• Veröffentlichungsdatum : 06.10.2021
  • – Letztes Update : 20.10.2022

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Blackout in Tulln

Christoph Fuchs

Ein Blackout kann jederzeit passieren. Die Gesellschaft in Österreich ist stark von der Stromversorgung abhängig, auf ihr stützt sich unser gesamtes Leben. Doch auch wenn der Strom ausfällt, sind wir nicht allein. Das Österreichische Bundesheer ist gemeinsam mit Einsatzkräften der Feuerwehr und Polizei auf diesen Notfall vorbereitet. Um das zu zeigen, fand am 30. September 2021 auf der Donaubühne in Tulln eine einmalige Veranstaltung statt: „Blackout – Der Herzschlag-Event unserer Republik“.

Es dämmert bereits stark, als ich in Tulln, gut 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung, ankomme. Nachdem ich einen der letzten Parkplätze in der Parkgarage gefunden habe, marschiere ich Richtung Donaubühne. Es ist viel los. Menschen drängeln sich mit gezücktem Smartphone in der einen und Tickets in der anderen Hand zu den Soldaten vor, die den Einlass und die 3G-Nachweise kontrollieren. Anschließend suche ich die richtige Tribüne und nehme Platz. Es ist ein angenehm kühler Abend. Die Nacht ist bereits hereingebrochen – noch ein paar Minuten bis es beginnt. Die Bühne, voll mit Militärmusikern, ist eine imposante Kulisse. Scheinwerfer leuchten über die Köpfe der Besucher. Noch. Ein Helikopter fliegt über das Gelände Richtung Osten.

Imposantes Orchester

Auf der Rückwand der Bühne ist eine Leinwand, auf der der Titel der Veranstaltung projiziert wird: „Blackout – Der Herzschlag-Event unserer Republik“. Pünktlich um 20:00 Uhr gehen die Lichter aus. Ein digitaler grüner Pulsschlag blitzt über die Leinwand. Ein Kurzfilm startet. Ich sehe eine Familie, die der Blackout beim gemeinsamen Abendessen überrascht. Tag 1, 19:20 Uhr. Sofort wird mit einer Kerze Licht gemacht, ein Kurbelradio versorgt die Familie mit Informationen. Währenddessen gehen auch beim Bundesheer die Lichter aus, allerdings nur für drei Minuten, dann ist man wieder funktionsfähig und beginnt mit der Einsatzplanung. Früh am nächsten Morgen (Tag 2, 05:41 Uhr) begeben sich die Soldaten zu ihren Fahrzeugen. Sie beginnen damit, die Einsatzkräfte mit Strom und Treibstoff zu versorgen. Zwischendurch gibt es Tipps, was bei einem Blackout nützlich sein kann:

  • Radio mit Batterien (Autoradio);
  • Taschen- bzw. Stirnlampen mit Ersatzbatterien;
  • Kerzen, Zünder, Feuerlöscher, Kohlenmonoxidmelder;
  • Wasser (Zwei Liter pro Person und Tag für bis zu fünf Tagen), Getränke, Tee, Kaffee;
  • haltbare Lebensmittel (Nudeln, Reis, Konserven etc.) für zwei Wochen;
  • wichtige Medikamente für zwei Wochen und Erste-Hilfe-Ausrüstung;
  • Hygieneartikel, Müllsäcke, Klebebänder, Kabelbinder;
  • Gaskocher, Griller, Brennpaste, etc.;
  • Bargeld in kleinen Scheinen und Münzen;
  • Schlafsäcke, Decken und warme Kleidung;
  • Spiele, Blöcke, Kugelschreiber;
  • ein halb getanktes Auto.

Während im Video die Familie mit den Kindern beim Brettspielen beschäftigt ist, arbeiten Feuerwehr und Bundesheer eifrig daran, die Stromversorgung wiederherzustellen und Gefahrenquellen (Chemieanlagen, Verkehrschaos etc.) abzusichern. Als nach wenigen Tagen wieder die Lichter angehen, ist die Familie erleichtert. Dann endet der Film und das Licht kehrt auf die Bühne zurück. Die Militärmusiker beginnen zu spielen. Die Ouvertüre aus „Lohengrin“ von Richard Wagner. Ewa Placzynska, die Moderatorin, stellt sich vor und begrüßt zahlreiche Gäste. Unter anderem sind Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Bürgermeister Peter Eisenschenk und mehrere hochrangige Offiziere des Bundesheeres anwesend. Wieder ertönt Musik, dieses Mal ein Medley von Hits aus den 1980ern.

Die Militärmusiker verstehen es, das Publikum in Stimmung zu versetzen. Es folgt eine moderne Version des dritten Satzes „Presto“ aus „Die vier Jahreszeiten“ mit Unterstützung von „The Pillers“, zwei serbisch-stämmigen Brüdern aus Wien. Die beiden Virtuosen, ein Violinist und ein Akkordeonspieler, versuchen sich nach dem Vivaldi-Klassiker gegenseitig zu übertrumpfen und spielen immer schneller. Immer rasanter wird musiziert, immer gebannter blicken die Besucher auf die Bühne. Manche fragen sich schon, was das alles mit einem Blackout zu tun hat. Ungeduld liegt in der Luft. Nach der Vorstellung der Brüder, verkündet die Moderatorin eine sanfte Warnung: „Egal was heute passiert, bitte bleiben Sie ruhig und bitte bleiben Sie auf jeden Fall sitzen – speziell in den ersten Reihen.“ Skeptische, teils nervöse Blicke werden unter den Zuschauern ausgetauscht. In den nächsten Minuten würde es zu „relativ viel Bewegung kommen“, so Placzynska. 

 

Einsatz in der Dunkelheit

Nun erfolgt ein Auszug aus dem Ballett „Spartakus“ und ein Teil der Walküre von Richard Wagner. Diese werden unter zuerst violett-oranger, dann blauer Beleuchtung vom Orchester vorgetragen. Die Besucher warten auf den angekündigten „Blackout“ und den Einsatz des Bundesheeres. Das Spektakel wird von hellen Scheinwerfern, bunter Beleuchtung und bombastischer Klassik dominiert. Als die Musiker nach der Walküre aufhören zu spielen, wird es finster. Ein rhythmisches Piepsen, ähnlich dem eines Herzmonitors, ist zu hören. Auf der Leinwand erscheint ein grüner digitaler Pulsschlag, sonst ist alles schwarz. Der Blackout ist da. 45 Minuten nach Vorstellungsbeginn. Ich denke an die Worte der Moderatorin: „Mit einem Blackout muss man immer rechnen!“

Nach einiger Zeit flimmert Blaulicht über die Köpfe des Publikums. Ein Polizeiauto und ein Fahrzeug der Militärpolizei treffen ein. Die Fahrer begrüßen sich mit einem Handschlag. Unter schwerer Musik fahren Soldaten mit einem Aggregat vor die Bühne. Dieses liefert Strom, um einen Scheinwerfer zum Leuchten zu bringen. Nun sieht man mehr, trotzdem bleibt es dunkel. Helfer des Zivilschutzverbandes und Soldaten schwärmen aus. Sie verteilen Stoffbeutel mit Konserven unter den Besuchern. Helikopter fliegen über die Tribünen. Auf der tiefschwarzen Donau brettern mit grellen Scheinwerfern ausgerüstete Boote über das Wasser. Dann eine Explosion. Der Knall schreckt einige Besucher auf. Eine Feuersäule erhellt das gegenüberliegende (nördliche) Ufer der Donau. Sofort macht sich die Feuerwehr auf den Weg, um zu löschen. Ein Hubschrauber wirft Wasser über die restlichen Flammen ab. Polizei und Militärpolizei marschieren durch die Reihen der Besucher. Die Militärpolizisten sind in „voller Montur“, inklusive Helm und Schutzweste. Soldaten des Jagdkommandos seilen sich von einem Hubschrauber ab. Sie landen auf einem Schiff neben der Bühne und sichern mit Sturmgewehren bewaffnet das Oberdeck.

Die Musik spielt lauter und es wird wieder dunkler. Eine C-130 Hercules fliegt überraschend leise von Süden nach Norden über die Bühne und zieht alle Blicke auf sich. Sie kreist einmal über die Donau, die Köpfe des Publikums folgen ihr. Dann setzt – völlig überraschend – das Konzert wieder ein. Zu „Let Me Entertain You“ ziehen die Einsatzkräfte ab. Am Himmel wird es wieder still. Die Bühne erstrahlt in pinkem Licht und Cesár Sampson, drittplatzierter beim Eurovision Song Contest 2018, liefert den Gesang zum Hit von Robbie Williams. Das Bundesheer hat das Konzert gerettet!

The Show must go on

Da der Strom wieder fließt, kann die Show weitergehen. Moderatorin Ewa Placzynska kündigt die nächsten Künstler an. Die deutsche Sängerin Marjan Shaki singt in rotem Glitzerkleid „Ich gehör nur mir“ aus dem Musical „Elisabeth“. Dann tritt Opernsänger Herbert Lippert auf. Er singt die Arie „Nessun dorma“ von Giacomo Puccini. Seine kräftige Tenorstimme lenkt von der mittlerweile kalten Nacht ab. Nach mehreren Liedern von Udo Jürgens (Siebzehn Jahr', blondes Haar, Mit 66 Jahren, Aber bitte mit Sahne, …) folgen weitere Gesangseinlagen von Marjan Shaki, Cesár Sampson und Herbert Lippert. Schließlich ertönt der Donauwalzer als klassischer musikalischer Abschluss. Kräftiger Applaus belohnt die Musiker, während die Organisatoren des „Herzschlag-Events“ die Bühne betreten.

In ihren Schlussworten erinnert Verteidigungsministerin Klaudia Tanner an den Sinn der Veranstaltung: Die Vorbereitung auf einen Blackout. Risiken wie dieses, könne man nur bewältigen, wenn man „Seite an Seite“ stehen würde. Der eindrucksvolle Abend endet mit einem Dankeschön von Tanner an die Einsatzkräfte und einer Zugabe des Orchesters in Form des Radetzkymarsches. Als die Lichter der Bühne ausgehen, machen sich die Besucher wieder auf den Weg.  Die Veranstaltung hat länger gedauert als gedacht – es ist bereits nach 22 Uhr. Als ich die Tribüne hinuntersteige, denke ich an den Stoffbeutel, den wir bekommen haben. Die Konserve darin enthält Vollkornroggenbrot mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum: 30. August 2031. „Das wird gleich gebunkert –für den Fall der Fälle“, denke ich mir.

Ohne Strom gäbe es keine Konzerte, kein Internet und keine Infrastruktur, so wie wir sie kennen. Ein Blackout trifft jeden! Die Aufgabe des Bundesheeres ist es staatliche Organisationen bei einem Notfall zu unterstützen, damit diese funktionieren. Hilfs- und Rettungsorganisationen müssen auch bei einem weitläufigen Stromausfall einsatzbereit sein. Es ist gut zu wissen, dass das Österreichische Bundesheer auch bei einem Stromausfall zur Stelle ist. Eines darf man aber nicht vergessen: Die Bevölkerung muss bei einem Blackout wissen, was zu tun ist und auf sich selbst Acht geben. Gerade bei Krisen ist eine gute persönliche Vorbereitung wichtig. Deshalb ist es notwendig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen bevor es eintritt. TRUPPENDIENST befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit diesem Szenario. Der Themenschwerpunkt Blackout bietet eine breite Auswahl an Beiträgen, um im Fall der Fälle darauf vorbereitet zu sein.

Themenschwerpunkt Blackout

Christoph Fuchs, BA ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

 

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