Wachausbildung für ziviles Personal
Die Wachausbildung für Zivilbedienstete des Bundesheeres wird seit zwei Jahren in der Heeresmunitionsanstalt Großmittel durchgeführt. Diese wurde neu gestaltet, um zu berücksichtigen, dass ziviles Personal nicht immer militärisch geschult ist.
Die Inhalte der Curricula wurden mit einem klaren Fokus auf die nationalen und internationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen formuliert. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Rechten der Betroffenen, der Verhältnismäßigkeit beim Einschreiten, der fachlichen Bildung und persönlichen Weiterentwicklung der Kursteilnehmer sowie auf praxisorientierten Gefahrenszenarien. Grundsätzlich wird in der Ausbildung ein praxisnaher Ansatz verfolgt und die Anwendungen einfach gehalten. Das bedeutet, dass Normabläufe durch intensive Übungen praktisch umgesetzt werden, um mögliche Friktionen zu erleben und zu verstehen. Das zivile Wachpersonal soll in die Lage versetzt werden, die Amtshandlungen rechtskonform durchzuführen und unbescholten aus den zwingend folgenden Gerichtsverfahren zu treten. Damit soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Hoheitsverwaltung und ihre Organe gestärkt werden, um kritische Medienkampagnen gegen das Bundesheer zu verhindern.
Rechtsgrundsätze
Ein wichtiger Punkt für die Planung von Ausbildungsinhalten und deren Umsetzung bei Ausbildungsprojekten des Bundesheeres ist die klare Unterscheidung zwischen Einsätzen in Kriegs- und Friedenszeiten. Dies wird bereits im § 2 des Wehrgesetzes festgelegt.
Der Beruf des Soldaten ist mehr ein Handwerk als eine Wissenschaft. Das gilt auch für Zivilisten, die Soldatenpflichten übernehmen wie die Bewachung von militärischen Gebäuden und Gütern. Während die Hauptaufgabe des Soldaten darin besteht, sich auf den Kampf vorzubereiten, um ihn im Idealfall nicht führen zu müssen, sind die Maßnahmen der militärischen Wachen im Frieden so konzipiert, dass das Wachpersonal unter normalen Umständen nicht gezwungen ist, Gewalt anzuwenden.
Die Lehrveranstaltung „Gesetzliche Bestimmungen“ zielt darauf ab, dass die Kursteilnehmer die Paragraphen des Militärbefugnisgesetzes (MBG) in eigenen Worten wiedergeben und diese als militärische Organe im Wachdienst rechtskonform anwenden können. Das MBG ist nicht nur die Grundlage für alle weiteren Module, sondern auch der alleinige Maßstab für jedes Handeln. Abweichungen, Fehlinterpretationen oder Unterlassungen werden gerichtlich sanktioniert. Denn Urteile zu Ungunsten der Organe können deren private Lebensverhältnisse nachhaltig beeinträchtigen.
Vorgaben
Um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, erarbeiten die Kursteilnehmer neben dem abstrakten Gesetzestext konkrete und gerichtlich festgelegte Umsetzungsanleitungen in Form von Rechtssätzen aus den Erkenntnissen von Berufungssenaten. Diese Ausarbeitungen müssen präsentiert, und das gewonnene Wissen beim Szenarientraining angewendet werden. Nach dem Abschluss müssen die Kursteilnehmer ihre Amtshandlung mit den Worten des MBG nachvollziehbar erklären und im Kontext mit den Handlungen der betroffenen Person begründen. In Bezug auf die rechtlichen Erkenntnisse wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der fehlenden Rechtsprechung des MBG ausschließlich auf Berufungserkenntnisse des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) zurückgegriffen wird.
Verhältnismäßigkeit
Die Herausforderung der Verhältnismäßigkeit bereitet nicht nur Kursteilnehmern, sondern auch erfahrenen Polizeibeamten in der praktischen Anwendung oftmals Schwierigkeiten. Militärische Organe im Wachdienst sind nicht verpflichtet, Befugnisse anzuwenden oder diese mit Zwang durchzusetzen. Sie dürfen es jedoch tun, wenn die Situation dies rechtfertigt. In einem konkreten Szenario stellte ein Zivilwächter einen Einbrecher. Der Angreifer widersetzte sich den Handlungen des Wachorganes und versteckte sich. Das Verhalten war, dass die Kursteilnehmer ihren erlernten Funkspruch absetzten und anschließend den Täter suchten, um ihn festzunehmen. Durch dieses Vorgehen setzten sich nahezu alle militärischen Organe einer unnötigen Gefahr für sich selbst und andere aus. Dabei verletzten sie, gemäß ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das Gebot des Maßhaltens (Verhältnismäßigkeit). Dieses geht davon aus, wenn der Auftrag zur Abwehr des Angriffes erfolgreich erledigt war, eine Verfolgung eines Täters nicht unter die Befugnisausübung fällt und die Organe daher ohne eine weitere Gefahr für alle Beteiligten auf Verstärkung hätten warten können. Außerdem geht der Gerichtshof davon aus, dass mit dem Eintreffen der Verstärkung der Angreifer die Aussichtslosigkeit eines weiteren Widerstandes erkennt und sich ohne Anwendung von Gewalt stellt.
Herausforderungen in der Praxis
Eine bedeutende Fähigkeit im Wachdienst ist es, Gefahren frühzeitig zu erkennen, die richtige Gefahrenprognose zu erstellen und die Amtshandlung mit entschiedenem, überzeugendem und rechtskonformem Eingreifen abzuschließen. Bei jeder Amtshandlung sollte die betroffene Person bereits im Voraus die Aussichtslosigkeit ihres Widerstandes gegenüber dem einschreitenden Wachorgan erkennen.
Herausforderungen für die Ausbildung
Die derzeit durchgeführte Form der Wachausbildung für Zivilbedienstete kann einem wesentlichen Aspekt der Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht werden. Ein geeignetes Modul zur Gewaltprävention und Konfliktbewältigung bei Amtshandlungen nach dem MBG fehlt. Die Berücksichtigung des Aspektes der Verhältnismäßigkeit, nämlich die Vermeidung einer Eskalation durch geschicktes Verhalten, Auftreten und angemessene Gesprächsführung, sollte zeitlich und inhaltlich im Lehrplan ergänzt werden.
Verhaltensnormen
Den zahlreichen Motiven und Möglichkeiten eines Angreifers stehen genauso viele potenzielle Fehlentscheidungen des Wachpersonals gegenüber und damit das Risiko des Scheiterns. Das richtige Zeitfenster und die Auswahl rechtskonformer Maßnahmen und Mittel sind in einer Gefahrensituation begrenzt. Bei der Erfüllung des Auftrages agiert das Wachpersonal in einem engen Rahmen. Wird eine Gelegenheit nicht erkannt und genutzt, gerät es in eine nachteilige Lage und muss auf eine neue Chance hoffen, die sich im weiteren Verlauf der Ereignisse ergeben könnte. Das Ziel des Kurses ist deshalb, korrekte Verhaltensnormen zu entwickeln und diese zu trainieren (Kommunikationstraining).
Die Herausforderung besteht darin, die genormten Abläufe bei wechselseitigen Handlungen anzuwenden. Den Kursteilnehmern soll vermittelt werden, dass die Theorie lediglich einen Anhaltspunkt bietet. Wie in einer Situation reagiert werden sollte, muss der Kursteilnehmer aus den Gesetzmäßigkeiten der Praxis selbst herausfinden. Er muss sein Vorgehen an seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten anpassen und sicherstellen, dass er immer drei sichere Haltepunkte hat und den nächsten Schritt vorausschauend plant.
Praktisches Beispiel
Ein Angreifer nähert sich dem Wachorgan mit einer Stichwaffe bis auf nahe Distanz. Aufgrund seines exzessiven und aggressiven Verhaltens prognostiziert das Wachorgan eine unmittelbare schwerwiegende Bedrohung. Nach Abwägung der Rechtsnormen bleiben ihm zwei Handlungsoptionen. Eine Möglichkeit ist der Präzisionsschuss auf nahe Entfernung, um den Angreifer durch einen Treffer an den Extremitäten außer Gefecht zu setzen. Die andere Option wäre, nach dem Scheitern weiterer Deeskalationsversuche einen Schnellschuss aus nächster Entfernung abzugeben, mit ungewissen Folgen für alle Beteiligten.
Beide Lösungen sind verhältnismäßig, wobei der Unterschied im handwerklichen Können des Wachorganes liegt. Nur ein gut ausgebildeter und schießtechnisch versierter Wächter kann zeitnah zwischen den Optionen wählen, da er auch unter Anspannung einen Gegner zielsicher bekämpfen kann. Ein unsicherer Schütze wird versuchen, einen Waffengebrauch hinauszuzögern, und Option zwei wählen, selbst wenn dies ein hohes Risiko für die eigene Unversehrtheit mit sich bringt.
Richtige Vorbereitung
Für die Verantwortlichen in der Ausbildung des Österreichischen Bundesheeres bleibt aufgrund fehlender praktischer Erfahrung oft nur die Möglichkeit, Praktiken und die dazugehörige Rechtsprechung von Exekutivorganen zu übernehmen und diese täglich anzuwenden. Ihre Verhaltensnormen sowie Einsatzgrundsätze werden regelmäßig von Gerichten überprüft und in der Regel bestätigt.
Die Herausforderung für alle Ausbildungsverantwortlichen und die Kursleitung besteht darin, die Kursteilnehmer darauf vorzubereiten, in Gefahrensituationen rechtskonform zu handeln. Darüber hinaus gilt es, das Wachpersonal nach einer Amtshandlung auf die folgenden Niederschriften und Rechtsverfahren vorzubereiten.
Waffengebrauch
Die Wachausbildung orientiert sich nicht an Angriffen durch Profis, sondern an Bedrohungen im relativen Frieden und den Gefahren, die in solchen Situationen zu erwarten sind. Die Ausbildung an der Waffe und das Schießprogramm des Bundesheeres sind normiert und entsprechen den Anforderungen eines militärischen Einsatzes. Die speziellen Anforderungen des Wachdienstes wurden jedoch bisher nicht ausreichend berücksichtigt. Eine entscheidende Abweichung von der Norm ergibt sich aus der Gesetzeslage.
Schussabgabe
Das Militärbefugnisgesetz (MBG) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schließen die absichtliche Tötung von Menschen aus. Die Zielscheiben im Schießtraining haben Balken und Ovale auf Höhe der Brust, die getroffen werden sollen. Dies konditioniert das Wachpersonal auf die Schussabgabe auf tödliche Körperstellen. Ebenso problematisch ist die vorgesehene Abgabe von zwei Schnellschüssen, da dies der Absicht des Gesetzgebers zur Verhältnismäßigkeit beim Schusswaffengebrauch widerspricht. Sobald ein Angriff abgewehrt ist, sollte der Angreifer in der Regel handlungsunfähig sein. Jeder weitere Schuss könnte die Amtshandlung rechtswidrig machen und den Schützen bei einem Strafprozess einer Verurteilung aussetzen.
Lebensgefährlicher Waffengebrauch
Ein entscheidender Inhalt der Wissensvermittlung in der Wachausbildung für ziviles Wachpersonal umfasst die Vermeidung des lebensgefährlichen Waffengebrauches, der nur unter wenigen, genau definierten Ausnahmen in einem Rechtsstaat möglich ist. Es gilt, sowohl einen zu frühen oder unrechtmäßigen Waffengebrauch zu verhindern als auch in Stresssituationen eine gezielte, aber nicht tödliche Schussabgabe zu gewährleisten. Ebenso strikte Vorgaben gelten für die Anwendung von Zwangsgewalt, nicht lebensgefährlichem Waffengebrauch und für die allgemeine Befugnisausübung.
Nach Absolvierung der Schul- und Einzelgefechtsschießübungen sind angepasste Übungen für das Wachpersonal geplant bzw. befinden sich noch in Ausarbeitung für nachfolgende Kurse.
Selbstverteidigung
Selbstverteidigung ist zwar ein Jedermannsrecht, kann jedoch im Dienstbetrieb rechtlich nicht einfach angewendet werden. Militärische Organe im Wachdienst zählen zu den militärischen Rechtsgütern gemäß MBG. Daher fallen Angriffe auf sie grundsätzlich unter § 6a MBG Abwehr von Angriffen. Das Jedermannsrecht unterliegt denselben Bestimmungen wie der Waffengebrauch als Mittel der Ausübung von Zwangsgewalt.
Die Grundtechniken der Selbstverteidigung werden unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angewendet. Diese Techniken, wie die Ausbildung an der Pistole 80, gehören zu den Schulungsinhalten, die wiederholt geübt werden müssen. Zudem beinhaltet dieses Modul das Handhaben und den situationsbedingten Einsatz von Abwehrsprays als mindergefährliche Waffe.
Bei der Festlegung der Ausbildungsinhalte waren zwei Faktoren maßgebend: Einerseits stehen den entsendenden Dienststellen kaum sinnvolle und nachhaltige Möglichkeiten zur Verfügung, das erlernte Können aufrechtzuerhalten. Eine Vertiefung ist praktisch nicht möglich. Andererseits musste berücksichtigt werden, dass die körperlichen Fähigkeiten der Teilnehmer unterschiedlich sind. Daher wird die Selbstverteidigung in zwei Phasen vermittelt. In der ersten Phase werden Hebel, Tritte und Abwehrtechniken vorgestellt und den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben, für sie angepasste, angenehme und leichte Techniken auszuwählen. Erst in der zweiten Phase werden diese Techniken verfeinert und ihre Anwendung in verschiedenen Körperhaltungen und mit einem sich bewegenden Gegner geübt.
Ziel der Selbstverteidigungsausbildung ist es, dem Wachpersonal Sicherheit zu vermitteln, damit es sich bei überraschenden oder unmittelbar bevorstehenden Angriffen durch Reaktionen jene Zeit verschafft, um seine Waffe einzusetzen oder durch Ausweichen die Kontrolle zu erlangen.
Interaktives Szenarientraining
Die praktische Zusammenführung aller Lehrveranstaltungen sowie der Vorschriften, Erlässe und Gesetze erfolgt im interaktiven Szenarientraining. Diese einsatznahe Ausbildung ist von zentraler Bedeutung für den Kurs. Die Teilnehmer sollen Kommunikationstechniken zur Gewaltvermeidung und -prävention anwenden können. Unter Berücksichtigung der Eigensicherung sowie im gefechtstechnischen Vorgehen sollen sie rechtskonform entsprechend dem MBG und den Vorschriften entsprechend handeln und ihren Wachauftrag vor, bei und nach Angriffen erfüllen.
Dieses Modul ist nicht nur für die Kursteilnehmer eine Herausforderung, sondern auch für das Ausbildungspersonal in Bezug auf die Planung, Auswahl der Szenarien, Durchführung und Nachbesprechung der Ereignisse. Ein grundlegender Mangel bei den Szenarien ist die fehlende Schulung von Kommunikationstechniken zur präventiven Deeskalation von drohenden oder außer Kontrolle geratenen Aggressionen der Handelnden im Geschehen.
Fazit
Die Auswahl der Szenarien erfolgt derzeit zufällig. Obwohl sie dem Berufsbild entsprechen und praxisnah sind, fehlt ihnen die normative Aussagekraft, die Assoziationen zur allgemeinen Fallbearbeitung zulassen würden. Hier steht die Entwicklung noch am Anfang und wird erst in den kommenden Jahren abgeschlossen sein. Welche Szenarien standardisiert im Modul einzuführen sind, kann nur am Schreibtisch entschieden werden. Daher ist es nötig, Lösungen zu erarbeiten und Kriterien für realistische und angepasste Szenarien zu entwickeln.
Nach erfolgreicher Absolvierung des Kurses sollte der Kursteilnehmer seinen Auftrag und die Aufgabenstellungen als militärisches Organ im Wachdienst selbstständig, rechtskonform, unter Einhaltung gefechtstechnischer Grundsätze sowie des Eigenschutzes erfüllen können und Angriffe auf militärische Rechtsgüter unter Anwendung von Zwang und/oder Zwangsgewalt bis zum lebensgefährlichen Waffengebrauch abwehren können.
Oberstleutnant Michael Marik; Kommandant Munitionslagerabteilung und stellvertretender Kommandant der Heeresmunitionsanstalt
Dieser Artikel erschien im TRUPPENDIENST 1/2024 (396).