• Veröffentlichungsdatum : 14.07.2016
  • – Letztes Update : 28.06.2017

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Reliquiensaal der Urkatastrophe

Gerold Keusch

Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien verfügt über einzigartige Artefakte der österreichischen Geschichte. Einige davon haben sogar den Lauf der Weltgeschichte beeinflusst. Ein Saal im Museum lässt die Besucher besonders tief in die Anatomie des Ersten Weltkrieges blicken. Er ist dem Schicksalstag des 20. Jahrhunderts, dem Attentat von Sarajewo, gewidmet. 


Schulschluss Ende Juni 2016. Zwei Tage vor der Zeugnisverteilung herrscht reger Betrieb im Heeresgeschichtlichen Museum. Viele Klassen nutzen die letzten Schultage für gemeinsame Exkursionen. Im Eingangsbereich stehen Schüler mit ihren Lehrern. Diese erklären ihnen, was sie bei den diversen Ausstellungen erwartet und vor allem wie sie sich zu verhalten haben. Danach übernimmt ein Museumsführer die Klasse und entschwindet in eine Ecke des Museums. 

Franz Joseph-Saal

Neben dem Eingangsbereich, der Feldherrenhalle mit ihren prunkvollen Statuen im Erdgeschoss, befindet sich ein Vorraum. Dieser beherbergt die Sonderausstellung „125 Jahre HGM“, die sich der Geschichte des Museums widmet. Von hier aus gelangt man über ein paar Stufen in eine Halle, in der vor allem die Uniformen aus der Kaiserzeit ins Auge stechen: Der Franz Joseph-Saal. Zwischen zwei Vitrinen sitzen die Schüler einer Klasse auf dem Boden. Vor ihnen steht ein Museumsführer, der eine Karte in der Hand hält. Auf dieser ist die Habsburgermonarchie mit ihren Volksgruppen eingezeichnet.

„Seht ihr die verschiedenfarbigen Flächen auf der Karte? Das sind die Völker, die damals in Österreich gelebt haben“, erklärt der Museumsführer der Klasse. „Die roten Flächen zeigen die Deutschsprachigen, also die Österreicher. Die anderen Farben stehen für die weiteren Völker des Habsburgerreiches. Neben den Ungarn waren vor allem die Slawen bedeutend. Den verschiedenen slawischen Volksgruppen wollte der Thronfolger eine größere Bedeutung zukommen lassen. Dazu sollte es jedoch nicht kommen“. Warum Franz Ferdinand seine Pläne nicht verwirklichen konnte, wird im nächsten Raum erklärt, der dem Attentat von Sarajevo gewidmet ist. Er ist der vermutlich bedeutendste Bereich des Museums und beherbergt die „Reliquien“ der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Sarajewo-Saal

„Thronfolger Franz Ferdinand besuchte ein Manöver in Bosnien in der Nähe von Sarajewo. Diesen Besuch empfanden die Serben als Provokation. Sie waren und sind neben den Kroaten und den muslemischen Bosniaken die dritte große Volksgruppe in Bosnien. Im Gegensatz zu den Kroaten und Bosniern wollten sie aber zum Staat Serbien und nicht zu Österreich gehören. Deshalb rekrutierte eine serbische Organisation, die Schwarze Hand, eine Handvoll junger Nationalisten. Ihr Auftrag: Den Thronfolger töten“, erklärt ein anderer Museumsführer einer Klasse von Schülerinnen, die interessiert zuhören.

Die Zeitungen in Sarajewo hatten damals ein Thema: Den Besuch von Erzherzog Franz Ferdinand in der Stadt am 28. Juni 1914 nach dem Ende des Manövers. Der geplante Ablauf des Besuches wurde genau beschrieben. Das lag auch im Interesse der österreichischen Verwaltung vor Ort. Möglichst viele Menschen sollten den zukünftigen Kaiser sehen und ihm zujubeln. Unter den Schaulustigen waren auch die Attentäter. Schlecht ausgebildet, aber umso entschlossener den Thronfolger umzubringen, postierten sich fünf von ihnen an der Cumurija-Brücke neben dem Fluss Miljacka.

Der 28. Juni ist ein besonderer Tag in Serbien. An diesem Datum fand 1389 am Amselfeld bei Pristina im Kosovo eine bedeutende Schlacht statt. Serbische Truppen kämpften damals gegen eine türkische Streitmacht und verloren, woraufhin die Türken große Teile des Balkans besetzten. Bei den Serben gilt die Schlacht am Amselfeld als Ereignis, bei dem sich ihre Nation für das christliche Abendland aufopferte. Deshalb ist dieser Tag für sie heilig. Wie weit der Besuch des Thronfolgers, ausgerechnet zu diesem Datum, der Anlass für das Attentat war, ist umstritten und bleibt Spekulation. Förderlich war es sicherlich nicht, dass sich Franz Ferdinand gerade an diesem Tag in in Sarajewo aufhielt.

Das erste Attentat

Um etwa 1015 Uhr kommt der Thronfolger mit der Autokolonne an der Cumurija-Brück vorbei. Vier Attentäter machen nichts. Nedjelko Cabrinovic, der als letzter postiert ist, lässt sich die Chance jedoch nicht entgehen und wirft eine Handgranate. „Franz Ferdinand hat jedoch erkannt, dass etwas ins Auto geworfen wird und instinktiv versucht, das Ding abzuwehren. Das gelang ihm mit dem Ellenbogen“, erzählt der Museumsführer den Schülerinnen. 

Die Handgranate fiel daraufhin auf das Verdeck des offenen Autos und von dort auf die Straße hinter den Wagen. Sie verfehlte ihr eigentliches Ziel und detonierte vor dem nachfolgenden Auto. Die Splitter kann man im Heck des Fahrzeuges, mit dem der Erzherzog fuhr, deutlich erkennen.

Ein kleinerer Splitter fügte Herzogin Sophie einen Kratzer im Hals zu. Oberstleutnant Merizzi und ein zweiter Offizier, die sich im dahinter fahrenden Auto befanden sowie einige Passanten wurden jedoch schwerer verletzt. Eine Handgranate, System Kragujevac, wie sie Cabrinovic damals verwendet hat, befindet sich in einer Vitrine neben dem Auto im Saal des Museums.

Am Abend des Vortages hatte Franz Ferdinand noch überlegt, ob er den Besuch in Sarajewo am nächsten Tag nicht absagen sollte. Er hatte Sehnsucht nach den Kindern. Der Adjutant des bosnischen Gouverneurs, Oberstleutnant Merizzi, überredete ihn jedoch zu bleiben, um die Bewohner der Stadt nicht zu kränken. Er versicherte dem Thronfolger, dass die Stadt sicher wäre. Nun wurde Merizzi selbst zum Opfer des ersten Attentats.

Im Rathaus

Nach dem ersten Attentat setzt die Kolonne mit dem Thronfolger so schnell es ging die Fahrt weiter fort. Durch die schnelle Fahrt des Konvois sollte ein zweites Attentat vermieden werden. Ein Ziel, das sich rasch bewegt, ist schwerer zu erkennen und auch schwerer zu bekämpfen. Der Weg führt die rasende Kolonne vorbei an Gavrilo Princip. Dieser hat bei der Lateinerbrücke, etwa hundert Meter vom Platz des ersten Attentats entfernt, seine Position bezogen. Er war der Kopf der Bande und der radikalste unter ihnen. Falls der Thronfolger noch leben würde, wollte er ihn dort erschießen. Das konnte er nicht - die Kolonne war zu schnell.

Im Rathaus, dem nächsten Punkt im Besuchsprogramm, wird der zukünftige Kaiser vom Bürgermeister der Stadt, dem habsburgfreundlichen und loyalen Muslim Fehim Curcic begrüßt. Franz Ferdinand verliert dabei die Beherrschung: „Da kommt man nach Sarajewo und man wirft auf einen mit Bomben. Das ist empörend!“ Der Besuch im Rathaus dauert nicht einmal zehn Minuten, viel kürzer als geplant. Der Thronfolger fasste dennoch den Entschluss, das Programm wie geplant fortzusetzen. Ob er sich der Gefahr bewusst war oder nicht, bleibt ungewiss. Angeblich soll er gemeint haben: „Wir werden heute noch ein paar Kugerln bekommen“.

Vielleicht war es auch so, wie es der Museumsführer der Klasse erzählt: „Erzherzog Franz Ferdinand wollte vermutlich nicht zeigen, dass er Angst vor möglichen Attentaten hatte und setzte sein Besuchsprogramm in der Stadt fort.“ Es gab jedoch zwei Änderungen: Erstens wollte er Oberstleutnant Merizzi, der beim ersten Attentatsversuch verwundet wurde, im Militärspital besuchen und zweitens sollte die Fahrtroute geändert werden.

Ab der Lateinerbrücke wollte man nicht, wie ursprünglich geplant, durch die Stadt fahren, sondern entlang des Flusses. Damit wollte man die größte Gefahr, die Kreuzung an der Lateinerbrücke meiden. Dort hätte die Kolonne Richtung Altstadt abbiegen müssen, wodurch sie deutlich langsamer geworden wäre. Der Gehsteig vor der Gemischtwarenhandlung Schiller wäre der perfekte Platz, um ein Attentat auf den zukünftigen Kaiser zu verüben. Wer allerdings nicht von der geänderten Route informiert wurde, waren die Kraftfahrer der Kolonne, die aus sechs Fahrzeugen bestand.

Das zweite Attentat

Der Thronfolger und die anderen Gäste nehmen Platz in ihren Autos und die Kolonne fährt los. Neben dem Erherzog stellt sich Graf Harrach auf das Trittbrett des Autos. Er war ein enger Vertrauter Franz Ferdinands und wollte ihn so schützen. Dem Grafen gehörte auch das Auto, auf dessen Trittbrett er nun stand. Er war Mitglied des freiwilligen Automobilkorps. Dessen Mitglieder stellten der k.u.k. Armee ihre Privatfahrzeuge im Krieg, aber auch bei Manövern zur Verfügung. Harrach hatte sich mit dem Fahrzeug nach Bosnien fahren lassen, damit es dort dem zukünftigen Kaiser zur Verfügung stand.

Das Auto, ein 28/32 Doppelphaeton der Wiener Automobilfabrik A.G. Gräf & Stift befand sich seit 1910 im Besitz des Grafen. Das Auto hat einen 5,9 Liter Vierzylindermotor mit einer Leistung von 32 PS. Für die damalige Zeit war es ein schnelles und luxuriöses Fahrzeug.

An der Kreuzung bei der Lateinerbrücke steht ein verbitterter junger Mann, der seinen Plan den Thronfolger zu töten, an diesem Tag wohl nicht umsetzen kann. Langsam findet er sich damit ab, dass Franz Ferdinand den 28. Juni 1914 wohl überleben wird. Gavrilo Princip sollte irren. Vor dem Rathaus war die Kolonne des Thronfolgers wieder in Fahrt gekommen. Sie fährt entlang des Flusses Miljacka und biegt bei der Kreuzung an der Lateinerbrücke in die Altstadt ab. Plötzlich stoppt die Kolonne. Der Wagen mit Franz Ferdinand und Sophie steht direkt vor der Gemischtwarenhandlung. Die Kraftfahrer haben versehentlich die ursprüngliche Route genommen. In der Aufregung hatte man vergessen, ihnen den neuen Weg mitzuteilen. Feldzeugmeister Oskar Potiorek, als Gouverneur von Bosnien auch für den Besuch des Erzherzogs verantwortlich, bestand darauf, dass die neue Route unbedingt zu fahren ist. Deshalb schieben die Fahrzeuge in der Kolonne nun zurück.

In der Kreuzung vor dem Eingang der Gemischtwarenhandlung, praktisch neben dem Auto mit dem Thronfolger, steht Princip. Der Kraftfahrer versucht retour zu schieben. Eine schwierige Angelegenheit mit einem Fahrzeug das fünf Pedale hat und bei dem sich die Handbremse und die Schaltung neben der Autotür befinden. Während der Kraftfahrer an Hebeln zieht, Pedale drückt und in Spiegel blickt, nutzt der Attentäter seine Chance. Princip denkt einen Augenblick darüber nach, ob er eine Handgranate, die er am Gürtel trägt, in das Auto werfen soll. Dann greift der Attentäter in seine Jackentasche und zieht seine Pistole.

Princip schießt und trifft das Auto. Er ist ein schlechter Schütze und verfehlt sein Ziel, den Thronfolger. Er trifft lediglich die Autotüre rechts hinten. Sofort schießt er ein zweites Mal. Er sieht jedoch nicht, ob er sein Ziel getroffen hat. Nach eigenen Angaben hat Princip nicht einmal auf den Wagen geblickt. Die Menge um ihn herum reißt ihn zu Boden und schlägt auf ihn ein. Während der Attentäter am Boden liegt, sackt Franz Ferdinand in den Sitz des Autos. Der Erzherzog stand nach dem ersten Schuss auf, um seine Gattin zu schützen. Nun ist er von einer Kugel in den Hals getroffen. Neben ihm ist sein Frau Sophie zusammengesunken. Der erste Schuss hat nicht nur die Türe getroffen. Das Geschoss hat das Blech durchschlagen, sich dabei verformt und Sophie im Unterleib getroffen.

Das Projektil verursachte zahlreiche schwere Verletzungen, woraufhin die Herzogin das Bewusstsein verlor und kurz darauf innerlich verblutete. „Sopherl, Sopherl, stirb mir nicht. Bleib für unsere Kinder“, soll Franz Ferdinand zu ihr gesagt haben, als sie auf seinen Schoß sinkt. Dann kippt sein Kopf nach vorne. Graf Franz Harrach, der neben ihm steht, versucht den Kopf des Thronfolgers zu stützen. Auf die Frage des Grafen, ob er sehr leide spricht der Erzherzog seinen letzten Satz: „Es ist nichts“. Diese Worte wiederholt er einige Male mit immer leiser werdender Stimme. Dann verliert er das Bewusstsein. So schilderte Graf Harrach, die dramatischen Geschehnisse in seinem Wagen. Ob Franz Ferdinand nach dem Treffer in der Halsschlagader noch ein Wort hätte sagen können, wird jedoch von Ärzten und Historikern bezweifelt.

Während der Tragödie im Wagen schluckt Princip eine Giftkapsel. Er erbricht diese jedoch und versucht ein drittes Mal zu schießen - dieses Mal auf sich selbst. Das gelingt ihm nicht. Die wütende Menschenmenge reißt ihm die Pistole aus der Hand und prügelt weiter auf ihn ein.

Zwei Zufallstreffer

Gavrilo Princip, ein 19jähriger Gymnasiast, war kein geübter Schütze, und hatte nur eine kurze Schießausbildung. Dennoch waren die beiden Schüsse, die er abgab, tödlich. Bei einem späteren Verhör gab er an, dass er die Herzogin Sophie nicht treffen wollte. Vielmehr wäre Oskar Potiorek, der bosnische Gouverneur, der neben dem Thronfolger saß, sein Ziel gewesen.

Die Pistole, die er bei dem Attentat verwendete, ist eine M1910/12 System Browning, mit einem Kaliber von 9 mm. Sie wurde von der belgischen Firma Fabrique Nationale d’Armes de Guerre (kurz FN) in Lizenz gefertigt und im Dezember 1913 nach Belgrad geliefert. Die Pistole wurde in Belgien bis zum Jahr 1983 für den europäischen Markt produziert. Die Waffe war besonders bei der Polizei und dem Militär gefragt. In einigen Armeen wurde sie als Offizierswaffe verwendet.

Die Waffe, mit der Princip die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts auslöste, wurde nach dem Gerichtsverfahren an den Jesuitenpater Peter Puntigam übergeben. Dieser wollte ursprünglich einen Gedenkraum zu Ehren Franz Ferdinands und Sophie in Sarajevo einrichten. Wegen des Krieges konnte der Pater sein Vorhaben jedoch nicht verwirklichen. Heute befindet sich die Pistole mit der Seriennummer 19074 mit der das Thronfolgerpaar getötet wurde im Heeresgeschichtlichen Museum. Dort liegt sie neben zwei baugleichen Waffen, die den anderen Attentätern gehörten, neben der Kragujevac Handgranate in einer Vitrine hinter dem Auto.

Nach diesem Attentat fährt der Wagen mit den beiden Sterbenden in den Konak, den Amtssitz des bosnischen Gouverneurs. Sophie starb vermutlich noch im Auto. Die beiden leblosen Körper werden in den ersten Stock des Gebäudes in die Amtsräume von Oskar Potiorek getragen.

„Die Ärzte haben sofort mit der Behandlung des Thronfolgers begonnen. Aufgrund der starken Blutung dachten sie, dass er im Herz getroffen worden sei und schnitten ihm den Uniformrock auf“, erklärt der Museumsführer. Franz Ferdinand trug am 28. Juni 1914 einen Waffenrock mit seinem Dienstgrad, General der Kavallerie, und eine Uniformhose mit scharlachroten Seitenstreifen (Lampassen). Beide Kleidungsstücke liegen heute in einer Vitrine im Sarajewo-Saal. Sie befinden sich seit dem 22. Juli 1914 als Dauerleihgabe der Familie Hohenberg vor Ort. Seit damals zählen sie zu den zentralen Erinnerungsobjekten des Museums.

Neben der Uniform liegen der Stulphut mit grünem Federbusch, die weißen Rehlederhandschuhe und die Stiefeletten, die Franz Ferdinand an dem Tag trug. Nicht nur auf der Uniform sind die ersten Blutspuren des Ersten Weltkrieges zu sehen, sondern auch am Ärmel und der Hose. Den tatsächlichen und tödlichen Einschuss, der dem Thronfolger die Halsvene zerriss und die Luftröhre verletzte, erkennt man nur schwer. Er befindet sich bei der Naht des rechten Kragenansatzes unterhalb der drei Generalssterne.

„Es war aber nicht das Herz, das getroffen wurde, es war der Hals. Das erkennt man am besten an dem Hemd, das der Thronfolger beim Attentat trug“, erläutert der Museumsführer während er die Klasse um die Vitrine sammelt „Hier sieht man ganz genau wo der Einschuss erfolgte: in die Halsschlagader“. Das blutverschmierte Hemd trug Franz Ferdinand am Tag seiner Ermordung unter der Uniform. Der Jesuitenpater Peter Puntigam, der die letzte Ölung am Leichnam des Erzherzogs vornahm, erwarb es, wie die Attentatspistole vom Gericht in Sarajewo. 90 Jahre lagerte das Hemd im Archiv des Jesuitenordens in Wien, bis es dem Museum als Dauerleihgabe übergeben wurde. Licht, Feuchtigkeit und Sauerstoff zersetzen jedoch die Blutspuren. Deshalb kann das Hemd nur an wenigen Tagen im Jahr ausgestellt werden.

Die Klasse verlässt den Saal. Die Schülerinnen gehen weiter in die nächste Halle, die der Folge des Attentats gewidmet ist: dem Ersten Weltkrieg. Franz Ferdinand sieht ihnen dabei streng zu, jedoch von einem Gemälde aus. Dieses zeigt ihn als Kaiser von Österreich in der Galauniform eines Feldmarschalls mit jenen Orden, die er als Herrscher des Habsburgerreiches getragen hätte. Die Orden wurden nach dem Tod Franz Ferdinands übermalen und kamen erst bei einer Restaurierung des Gemäldes wieder zum Vorschein. Die blassen Orden des verhinderten Kaisers sind genauso angedeutet, wie seine Regentschaft. Diese endete noch bevor sie begann auf der Liege, die heute unter dem Portrait steht. Auf dieser starb er im Büro von Oskar Potiorek in dessen Amtssitz, einige Minuten nach dem Attentat um etwa elf Uhr.

Resümee

„In ganz Europa gehen die Lichter aus, wir werden sie wohl nie mehr leuchten sehen.“ So kommentierte der britische Außenminister Edward Grey den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, einen Monat nach dem Attentat von Sarajewo. „Unter einen Glassturz lasse ich mich nicht stellen“, soll Franz Ferdinand gemeint haben, als man ihn vor der Reise, in seinem Büro im Belvedere über die Sicherheitslage in Bosnien informiert hatte. Beide sollten irren.

Im Heeresgeschichtlichen Museum stehen jene Objekte, die vor mehr als hundert Jahren die Lichter in Europa ausgehen ließen, heute in gedämpftem Scheinwerferlicht. Die sterblichen Überreste von Erzherzog Franz Ferdinand liegen in der Gruft im Schloss Artstetten. Seine Uniform und andere Gegenstände, die mit seinem Tod verbunden sind, befinden sich jedoch hinter Glas in einer Vitrine im Heeresgeschichtlichen Museum. Als zentrale Erinnungsstücke führen sie die Besucher zurück zum 28. Juni 1914. Der Tag an dem die Ersten Schüsse eines vier Jahre langen Weltkrieges fielen, bei dem die alte Ordnung Europas zu Ende ging.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur bei TRUPPENDIENST.

www.hgm.at 

www.schloss-artstetten.at 

Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este

Artikelserie: Der Erste Weltkrieg in Europa

 

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