vorführungsreifen Whitehead-Fischtorpedo. 1869 wurde Luppis in den Ritterstand erhoben, 1875 starb er in Torrigia (Lombardei).

Robert Whitehead

Robert Whitehead wurde am 3. Jänner 1823 in Bolton-le-Moors (Lancashire, Großbritannien) geboren. 1837 schloss er die Grammar School ab, besuchte danach eine Privatschule, wurde Lehrling bei seinem Onkel in Manchester und absolvierte in der Freizeit die Ingenieursausbildung am Mechanical Institute in Manchester. 1843 folgte er seinem Onkel nach Marseille und wurde später Konstrukteur in einer Werft. 1847 zog er in das damals österreichische Mailand (Milano) und arbeitete dort an Maschinen zur Seidenherstellung. 1849 ging Whitehead als Konstrukteur zum Österreichischen Lloyd nach Triest. 1856 wurde er Direktor der Werft und Maschinenfabrik Stabilimento Tecnico Fiumano in Fiume (Rijeka), dort konstruierte er österreichische Kriegsschiffe. Ab 1864 arbeitete er an der Entwicklung des Fischtorpedos und stellte 1866 den ersten brauchbaren Torpedo her. 1868 wurde Whitehead geadelt (Baron). 1873 kaufte er die zuvor bankrottgegangene Werft/Maschinenfabrik und gründete zusammen mit Graf Georg Hoyos die Silurificio Fiumano. Whitehead verbesserte 1876 den Torpedolauf bzw. dessen Tiefgang durch einen Servomotor und baute 1895 das Gyroskop von Ludwig Obry zur besseren Richtungskontrolle ein. Am 14. November 1905 starb Whitehead in Becket (Berkshire, Großbritannien).

Ludwig Obry

Ludwig Obry wurde am 22. August 1852 in Triest geboren, maturierte 1870 an der Oberrealschule in Görz (Gorizia) und lernte Schiffbau in Triest. Er arbeitete 1872 als Praktikant bei der Werft Stabilimento Tecnico Trieste und danach über zehn Jahre als Zeichner für die Kriegsmarine. Ab 1882 arbeitete er bei Whitehead in Fiume und ab 1884 bei der Firma Burri in Triest. 1885 wurde er Provisorischer Konstruktionszeichner 1. Klasse („privat: ledig, ohne Vermögen“) und 1886 Effektiver Konstruktionszeichner; als solcher hatte er „… einige Kenntnisse im Hochbau sowie die Fähigkeit, leichtere Konstruktionen im Torpedowesen durchzuführen“. Das reichte aber offenbar für die Konstruktion eines brauchbaren Geradelaufapparates (Gyroskops). Die „Geradlaufsteuerung für Torpedos“ wurde 1894 patentiert. Obry trat 1896 aus der k. u. k. Kriegsmarine aus und konstruierte danach bei der Maschinenbaufirma Ing. Ludwig von Petravic (in Wien-Hernals) Kreiselanlagen. 1906 entwickelte er dort ein später ebenfalls patentiertes kreiselgesteuertes Richtsystem für Artilleriewaffen („Obry’scher Geschützabfeuerungsapparat“). Obry starb am 2. November 1942 in Triest. (Von Obry ist weder ein Foto noch ein Portrait bekannt.)

k.k. Linienschiffsleutnant Johann Gesztesy

Geboren am 24. 11.1865 in Güns, Ungarn; Besuch der Marineakademie in Fiume 1884 Seekadett 2. Kl.; 1889 Linienschiffsfähnrich, 1897 Linienschiffsleutnant 2. Kl.; 1898 wurde er Leiter der Evidenzkanzlei des Matrosenkorps; 1900 Linienschiffsleutnant 1. Kl.; 1903 – 1905 befasste er sich mit seinen Erfindungen, die den Torpedo Antrieb betrafen; 1904 Beurlaubung wegen schwerer Gesundheitsschäden, verweilte in vielen Heilanstalten; 1905 – 1907 Zusammenarbeit mit Ing. von Petravic, Wien, der einen verbesserten und vereinfachten Lufterhitzer erzeugte; 1905 legte er dem MTK eine Konstruktion für einen Torpedo-Turbinenmotor vor; 1908 Versetzung in den Ruhestand, er bekam zu seiner Pension noch eine gleichhohe Apanage für seine Verdienste; 1915 starb er in Wien, halbseitig gelähmt und sprechunfähig. Er hatte seine Gesundheit und sein gesamtes Vermögen für seine Erfindungen sowie zu deren Verteidigung geopfert. Wegen der Patentstreitigkeiten für den Torpedo-Lufterhitzer mit Armstrong kam er um den verdienten Erfinderlohn. Laut dem Marinehistoriker F. Bilzer: „Ein typisches österreichisches Erfinderschicksal“!

Auf einen Blick

Johann Luppis führte aus taktischen Überlegungen eine von Franz Pfeifer vorgetragene Idee im Modell aus. Dieses lief auf der Wasseroberfläche, war durch ein Uhrwerk angetrieben und mittels Reeps ferngesteuert. Es war das erste ferngelenkte Sprengboot (USV)!

Der geniale und vielseitige Ingenieur Robert Whitehead, inspiriert von Luppis, entwickelte daraus in Zusammenarbeit mit ihm den automotiven Torpedo und dafür eine Lanciervorrichtung. Er erkannte den „stealth“-Faktor des Unterwasserangriffes, der die dritte Dimension mit sich brachte aber auch eine Menge von Schwierigkeiten: Tiefen - und Seitenregelung sowie diverse Effekte beim Lancieren. Es gelang ihm, alle Probleme zu lösen und eine funktionsfähige Waffe zu entwickeln, die von äußeren Effekten unabhängig wurde. Aber erst die Anwendung des Gyroskops von Ludwig Obry gab dem Torpedo die Laufstabilität, um ein angepeiltes Ziel zu treffen. Die Erhöhung der inneren Treibstoffenergie durch Johann Gesztesy verlieh dem Torpedo schließlich die zum schweren Geschütz konkurrenzfähige Reichweite.

Das Zusammenwirken dieser vier Marinetechniker führte trotz vieler Nachahmungen und Parallelentwicklungen wie z. B.: Brennan, Ericsson und Howell, zu dem kompaktesten Waffensystem des 19. Jahrhunderts, das mit der Grundidee nicht mehr viel gemein hatte. Der Seekrieg im 20. Jahrhundert war von der letalen Wirkung des Torpedos, der bis heute nahezu unverändert geblieben ist, geprägt.

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Torpedokonferenz Rijeka 2016

Summary

In 1864 the Imperial -Royal frigate captain Giovanni Luppis presented the functional model of an automotive, rope-guided explosive boat –the “coast-saver”.

The same year the English engineer Robert Whitehead from Fiume (Rijeka) was entrusted with its further development by Austrian naval authorities. Considering the pros and cons, in 1866, he manufactured a fully submersible automotive, launcher-stabilized weapon the “Whitehead fish-torpedo”, differing very much from the original idea.

1895 the Austrian naval designer Ludwig Obry from Trieste implemented his gyroscope by which the set course of the torpedo was finally stabilized. At the end of the 19th century the torpedo with all its complex machinery and instruments, which have hardly been changed to date represented a top achievement in technology. Still in 1911, Lt.Cdr. Johann Gesztesy increased the internal fuel energy. The pneumatic torpedo mutated to a thermodynamic one.

Dipl.-Ing. Helmut W. Malnig

 

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